POLITIK: Aktuell
Arzneimittelausgaben 1995: Budgeteinhaltung trotz Datenchaos
;


Die Zuwachsraten der Arzneimittelausgaben sind im Verlauf des Jahres 1995 deutlich zurückgegangen. Lagen
sie im ersten Quartal aufgrund der Infektionswelle im Frühjahr noch bei über 12 Prozent, so sind sie im
zweiten Halbjahr auf zirka vier Prozent gesunken.
Bei der Gegenüberstellung von Ausgaben und Budgetobergrenzen geht die Kassenärztliche Bundesvereinigung
davon aus, daß in den Landesbereichen, in denen bislang kein Konsens zu regionalen Budgethöhen erreicht
werden konnte, eine Mindestanpassung in Höhe des geschätzten Grundlohnsummenanstiegs vorausgesetzt
werden kann. In den alten Bundesländern liegt die Steigerungsrate demnach bei mindestens 1,7 Prozent, in den
neuen Bundesländern bei 3,5 Prozent. Die nachträgliche Korrektur der Grundlohnsummenprognose nach unten
spielt für die Budgetfestlegung keine Rolle. Der zugrundeliegende "Verschiebebahnhof" zugunsten der
Arbeitslosenversicherung bedeutet ja nicht etwa, daß Arbeitslose im Jahr 1995 nur noch 80 Prozent der
notwendigen Arzneimittel erhalten hätten. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, daß im Vertragsgebiet
West die Ausgaben um 309 Millionen DM unter, im Vertragsgebiet Ost um 415 Millionen DM über der
fiktiven Budgetgrenze liegen (Grafik 1).
Insgesamt liegen die veranlaßten Kosten auch im Jahr 1995 noch deutlich unter den Werten des Jahres 1992
(Grafik 2.). Dementsprechend reduzierte sich der Ausgabenanteil für Arzneimittel an den Gesamtausgaben der
Krankenkassen in dieser Zeit von 15,3 Prozent auf 11,9 Prozent.
Dagegen haben sich die Befürchtungen der KBV in bezug auf die unübersichtliche Datensituation leider
bestätigt. Seit Januar 1995 unterliegt die Arzneimittelabrechnung zwischen Apotheken und Krankenkassen
neuen vertraglichen Regelungen. Den Kassen stehen seit diesem Zeitpunkt Meldungen zu arztbezogenen
Ausgaben auf Datenbändern zur Verfügung. Trotzdem ist es den Kassen auch im dritten Budgetjahr noch nicht
gelungen, den Kassenärztlichen Vereinigungen zeitnah valide Daten zur Ausgabensituation zu liefern.
Erstmalig und erst im Oktober 1995 (!) wurde von den Krankenkassen für das erste Quartal 1995 je KV ein
Ausgabenwert mitgeteilt. Die Summe aller mitgeteilten Werte wich von dem in der offiziellen
Leistungsstatistik der Kassen ausgewiesenen Wert in den alten Bundesländern um 7,4 Prozent, in den neuen
Bundesländern sogar um 17,3 Prozent nach unten ab. Auch die Korrekturmeldung vom Januar 1996 konnte
offene Fragen nicht befriedigend beantworten. Neben Nachmeldungen in Höhe von zirka 40 Millionen DM in
den neuen und zirka 14 Millionen DM in den alten Bundesländern haben sich in einzelnen Regionen
Kostenverschiebungen von plus 35,6 Millionen DM bis minus 14 Millionen DM ergeben. Die Validität der
Daten ist damit bis zum jetzigen Zeitpunkt äußerst zweifelhaft.
Im Bereich der Heilmittelkosten im Jahr 1995 lassen sich derzeit aus vorhandenen Daten ebenfalls keine
zuverlässigen Aussagen zur Budgetsituation ableiten. Bislang konnte nur in den Kassenärztlichen
Vereinigungen Hessen, Westfalen-Lippe und Sachsen-Anhalt mit den Landesverbänden der Krankenkassen ein
Konsens über die Höhe einer Budgetsumme für Arznei-, Verband- und Heilmittel im Jahr 1995 gefunden
werden, der wirtschaftliche Nachteile für die Vertragsärzte vermeidet. Daß dies nur in Landesbereichen
gelungen ist, in denen sich die Krankenkassen nicht der Notwendigkeit einer Budgetanpassung verweigert
haben, ist bezeichnend. In den meisten KV-Bereichen dürfte nach Lage der Dinge die Budgetfestlegung
dagegen durch die Schiedsämter erfolgen.
Die Vertragsärzte stehen auch 1996 zu ihrer Verantwortung, eine qualitativ hochwertige Arznei- und
Heilmittelversorgung trotz begrenzter Finanzen sicherzustellen. Allerdings müssen die Krankenkassen die
Bereitschaft erkennen lassen, über die dringend notwendige Anpassung des Finanzrahmens zu verhandeln.
Und sie müssen endlich Daten bereitstellen, die eine Neufestsetzung der regionalen Budgetbasis erlauben.
Innovationen nicht länger leugnen
Morbiditätsbedingte Zuwachsraten in den Monaten Dezember 1995 bis Februar 1996 untermauern diese
Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung... Innovationen beharrlich zu leugnen, keinen Spielraum
für Morbiditätsschwankungen zuzugestehen und Leistungsverschiebungen aus dem stationären Sektor in die
ambulante Versorgung nicht zur Kenntnis zu nehmen kann letztlich nur in eine Rationierung münden.
Die Notwendigkeit der Ausgaben angesichts stagnierender Beitragseinnahmen und die Unfähigkeit, die
Kostenexplosion im Krankenhaus in den Griff zu bekommen, dürfen keine Argumente für eine
Qualitätseinschränkung in der ambulanten Versorgung sein. Die KBV geht daher davon aus, daß bereits bei
den in Kürze anstehenden Schiedsamtsverfahren zur Festsetzung der Regionalbudgets der Kassenärztlichen
Vereinigungen Berlin und Koblenz die Argumente der Ärzteschaft Gehör finden werden. Magda
Reiblich, KBV
Leserkommentare
Um Artikel, Nachrichten oder Blogs kommentieren zu können, müssen Sie registriert sein. Sind sie bereits für den Newsletter oder den Stellenmarkt registriert, können Sie sich hier direkt anmelden.