MEDIZIN: Übersichtsarbeit
Therapeutisches Vorgehen bei Frontzahntraumata
The Treatment of Anterior Dental Trauma
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Hintergrund: Avulsierte Frontzähne können wegen falscher oder unterlassener Behandlungsmaßnahmen oft nicht mehr gerettet werden. Dies ergibt sehr hohe Folgekosten über die gesamten Lebenszeit des betroffenen Patienten.
Methode: Vorgestellt wird das Ergebnis einer selektiven Literaturrecherche via PubMed zum Thema „Verlust bleibender Zähne bei Jugendlichen“. Als Suchkriterium wurde „prevalence of traumatic dental injuries“ für den Zeitraum zwischen 2000 bis 2010 angegeben. Darüber hinaus wird exemplarisch das mögliche Vorgehen im Rahmen der Erstversorgung bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 6 und 17 Jahren dargestellt.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 138 Artikel gefunden. Es wurden retrospektive klinische Untersuchungen bei Jugendlichen im Alter zwischen 6 und 17 Jahren mit Frontzahntraumata ausgewertet. Von diesen konnten aufgrund des Studiendesigns nur insgesamt 6 Artikel eingeschlossen werden. Die Prävalenz für Frontzahntraumata wird zwischen 6,4 % und 37,9 % in der genannten Altersgruppe angegeben. Die empfohlenen therapeutischen Initialmaßnahmen zur Rettung traumatisierter Zähne sind einfach umsetzbar. Herausgeschlagene Zähne können und sollen sofort replantiert werden. Bei Zeitmangel oder lebensbedrohlichen Situationen für den Patienten reicht es auch aus, die Zähne in einer Nährlösung zu lagern, um die Dauer bis zur Replantation zu überbrücken. Dafür werden im Handel eigens sogenannte Zahnrettungsboxen angeboten. Mit diesen lässt sich die Zeit bis zur Replantation bis zu 24 Stunden überbrücken.
Schlussfolgerung: Die verschiedenen Autoren der untersuchten Studien stimmen darin überein, dass Frontzahntraumata häufig unzureichend therapiert werden. Die rechtzeitige Behandlung eines traumatisierten Frontzahnes kann Folgeschäden und teure Therapien für den betroffenen Jugendlichen erheblich vermindern.


Frontzahntraumata sind ein häufiges Verletzungsmuster des dentoalveolären Systems, bei denen eine entsprechende Erstversorgung wichtig ist. Erleiden Jugendliche ein Frontzahntrauma, besteht häufig das Problem, den Zahn in dieser ästhetisch wichtigen Zone zu erhalten und Folgeschäden möglichst zu minimieren. Eine unterlassene oder falsche Therapie kann zu lebenslangem zahnärztlichem Therapiebedarf bei den Betroffenen führen.
Die Ursachen für Frontzahntraumata sind mannigfaltig. Im Alter von ein und zwei Jahren führen vor allem Stürze während des Laufenlernens zu Frontzahnverletzungen. Im Kindergarten im Alter zwischen drei und sechs Jahren sind Stürze infolge von Unachtsamkeit beim Spielen und Herumtoben relevant. Die höchste Inzidenz für Frontzahntraumata findet man bei 7–12-Jährigen (1–4). Die Ursache dafür wird vor allem in der Zunahme sportlicher Aktivität und den verstärkten Auseinandersetzungen mit Gleichaltrigen gesehen. Sportverletzungen spielen nach Verkehrsunfällen und Rohheitsdelikten eine häufige Rolle bei Frontzahntraumata (5, 6), wobei sich die Prävalenz für diese Verletzung von Sportart zu Sportart unterscheiden kann (7–10). Die Häufigkeit für das Auftreten eines Frontzahntraumas im Rahmen des Schulsports wird dabei mit 2,3 % aller Unfälle angegeben (7).
Aufgrund der Häufigkeit von Zahntraumata und deren möglicherweise kostenintensiver und langwieriger Versorgung befürwortet die Bundeszahnärztekammer eine Bevorratung von Zahnrettungsboxen in allen Kindergärten, Schulen, Sportstätten, Zahnarztpraxen und medizinischen Einrichtungen (5).
Da viele der vorkommenden Befunde im Rahmen von Unfällen auftreten werden, die mit Frakturen der Extremitäten, einer Gehirnerschütterung oder vital bedrohlichen Zuständen einhergehen (11), kommt es häufig vor, dass Zahntraumata übersehen werden, weil zunächst wichtigere Dinge bei der Notfallversorgung im Vordergrund stehen. Als Folge kann oft keine adäquate Therapie mehr eingeleitet werden, die zur Rettung des Frontzahnes führen würde. Dabei ist der Erhalt des intakten bleibenden Zahnes, der im Gegensatz zum Milchzahn ja nicht vom Organismus ersetzt wird, von größter Bedeutung für die weitere psychische Entwicklung der betroffenen Person (12). Verschiedene Studien zeigten anhand von Umfragen, dass der Verlust eines Frontzahnes bei Kindern und Jugendlichen negativ im Hinblick auf psychologische und soziale Komponenten bewertet wird. Diese Probleme betreffen sowohl Ausgrenzung aufgrund der sichtbaren Verstümmelung durch die Gleichaltrigen – was zu sozialer Deprivation führen kann (13) – als auch das Gefühl der Scham beim Lachen und die Vermeidung von Kontakten zu Altersgenossen (13, 14). Es gibt aber auch praktische Gründe, die für die sofortige Versorgung eines Frontzahntraumas zur Vermeidung von Folgeoperationen sprechen: Bei Verlust eines Frontzahnes vor Abschluss des Kieferwachstums können keine Implantate als Zahnersatz verwendet werden, da diese ankylotisch einheilen. Dies würde dazu führen, dass sich der Alveolarknochen um das Implantat herum während des Kieferwachstums weiterentwickelt, und nach der Versorgung mit einer Krone im Laufe der Zeit ein unästhetisches Ergebnis resultiert. Unversorgt hat der Verlust eines bleibenden Zahnes starke Einbußen an Alveolarknochen zur Folge, die später durch weitreichende operative Eingriffe behoben werden müssen, um ein ästhetisch und funktionell befriedigendes Ergebnis zu erzielen.
Methoden
In der vorliegenden Arbeit wird das Ergebnis einer selektiven Literaturrecherche zum Thema „Verlust bleibender Zähne bei Jugendlichen“ in der Datenbank PubMed vorgestellt. Im Hinblick auf den Vergleich der Fallzahlen ergab der Suchbegriff „prevalence of traumatic dental injuries“ insgesamt 138 Artikel aus dem Zeitraum zwischen 2000 und 2010. Eingeschlossen in die Auswertung wurden davon retrospektive klinische Untersuchungen bei Jugendlichen im Alter zwischen 6 und 17 Jahren mit Frontzahntraumata. Von diesen Studien waren aufgrund des Studiendesigns nur insgesamt 6 Artikel direkt miteinander vergleichbar, wovon nur drei wiederum aufgrund des Studiendesigns in die Untersuchung eingeschlossen werden konnten (2–4). Zur Abrundung der Thematik wurde als Suchbegriff zudem „traumatic dental injuries“ angegeben. Dieser ergab insgesamt 1 050 Treffer für den Zeitraum zwischen 1953 und 2010. Eingeschlossen in die Auswertung wurden davon nur Artikel mit Stellungnahmen und Studien zu modernen Therapieansätzen wie Autotransplantation und Schienung, sowie Arbeiten zum Auftreten von Frontzahntraumata im Bereich der Sportmedizin und Beiträge über psychosoziale Folgen für die Betroffenen.
Ergebnis
Prävalenz
Die Angaben über die Häufigkeit des Frontzahntraumas im Alter von 6–17 Jahren sind im Allgemeinen in der Literatur sehr unterschiedlich (1). Die Prävalenzen in der betrachteten Altersgruppe zwischen 6 und 17 Jahren werden in den 6 eingeschlossenen Querschnittsstudien zwischen 6,4 % und 37,9 % angegeben (2–4).
Einteilung der Frontzahntraumata
Es existieren diverse Einteilungen zur Klassifikation von Frontzahnverletzungen (15, 16). Die bekannteste ist die Einteilung der WHO (Tabelle 1 gif ppt). Darüber hinaus können Frontzahntraumata exemplarisch eingeteilt werden in Verletzungen, die nur die Zahnhartsubstanz betreffen, den Zahnhalteapparat, den Alveolarknochen oder eine Kombination der genannten anatomischen Strukturen (Tabelle 2 gif ppt). Jedes dieser Verletzungsmuster benötigt dabei eine spezifische Therapie. Allgemein gilt die Auffassung, dass Frontzahnverletzungen entsprechender Sofortmaßnahmen bedürfen. Wenn ein bleibender Zahn während der Wachstumsphase des Kiefers betroffen ist, also in einem Alter zwischen 6 und 17 Jahren, muss dieser unbedingt erhalten werden, da ein festsitzender Zahnersatz erst nach Abschluss des Kieferwachstums optimal angefertigt werden kann.
Basisdiagnostik
Die Erstversorgung von Verletzungen des dentoalveolären Systems bei Jugendlichen unterliegt einer besonderen Sorgfaltspflicht. Diese betrifft zum einen die Erhebung von Angaben zum Unfallhergang – dabei sollte auch auf Hinweise für häusliche Gewalt geachtet werden (17) – und zum anderen die anamnestischen Angaben zum aktuellen Impfstatus (Tetanus) und Anzeichen einer Gehirnerschütterung (Amnesie, vegetative Symptome).
Im weiteren Verlauf sollte das stomatognathe System auf Verletzungen untersucht werden. Besonderes Augenmerk gilt dabei direkten und indirekten Zeichen für Frakturen der Kieferknochen. Zudem sollten die Zähne auf eine abnorme Mobilität, abweichende Zahnstellung und Sensibilität (mit Eisspray und Wattebausch) untersucht werden. Darüber hinaus sollte man den Alveolarfortsatz auf Stufenbildungen oder Diskontinuitäten abtasten.
Die Befunderhebung bei verschiedenen Verletzungsmustern der Zähne wird im folgenden Abschnitt sowie in Tabelle 1 und 2 beschrieben.
Röntgenbilder zum Frakturausschluss müssen ebenfalls im Zuge der Basisdiagnostik angefertigt werden. Durch den Zahnarzt oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen wird zu diesem Zweck eine Panoramaschichtaufnahme angefertigt, die gegebenenfalls durch Einzelaufnahmen der Frontzähne ergänzt wird.
Diagnostik und Behandlung von speziellen Verletzungen
Schmelzfraktur
Eine Schmelzfraktur (Tabelle 1) erkennt man an zarten weißlich-kreidigen Sprüngen an der Oberfläche des betroffenen Zahnes. Diese fühlt sich meist glatt an. Bei diesem Verletzungsmuster müssen keine sofortigen Maßnahmen eingeleitet werden.
Kronenfraktur
Bei einer Kronenfraktur ist Zahnhartsubstanz verloren gegangen. Dabei können entweder lediglich Teile des Zahnschmelzes fehlen, oder größere Stücke herausgeschlagen worden sein, ohne dass jedoch der Zahnnerv freiliegen muss (Kronenfraktur ohne Pulpenbeteiligung, Tabelle 1). Da das Dentin allerdings Verbindungen zum Zahnnerv unterhält, müssen Patienten mit frakturierten Zähnen an einen zahnärztlichen Kollegen überwiesen werden, um Maßnahmen zur Vitalerhaltung der Pulpa einzuleiten.
Dies gilt insbesondere, wenn Teile des Zahnnervs freiliegen; das ist ersichtlich an einem Hämatom oder einer Blutung im Zentrum des Zahnes (Kronenfraktur mit Pulpenbeteiligung, Tabelle 1).
Wurzelfraktur
Wurzelfrakturen können mit dem Herausschlagen des sichtbaren Anteils des Zahnes, mit partiellem Verlust an Zahnhartsubstanz oder einer Fehlstellung einhergehen oder sich völlig unauffällig darstellen – dann lediglich erkennbar an einer leicht erhöhten Zahnbeweglichkeit. Eine Wurzelfraktur kann meistens nur mit einer entsprechenden Röntgenaufnahme sicher festgestellt werden.
Die Versorgung von Wurzelfrakturen richtet sich nach der Höhe und dem Verlauf der Frakturlinie durch die Wurzel. Intraalveoläre Frakturen können meist durch Schienung und endodontische Behandlung des koronalen Fragmentes versorgt werden. Wurzelfrakturen mit Verbindungen zur Mundhöhle führen durch bakterielle Invasion und nachfolgende Entzündungen meistens zum Verlust des betroffenen Zahnes. Liegt der Verdacht auf eine Wurzelfraktur nahe, sollte der Patient baldmöglichst einem Zahnarzt vorgestellt werden.
Zahnluxationen
Zahnluxationen zeigen sich meistens in einer deutlich erhöhten Beweglichkeit des traumatisierten Zahnes. Luxierte Milchzähne werden im Allgemeinen entfernt oder nicht reponiert, sofern die Anlage eines darunterliegenden bleibenden Zahnes im Röntgenbild bestätigt wurde.
Bei luxierten bleibenden Zähnen, die keine Stellungsänderung durch die Verletzung erfahren haben, kann je nach Lockerungsgrad auf eine Therapie verzichtet werden, da sich durch Trauma gelockerte Zähne im Allgemeinen bei Schonung wieder festigen. Demgegenüber erfordern Zahnluxationen, die zu einer Stellungsänderung geführt haben, bei bleibenden Zähnen eine vorsichtige achsgerechte Reposition und Schienung mit einer Draht-Komposit-Schiene für sieben Tage (Abbildung gif ppt). Das gilt auch für intrudierte (Zahn in den Kiefer verlagert, Krone unnatürlich kurz) oder extrudierte Zähne (Zahn erscheint unnatürlich verlängert). Befindet sich der Zahn komplett außerhalb der Alveole, wird von einer Avulsion gesprochen, die bei bleibenden Zähnen durch entsprechende Reposition und Schienung therapiert werden muss.
Zahnavulsion
Während Verletzungen der sichtbaren Zahnhartsubstanz wie Schmelz-Dentin-Frakturen bei Unversehrtheit der Zahnpulpa auch verzögert therapiert werden können, verlangen Verletzungen der Zahnwurzeln, des Zahnhalteapparats oder des Alveolarknochens eine schnelle Intervention. Allen voran muss die Avulsion eines Zahnes, also dessen völliger Verlust durch direkte oder indirekte Krafteinwirkung, schnellst möglich behandelt werden.
Klinische und experimentelle Studien haben gezeigt, dass bereits bei sofortiger Replantation nach maximal fünfminütiger extraalveolärer Verweildauer nur bei 73 % der replantierten Zähne nach abgeschlossener Heilung normales desmodontales Gewebe vorlag – ab zehnminütiger extraalveolärer Verweildauer konnte eine optimale Heilung sogar nur noch in 50 % der Fälle beobachtet werden (15, 16, 18). Folglich sollten ausgeschlagene Zähne nach entsprechender Reinigung mit isotoner Kochsalzlösung sofort in die Alveole reponiert werden. Eine Quetschung oder Berührung der Wurzeloberfläche sollte unbedingt vermieden werden.
Der Zahn wird dann mit Draht und Komposit in dieser Position (durch einen Zahnarzt) fixiert. Ist kein Draht oder Komposit zur Hand, kann auch eine Art Splint aus Alufolie um die Zähne angelegt werden. Sollte sich der erstversorgende Arzt zu einer sofortigen Replantation nicht in der Lage sehen, so empfiehlt sich die Lagerung des Zahnes in einer sogenannten Zahnrettungsbox. Die Zahnrettungsbox erlaubt eine Replantation auch noch nach bis zu 24 Stunden. Ein Vorteil der Zahnrettungsbox besteht darin, dass nach dem Unfall und bei sofortiger Lagerung des Zahnes genügend Zeit verbleibt, um die notwendige Diagnostik und Therapie in Ruhe durchzuführen.
Die Zahnrettungsbox enthält Nährmedien und Puffer, um die Zellen über einen Zeitraum bis zu 24 Stunden am Leben zu erhalten. Außerdem ist darin noch ein Farbindikator enthalten, der sich beim Absinken des pH-Wertes von rosa nach gelb verfärbt. Das Medium in der ungeöffneten Box ist mindestens 3 Jahre haltbar, sollte aber nicht über 40° C erwärmt werden. Allerdings kann auch das Einbringen des Zahnes in kühlschrankkalte Lösungen die Prognose für den Zahnerhalt verschlechtern.
Als weniger optimale Alternative kann der Zahn auch in Milch (vorzugsweise H-Milch) gelagert werden. Nur in allergrößter Not kann Kochsalzlösung oder Speichel im Mund des Patienten zur Lagerung genutzt werden. Dieses Vorgehen führt aber innerhalb einer Stunde zum Zelltod auf der Wurzeloberfläche.
Keinesfalls empfiehlt sich eine trockene Lagerung oder die Lagerung in Leitungswasser (15). Wird ein Zahn in einer Zahnrettungsbox gelagert, so kann der Zahn nach notwendiger Erstversorgung durch die Notfalleinrichtung immer noch bis zu 24 Stunden plan- und aufschiebbar durch einen zahnärztlichen Kollegen (beispielsweise Fachzahnarzt für Oralchirurgie oder Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie) replantiert werden.
Ausgefallene Frontzähne können und müssen bei entsprechender Lagerung in ihrer ursprünglichen Position replantiert werden, um dem Patienten lebenslange aufwändige und belastende Folgetherapien nach Möglichkeit zu ersparen.
Bei der Weiterbehandlung überwiesener Patienten kommt es darauf an, dass avulsierte Zähne direkt nach Verlust richtig gelagert oder sofort repositioniert werden. Was wäre also für den Erstversorger, der einen Zahnverlust feststellt, zu tun? Die aktuelle Literatur belegt, dass die umgehende Replantation des Zahnes die beste Prognose aufweist (15–17), und zwar aus folgenden Gründen: Die Oberfläche der Zahnwurzel ist von Zement und Bindegewebszellen umgeben. Für eine erfolgreiche Einheilung ist es wichtig, dass möglichst viele dieser Zellen vital bleiben. Die vorherrschende Zellpopulation im Desmodont sind Fibroblasten. Sie machen ungefähr 25 % aller Zellen dort aus (16). Luxationsverletzungen oder Avulsion führen zu einem Einreißen des desmodontalen Gewebes und zur Initiierung der Blutgerinnung und der Wundheilung. Die vorhandenen Fibroblasten werden dabei als hauptverantwortlich für die Reparationsprozesse angesehen, was mit einer starken Vermehrung dieser Zellen einhergeht (19). In dieser Heilungsphase entscheidet sich, ob sich reguläres Desmodont ausbildet oder Narbengewebe mit einhergehender Resorption oder Ankylose (19, 20). Abgestorbene Fibroblasten auf der Wurzeloberfläche werden von Makrophagen beseitigt. Deren Anwesenheit kann zur Bildung von resorptivem Narbengewebe führen. Als Folge davon können eine Ankylose des Zahnes sowie externe Resorptionen entstehen, die den möglichen Zahnverlust nach sich ziehen (18, 21). Um die Chemotaxis der Makrophagen und anderer immunkompetenter Zellen zu minimieren gilt daher als beste Erstversorgung des avulsierten Zahnes die sofortige Replantation und gegebenenfalls die Entfernung des nekrotischen Pulpengewebes noch extraoral oder in der Folgezeit.
Resümee
Die verschiedenen Autoren in der Literatur (10, 11) stimmen darin überein, dass das Wissen in der Bevölkerung um das optimale Verhalten nach einem Frontzahntrauma als unbefriedigend angesehen werden kann. Bei der hohen Inzidenz des Frontzahntraumas ist es verwunderlich, dass die entsprechende Versorgung dieser speziellen Verletzung auch in medizinischen Einrichtungen unzureichend durchgeführt wird (10). Dabei fällt vor allem auf, dass Zähne nach Verlust trocken gelagert werden und nicht mehr replantiert werden können, beziehungsweise auf eine Replantation verzichtet wird. Auch andere therapeutische Schritte zur Behandlung traumatisierter Frontzähne werden nicht oder verspätet eingeleitet. Als ursächlich dafür kann eine Wissensbarriere zwischen Medizin und Zahnmedizin angesehen werden (11). Die suffiziente Erstversorgung ist jedoch eigentlich einfach und ohne große Spezialkenntnisse durchführbar.
Notfalleinrichtungen sollten Zahnrettungsboxen vorhalten, um eine entsprechende Weiterversorgung ausgefallener Zähne nach erfolgter Erstbehandlung des Patienten zu gewährleisten. Ein nicht replantierter Zahn kann bei Kindern und Jugendlichen nicht durch eine festsitzende Prothetik ersetzt werden. Häufig resultieren lebenslange, nicht unerhebliche Folgekosten und Operationen durch eine inadäquate oder unterlassene Therapie. Deshalb sollte der Zahn am besten sofort in die Alveole zurückgesetzt – oder alternativ entsprechend gelagert werden – und anschließend in einer entsprechenden Facheinrichtung replantiert werden (22).
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 29. 6. 2010, revidierte Fassung angenommen: 6. 9. 2010
Anschrift für die Verfasser
Dr. med. dent. Dan Brüllmann
Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Augustusplatz 2
55131 Mainz
Summary
The Treatment of Anterior Dental Trauma
Background: Avulsed frontal teeth often cannot be saved because of improper or lack of initial treatment. The result is a need for multiple interventions over the patient’s lifetime, which also carry a high financial cost.
Methods: We explored the subject of lost anterior teeth in young patients with a PubMed search based on the term “prevalence of traumatic dental injuries” over the time period 2000–2010. In this article, we selectively review the publications retrieved by the search and give case examples to illustrate the proper initial treatment of children and adolescents (ages 6 to 17) with broken anterior teeth.
Results: The search retrieved 138 articles. Here, we review retrospective clinical studies of dental trauma between the ages of 6 and 17: only 6 adequately designed studies of this type were found. The estimated prevalence of anterior tooth trauma in this age group ranged from 6.4% to 37.9%. The recommended initial steps for the preservation of traumatized teeth are easy to take. Avulsed teeth can and should be replanted at once. If there is no time, or if the patient simultaneously has other, life-threatening injuries, the avulsed teeth can be stored in a special nutrient medium until they can be replanted. Commercially available tooth storage boxes enable replantation to be performed up to 24 hours after the injury.
Conclusion: The authors of the selected studies agree that dental trauma is often improperly treated. Timely treatment of injured anterior teeth prevents much further damage and expensive treatment for the affected young patients.
Zitierweise
Brüllmann D, Schulze RK, d’Hoedt B: The treatment of
anterior dental trauma. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(34–35): 565–70. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0565
@The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
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Gutenberg-Universität Mainz: Dr. med. dent. Brüllmann, PD Dr. med. dent. habil. Schulze, Prof. Dr. med. dent. d’Hoedt
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