ArchivDeutsches Ärzteblatt15/1998Onychomykose: Höhere Heilungsraten und kürzere Therapiedauer

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Onychomykose: Höhere Heilungsraten und kürzere Therapiedauer

Gabler-Sandberger, E.

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LNSLNS Mit einer Inzidenz von fast drei Prozent der Bevölkerung ist die Onychomykose ein verbreitetes Leiden. Zehennägel sind viermal so häufig befallen wie Fingernägel. Der Befall ist bei älteren Personen erheblich häufiger als bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Abwehrschwäche (Diabetes, HIVInfektion, Hämodialyse, Tumor- und Leukämiepatienten, Down-Syndrom) begünstigt die Entwicklung der Onychomykose mit multiplem Nagelbefall. Nach englischen Untersuchungen (Evans) ist der Pilzbefall des Nagels für sieben Prozent der Zehenamputationen bei Diabetikern verantwortlich.
Infektionsquellen
Die Pilzinfektion der Nägel ist eine häufig traumatisch ausgelöste Folge einer jahrelang vorbestehenden Pilzinfektion der Haut, die vor allem bei intertriginösem Befall oft nicht beachtet wird. Infektionsquellen sind bekanntlich Schwimmbäder, Fitneßzentren und Sporthallen. N. Raboobee (Durban/Südafrika) verglich gläubige Moslems mit Personen, die nicht regelmäßig Moscheen besuchten. 78 Prozent der Muslime waren im Vergleich zu 42 Prozent der Kontrollen von einer Tinea pedis et ungium befallen. Barfußlaufen ist auch hier die Ursache für die weite Verbreitung der Pilze, deren Sporen sich massenhaft auf den Teppichen finden.
Kommt es nach Ausheilung der Onychomykose zum Wiederaufflackern der Erkrankung, so handelt es sich um eine neu erworbene Fußpilzinfektion. Für die Entstehung der Onychomykose werden individuelle prädisponierende Faktoren mit verantwortlich gemacht. Für die dauerhafte Lösung des Problems ist es wichtig, eine bestehende Onychomykose konsequent zur Ausheilung zu bringen und eine sinnvolle Rezidivprophylaxe zu betreiben.
Nach ihrem klinischen Bild werden fünf Formen der Onychomykose unterschieden:
l die distal-laterale subunguale
ldie oberflächliche weiße
l die proximale subunguale
l die dystrophe Onychomykose und
l die fast ausschließlich die Fingernägel befallende Candida-Onychomykose.
Die subunguale Onychomykose befällt immer Nagelmatrix und Nagelplatte in ihrer ganzen Tiefenausdehnung. Nur die bei AIDS-Patienten oft mit Befall aller Nägel auftretende, durch Trichophyton mentagrophytes verursachte oberflächliche weiße Onychomykose beschränkt sich auf die oberste Schicht der Nagelplatte. Die proximale Onychomykose findet sich bei AIDSPatienten und bei Patienten mit peripherer Vasculopathie. Die Candida-Infektion wird häufig als Sekundärinfektion bei Paronychie oder bei Patienten mit chronischer mukokutaner Candidose gesehen; vor allem aber bei Frauen, die ihre Hände viel im Wasser haben.
Wegen der Verwechslungsmöglichkeiten mit nicht infektiös bedingten Nagelveränderungen, vor allem bei Psoriasis, wird die mykologische Diagnose als Voraussetzung für die Verordnung einer antimykotischen Therapie bei Onychomykose gefordert (D. T. Roberts, Glasgow). Als Goldstandard gilt der mikroskopische Nachweis des Pilzes im KOH-Präparat, kombiniert mit positiver Pilzkultur.
Evans verweist auf die Notwendigkeit, adäquates Material möglichst nahe an dem proximalen Teil des Herdes, beispielsweise durch sehr kurzes Schneiden der Nägel und Entnahme von subungualem Debris, zu gewinnen und das Material trocken zu versenden, um ein Überwuchern mit gramnegativen Keimen und damit den Untergang der Pilze zu vermeiden. Auch bei adäquater Probennahme und Kulturtechnik muß jedoch in 30 Prozent der Fälle damit gerechnet werden, daß die Kultur negativ bleibt, obwohl mikroskopisch Pilze im Nagelpräparat nachzuweisen sind.
Im Gegensatz zu anderen oberflächlichen Pilzinfektionen ist die Onychomykose in ihrem Erregerspektrum weltweit gut vergleichbar. Haupterreger sind Dermatophyten
(> 80 Prozent der Fälle), vorwiegend Trichophyton rubrum, seltener Trichophyton mentagrophytes.
Candida ist vor allem mit den Spezies Candida albicans und Candida parapsilosis vertreten. Andere Pilze wie Scopulariopsis, Aspergillus und Fusarium werden für annähernd fünf Prozent der Onychomykosen, vor allem in Form einer Sekundärinfektion, verantwortlich gemacht.
Nach einer von D. H. Ellis (Adelaide, Neuseeland) an umfangreichem Material durchgeführten mykologischen Studie sind Schimmelpilze, die in der Kultur aus Nagelmaterial wachsen, in der Mehrzahl der Fälle Kolonisatoren. Nur in 2,5 Prozent der Fälle wurden wiederholt identische Stämme isoliert und entsprechend als Erreger eingestuft.
Pilze verfügen über Enzyme, mit denen sie das Keratin aufbrechen und sich - wie beispielsweise Fusobacterium - in den entstandenen Kanälen vermehren (M. D. Richardson, Glasgow). Ohne adäquate Therapie geht im Laufe der Infektion die gesamte Nagelplatte zugrunde.
Patienten erleben deutliche Funktionsdefizite, wenn die Schutzfunktion der Nägel entfällt, wenn sie ihre Schuhe nicht mehr anziehen können und Schmerzen haben, wenn die aufgespaltenen, von Pilzen befallenen Fingernägel ständig irgendwo hängen- bleiben, feine manuelle Tätigkeiten nicht mehr durchgeführt werden können. Die Nagelmykose ist auch - aber nicht allein, wie fälschlich angenommen wird - ein kosmetisches Problem. Die pilzbefallenen Nägel werden als abstoßend und ekelerregend erlebt. Zehen- und Fingernägel, die durch eine Onychomykose befallen sind, entwickeln sich oft zu einem ernsthaften Problem in der Partnerbeziehung. Die Kontagiosität der Infektion verbietet die Fortsetzung beruflicher Tätigkeiten, bei Befall der Finger beispielsweise bei Krankenhauspersonal und allen Personen, die in der Nahrungsmittelbranche tätig sind.
Potente Substanz Terbinafin
In der Behandlung der Pilzinfektionen der Nägel konnten im vergangenen Jahrzehnt entscheidende Fortschritte verzeichnet werden. Unter den neuen Antimykotika haben Terbinafin, Itraconazol und Fluconazol gegenüber Griseofulvin deutliche Vorteile der signifikant höheren Heilungsraten bei kürzerer Therapiedauer und besserer Verträglichkeit. Terbinafin wird dabei in der Wirkung gegen Dermatophyten (fungizide Wirkung, sehr niedrige minimale Hemmkonzentrationen von 0,001 bis 0,01 mg/l, die bei hoher Anreicherung im Keratin der Haut und Nägel 1 000fach und mehr überschritten werden) als potenteste Substanz eingeschätzt (Roberts). Umfangreiche Studien belegen im direkten Vergleich die klinische Überlegenheit des Allylamins Terbinafin gegenüber den Azolen Itraconazol und Fluconazol (kontinuierliche Therapie oder Intervalltherapie).
Eine Therapiezeit von zwölf Wochen bei täglicher Gabe von 250 mg Terbinafin bei Zehennagel- und von sechs Wochen bei Fingernagelbefall wird als Standard empfohlen. Dabei bleibt Terbinafin noch wochenlang nach der letzten Applikation in biologisch wirksamer Form im Nagel. Laut Ellis können mit Terbinafin bis zu 94 Prozent der Patienten geheilt werden, wenn bei unbefriedigendem Ergebnis der Primärbehandlung ein zweiter Therapiekursus verabreicht wird. Für S. Dole (Paris) stellt die Kombination von Terbinafin (über zwölf beziehungsweise sechs Wochen 250 mg/Tag) mit dem Amorolfin-Nagellack (einmal wöchentlich über 15 Monate) die effizienteste Therapie der subungualen Nagelmykose dar.
In der Verträglichkeit werden Terbinafin, Itraconazol und Fluconazol als global vergleichbar beurteilt. Terbinafin, das unabhängig von der Mahlzeit eingenommen werden kann, wurde auch bei Kindern (vor allem bei Tinea capitis) mit Erfolg und bei guter Verträglichkeit eingesetzt. Die Dosisempfehlung liegt bei 250 mg/Tag bei > 40 kg KG, bei 125 mg/Tag bei 32 bis 40 kg KG und bei 62,5 mg bei < 20 kg KG.
Als Vorteil gegenüber den Azolen wird gewertet, daß Terbinafin nicht in Interaktion mit dem P450-CytochromEnzymsystem der Leber tritt und folglich ein erheblich geringeres Potential für Arzneimittelinteraktionen hat.
Aufgrund der verbesserten Behandlungsfähigkeit von Onychomykosen greifen nur noch wenige Dermatologen zu der - von Patienten gefürchteten - Nagelextraktion. Studien zur Rezidivprophylaxe der Tinea pedis ließen erkennen, daß diese Maßnahme zugleich auch die wichtigste Präventivmaßnahme gegen ein Wiederauftreten des Nagelbefalls ist. Neben den bekannten Maßnahmen zur Desinfektion der Schuhe und Strümpfe, dem Tragen von geeignetem Schuhwerk in allen mit Pilzen kontaminierten Bereichen ist die lokale Anwendung eines Antimykotikums im wöchentlichen Turnus sinnvoll. Dabei sollten systematisch immer Nagelfalz und Zehen- beziehungsweise Fingerkuppe behandelt werden.
Dr. med. E. Gabler-Sandberger

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