POLITIK: Aktuell
SPD-Wahlprogramm – Unverändertes Credo: Globalbudgetierung


Aussagen zur Gesundheits- und Sozialpolitik.Doch die Gesundheits- und Sozialminister der SPD-regierten
Länder und der gesundheitspolitische Sprecher
der SPD-Fraktion haben bereits detaillierte Vorstellungen.
Das vom SPD-Parteitag am 17. April in Leipzig beschlossene "Regierungsprogramm 1998 bis 2002" betont den
Willen der SPD, die Sozialabgaben weiter zu senken - eine nach ihrer Überzeugung wichtige Voraussetzung zur
Überwindung der Massenarbeitslosigkeit. Andererseits sollen viele Sparmaßnahmen der 3. Stufe zur
Gesundheitsreform kurzfristig rückgängig gemacht und neue soziale Segnungen ausgeteilt werden. Die SPD
will, so die Losung des in Leipzig bestätigten Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder, alle Maßnahmen unter einen
strikten Finanzierungsvorbehalt stellen, dem ein Kassensturz vorausgehen soll. Viele der neuen Sozial- und
Gesundheitsleistungen sollen durch neue Finanzierungsquellen und durch Umverteilung gedeckt werden.
Sparreserven
ausschöpfen
Die SPD-Sozial- und Gesundheitsressortchefs der Länder und der gesundheitspolitische Sprecher der
Bundestagsfraktion, Klaus Kirschner, stützen sich bei dem Programm zur Strukturreform in der
Krankenversicherung (Stand: 19. März) im wesentlichen auf die gesetzestechnische Ausarbeitung entsprechend
der Schubladenentwürfe und des GSG-II-Entwurfs, wie er im vergangenen Jahr im Bundestag eingebracht
worden ist. Die SPD will die Krankenversicherungsbeiträge vor allem durch weitere Maßnahmen zur
Strukturreform im Gesundheitswesen stabilisieren, die die noch "erheblichen Sparmöglichkeiten" ausschöpfen.
Mehr Wirtschaftlichkeit in allen Leistungsbereichen und ein verschärfter, überwiegend von den Krankenkassen
gesteuerter Wettbewerb bis hin zum "Einkaufsmodell" sollen ebenfalls zur Ausgabensenkung beitragen. Die
Einsparziele sollen vor allem durch eine staatlich sanktionierte Globalbudgetierung aller Ausgaben im
Gesundheitswesen erreicht werden. Die SPD will Regelungen durchsetzen, die die ausgabenbegrenzenden
Gesamtvergütungen im ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Bereich wieder einführen. Sie postuliert eine
für alle bezahlbare Gesundheitssicherung, in der Anspruchsberechtigte den gleichen Anspruch auf "gute
medizinische Versorgung" haben müssen.
Nach der SPD-Diktion soll
das Sachleistungsverfahren erhalten bleiben. Der Pflichtleistungskatalog müsse alle notwendigen medizinischen
Gesundheitsleistungen umfassen. Chronisch Kranke und ältere Patienten sollen von den erhöhten Zuzahlungen
entlastet werden. Ebenso will die SPD den Automatismus von Beitragserhöhung und Zuzahlungserhöhung
aufheben. Zudem will die SPD bei der Zahnersatzversorgung die Sachleistungsregelung und
Zahnersatzleistungen für Jugendliche (für die von 1979 an geborenen) wieder einführen. Die SPD"Kaminrunde" der Länderminister befürwortet ein abgestuftes Konzept von kurz- und mittelfristigen
Gesetzesvorhaben. Jedenfalls sind nach Ansicht der SPD-Sozial- und Gesundheitspolitiker die Defizite im GKVSystem so groß, daß sie nicht innerhalb kurzer Zeit mit einem isolierten gesetzgeberischen Kraftakt beseitigt
werden könnten.
In einem ersten Schritt will die SPD ein "Sofortprogramm" im Rahmen eines 100-Tage-Konzeptes starten, das
noch zum 1. Januar 1999 in Kraft treten soll. Deshalb sollen nur wenige Elemente von strukturverändernden
Bestandteilen des Beitragsentlastungsgesetzes, des 1. und 2. GKV-Neuordnungsgesetzes korrigiert werden:
- Rücknahme der Arzneimittelzuzahlungen zugunsten chronisch Kranker bei den Arzneimittelgroßpackungen,
und zwar von 13 auf 10 DM. Gleichzeitig sollen die Zuzahlungen für mittlere Packungen von 11 auf 9 und für
Kleinpackungen von 9 auf 8 DM gesenkt werden;
- Abschaffung des noch für 1998 und 1999 geltenden "Notopfers Krankenhaus" zur Refinanzierung des
Instandhaltungsaufwandes der Krankenhäuser in Höhe von 20 DM;
- Beseitigung von Gestaltungselementen, die der privaten Krankenversicherung systemimmanent sind, wie
Beitragsrückgewähr, Wahltarife, Selbstbehalt und Kostenerstattung;
- Neufassung der Rahmenbedingungen für die Gesundheitsförderung als Pflichtaufgabe der Krankenkassen;
- Verhinderung des Mißbrauchs der Versicherten-Chipkarte durch eine Veränderung der Gestaltung (Einfügung
eines Lichtbildes).
Geringere
Zuzahlungen
Das Maßnahmenbündel soll für die Betroffenen - insbesondere für die chronisch Kranken - zu einer Senkung
der Zuzahlungen um 1,1 Milliarden DM pro Jahr führen. Diese würden insgesamt dann noch rund 5,7 Milliarden
DM betragen. Würde der Instandhaltungsaufwand der Kliniken wieder in die Finanzierungspflicht der Länder
zurückverlagert, würden die GKV-Mitglieder um brutto 990 Millionen DM/Jahr entlastet werden. Das
"Sofortprogramm" erfordert von den Krankenkassen einen Finanzbedarf von weniger als 2,5 Milliarden DM
(rund 0,15 Prozentpunkte). Finanziert werden soll dies vor allem durch feste Gesamtvergütungen und durch ein
energisches Kostenmanagement der Krankenkassen. Falls die Beitragssätze um 0,2 Prozentpunkte gesenkt
würden, wäre dies eine Entlastung für Arbeitgeber und Versicherte in Höhe von 3,5 Milliarden DM pro Jahr.
Mittelfristig sollen die komplexeren Regelungen greifen. So sollen Regelungen zur Förderung vernetzter
gesundheitlicher Versorgungsstrukturen getroffen werden. Vorgesehen ist dies über entsprechende Anreize für
Versicherte im Vertragsrecht, durch eine "Lockerung" des Kontrahierungszwangs, ein "Aufbrechen der
Oligopole" und eine Verschiebung der Befugnisse zugunsten der Krankenkassen.
Direkte Verhandlungen
Vorgesehen sind auch direkte Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern,
insbesondere der Industrie bei Arznei-, Heil und Hilfsmitteln. Vorgesehen sind sektorale Budgets und Positivlisten. Die hausärztliche Versorgung soll gestärkt werden, insbesondere durch eine ausreichende Vergütung und ein eigenständiges Leistungsverzeichnis. Teure Medizintechnik soll gemeinsam von
niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern genutzt werden.
Erklärtes Ziel ist es auch, die Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der
Rentenversicherung anzuheben. Dies würde für rund sechs Millionen freiwillig Versicherte bedeuten, daß sie bis
zu 33 Prozent mehr an die Krankenkasse zu zahlen hätten (Höchstbeitrag West pro Monat 1 150 DM). Zugleich
müßten zwei Millionen PKV-Versicherte zurück in die Gesetzliche Krankenversicherung. Langfristig sollen die
Finanzierungsgrundlagen der GKV verbreitert und bisher nicht pflichtversicherte Personenkreise
(Beamte/Selbständige) einbezogen werden. Dr. Harald Clade
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