ArchivDeutsches Ärzteblatt42/2011Mangas: Von Hippokrates bis Dolly
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Der japanische Gynäkologe Tamotsu Ibaraki möchte die gesamte Geschichte der Medizin in Form eines Comics darstellen.

Ein Arzt, der sich für Medizingeschichte interessiert, ist nicht besonders ungewöhnlich. Ein Arzt, der nebenberuflich Comics zeichnet, schon eher. Aber ein Arzt, der sich der mehrfachen Herausforderung stellt, Medizingeschichte in Comicform zu gießen? Sicher, auch Osamu Tezuka, der „Gott der Mangas“, war Arzt gewesen, hatte sich allerdings recht bald völlig den japanischen Comics verschrieben (DÄ, Heft 26/2007). Und mit „Hidamari no ki“ („Baum im Sonnenschein“; 1981–1986 in „Big Comic“), angesiedelt in der Übergangszeit vom Tokugawa-Shogunat zur Meiji-Ära in der Mitte des 19. Jahrhunderts, legte er zwar als erster einen historischen Medizinmanga vor – nur handelte es sich dabei um Fiktion, selbst wenn eine der Hauptfiguren, der westlich ausgebildete Arzt Ryôan Tezuka, Osamus Urgroßvater, tatsächlich existiert hatte.

Tamotsu Ibaraki, 1962 in Osaka geboren und seit 2006 Leiter einer privaten Frauenklinik, möchte dagegen mit seiner „Manga Igaku no Rekishi“ („A Manga History of Medicine“; Tokyo 2008) etwas anderes: Die gesamte Geschichte der Medizin, wenngleich durch den „Filter“ seiner Wahrnehmung, in Form eines Manga darstellen. Als professioneller Manga-Autor und Illustrator, außerdem Berater bei Fernsehproduktionen (zum Beispiel bei der Verfilmung von Dr. Kotô, dazu DÄ, Heft 15/2009), besitzt Ibaraki das Handwerkszeug zur Popularisierung. Das Material liefert ihm die japanische und, soweit übersetzt, englische Sachliteratur, an erster Stelle Albert S. Lyons’ und R. Joseph Petrucellis „Medicine: An Illustrated History“ in der japanischen Ausgabe von 1980.

Ein Manga von Tamutso Ibakari beschäftigt sich mit Semmelweis auf der Spur des Kindbettfiebers.
Ein Manga von Tamutso Ibakari beschäftigt sich mit Semmelweis auf der Spur des Kindbettfiebers.

Eine medizinhistorische Auseinandersetzung mit dem Band verbietet sich hier; Ibaraki ist sich einiger der Probleme selbst bewusst, wie er im Nachwort am Beispiel der Entdeckung der Doppelhelixstruktur der DNA darlegt (S. 321f.). Die zeitliche und kulturelle Spanne vom alten Griechenland – Ibaraki erliegt erfreulicherweise nicht der Versuchung, alles, was unter dem Namen von Hippokrates firmiert, auch diesem zuzuschreiben – bis zu Dolly, dem Schaf, bewirkt fast zwangsläufig auch kleine Fehler.

Aber kann man diesen Band als Manga bezeichnen? Teilweise handelt es sich tatsächlich eher um einen illustrierten Text (beziehungsweise umgekehrt), wenn beispielsweise zu Beginn von Kapitel 27, dem ersten von vier Kapiteln zur Entwicklung der Vollnarkose, in einem kurzen Überblick verschiedene Betäubungsmittel vorgestellt werden. Dagegen bietet etwa die Entdeckung der Ursachen des Kindbettfiebers durch Ignaz Semmelweis in den Kapiteln 31 und 32 genügend eigene narrative Qualität, um sich als Manga umsetzen zu lassen.

Da Ibaraki sich vornehmlich an Entdeckungen und Biografien orientiert, erweist sich die Form des Mangas als Pluspunkt, und er erreicht sein Ziel, in ansprechender und allgemeinverständlicher Weise Interesse an der Medizingeschichte zu wecken.

Freddy Litten

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