ArchivDeutsches Ärzteblatt21/1998Weiterbildung/Allgemeinmedizin: Ein Silberstreif am Horizont

POLITIK: Leitartikel

Weiterbildung/Allgemeinmedizin: Ein Silberstreif am Horizont

Korzilius, Heike

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LNSLNS Der 101. Deutsche Ärztetag muß darüber abstimmen, ob die Voraussetzungen für die Einführung der neuen, fünfjährigen Weiterbildung jetzt stimmen. Haben auch Politik und Kassen ihre "Hausaufgaben" gemacht?
Ob der Hausarzt neuer Prägung, der in fünf Jahren weitergebildete Arzt für Allgemeinmedizin, in naher Zukunft seinen Dienst antreten kann, damit wird sich Ende Mai der 101. Deutsche Ärztetag in Köln befassen. Die Frage, wie dieses Ziel zu erreichen ist, wird seit Jahren heftig diskutiert. Nun liegt erstmals ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch, wie die dafür notwendigen zusätzlichen Weiterbildungsstellen finanziert werden können.
Zum Hintergrund: Politisch gewollt, da kosteneffektiver, ist die Trennung der medizinischen Versorgung in eine hausärztliche und eine fachärztliche. Diese Gliederung wurde zuletzt 1993 im Gesundheitsstrukturgesetz verankert. Es sollte jedoch der Selbstverwaltung überlassen bleiben, beispielsweise über eine Reform der Weiterbildungsordnung diesen gesetzlichen Anspruch zu verwirklichen. Der 99. Deutsche Ärztetag in Köln hat sich deshalb 1996 für das sogenannte Differenzierungsmodell ausgesprochen, wonach die Weiterbildung in Allgemeinmedizin auf die hausärztliche Tätigkeit abzielt und die der Inneren Medizin spezialistisch tätige Fachärzte hervorbringen soll. Dafür sollen getrennte Weiterbildungsgänge sorgen. Um die Allgemeinmedizin qualitativ aufzuwerten, wurde zudem beschlossen, die Weiterbildungszeit auf fünf Jahre zu verlängern. Folglich wurde dem 100. Deutschen Ärztetag 1997 in Eisenach eine entsprechende Novelle der (Muster)Weiterbildungsordnung zur Abstimmung vorgelegt. Die Delegierten nahmen den Antrag jedoch nur unter Vorbehalt an. Kritiker zweifelten vor allem an der Umsetzbarkeit. Der 100. Deutsche Ärztetag forderte deshalb Politik und Krankenkassen auf, genügend Weiterbildungsstellen bereitzustellen und deren Finanzierung zu sichern. "Die Ärzte haben ihre Hausaufgaben gemacht", kommentierte damals Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Vizepräsident der Bundesärztekammer und dort zuständig für Weiterbildungsfragen.
Initiative gestartet
Die Gesundheitministerkonferenz der Länder (GMK) hat zwischenzeitlich gemäß einer Entschließung vom Mai 1995 einen Arbeitsausschuß eingesetzt, der ein Konzept zur Förderung der Allgemeinmedizin erarbeiten sollte. Die GMK knüpft damit auch an den Eisenacher Beschluß an. Die Mitglieder des Ausschusses, in dem auch Vertreter der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen gehört wurden, haben nun ein "Initiativprogramm zur Sicherstellung der allgemeinmedizinischen Versorgung" vorgelegt. Entscheiden die Delegierten des 101. Deutschen Ärztetages auf dieser Grundlage, daß ihr Konditionalbeschluß aus dem letzten Jahr erfüllt ist und geeignete Rahmenbedingungen geschaffen wurden, könnten sie die Novelle der (Muster)Weiterbildungsordnung für das Gebiet Allgemeinmedizin beschließen.
Die wichtigsten Punkte des GMK-Papiers: Die Kassen haben sich bereit erklärt, über zwei Jahre die Anschubfinanzierung zu sichern. 4 500 Stellen im Krankenhaus sollen mit monatlich 2 000 DM gefördert werden. 3 000 Weiterbildungsstellen in den Praxen niedergelassener Allgemeinärzte sollen entsprechend dem Zuschuß der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, aber mit höchstens 2 000 DM gefördert werden (siehe auch DÄ 16/1998).
Der Weisheit letzter Schluß ist das "Initiativprogramm" sicherlich nicht. So befürchten Kritiker auf seiten der Ärzte, daß der geplante Zuschuß der Kassen zu einer Art "Ausbildungsvergütung" abmagern könnte. Damit wären die Ärzte in Weiterbildung die Leidtragenden. Außerdem bemängelt BÄK-Vizepräsident Hoppe, daß die Kassen offenbar keine zusätzlichen Stellen finanzieren wollen. Nach dem derzeitigen Plan sollten lediglich bestehende Stellen für die internistische Weiterbildung umgewidmet werden. Diese seien zur Zeit alle besetzt, eine Umwandlung mithin nur mittelfristig möglich. Auch die befristete Förderdauer von zwei Jahren hält Hoppe für zu kurz. Diese hätte auf fünf Jahre angehoben werden sollen, um eine Weiterbildungsgeneration vollständig fördern zu können. Außerdem sei der geplante Start des Programms Anfang 1999 sehr knapp bemessen, da notwendige Änderungen in den Heilberufsgesetzen der Länder und in den Weiterbildungs- und Kammerordnungen vorgenommen werden müßten.
Das Initiativprogramm sieht zudem vor, daß die Weiterbildungszeiten, die auf derart geförderten Stellen absolviert wurden, nicht auf andere Weiterbildungsgänge anrechenbar sind. Ein Fachwechsel würde sich damit nachteilig auf betroffene Ärzte auswirken. Ob eine solche Regelung rechtlich möglich ist, wird nach Auskunft von Hoppe derzeit überprüft. Er räumt jedoch ein, daß bei einem Fachwechsel die Frage geklärt werden muß, ob die geleisteten Fördermittel zurückgezahlt werden müssen.
Obwohl bei Teilen der Ärzteschaft Skepsis herrscht, hofft Hoppe, daß der Ärztetag seinen Konditionalbeschluß aus dem Vorjahr als erfüllt ansieht. Sollte die Initiative scheitern, "sind wir als Selbstverwaltung weitgehend draußen", schätzt Hoppe. Politik und Krankenkassen könnten sich genötigt sehen, die Hausarzt-FacharztTrennung über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu regeln. Ob das zu besseren Ergebnissen führt, ist fraglich. Das Initiativprogramm, das innerhalb nur eines Jahres erarbeitet wurde, birgt zumindest die Möglichkeit, das seit Jahren schwelende Problem zu lösen.
Bericht zur Lage
Eine Grundsatzdiskussion steht dem 101. Deutschen Ärztetag zum Komplex "Weiterentwicklung der (Muster)Weiterbildungsordnung" ins Haus. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat beschlossen, dem Ärztetag keine abstimmungsreifen Anträge vorzulegen. Zu dünn sind die Erfahrungen, die mit der Umsetzung der (Muster)Weiterbildungsordnung von 1992 gemacht wurden. Zudem ist die Umsetzung der Weiterbildungsordnung in den Landesärztekammern unterschiedlich weit fortgeschritten. Auf der Tagesordnung steht deshalb ein Bericht über die gegenwärtige Situation, der unter den Delegierten eine grundsätzliche Diskussion darüber anregen soll, wie eine künftige Weiterbildungsordnung aussehen kann. Dabei gilt es, auch europarechtliche Regelungen in die Überlegungen miteinzubeziehen. Heike Korzilius

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