ArchivDeutsches Ärzteblatt50/2011Geburtshilfe: Nabelschnur sollte nicht zu rasch durchtrennt werden

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Geburtshilfe: Nabelschnur sollte nicht zu rasch durchtrennt werden

Siegmund-Schultze, Nicola

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Wird die Nabelschnur zwischen Mutter und Kind zu schnell nach der Geburt durchtrennt, ist das Anämierisiko erhöht. Als mögliche Ursache gilt ein suboptimaler Transfer von hämatopoetischen Stammzellen. Ein Team aus Gynäkologen und Geburtshelfern der Universität Uppsala hat in einer prospektiven, kontrollierten, randomisierten Studie verglichen, welchen Effekt frühes versus verzögertes Durchtrennen der Nabelschnur auf die Eisenversorgung des Kindes im 4. Lebensmonat und die Prävalenz der Anämie hat (primärer Endpunkt). Sekundärer Endpunkt waren Häufigkeit von Anämie, Polyzythämie, Hyperbilirubinämie mit Phototherapie und Atemwegssymptome.

Nach unkomplizierter Schwangerschaft (Gestationszeit 37 bis 41 Wochen) wurden 400 Kinder 1 : 1 in einen der beiden Studienarme randomisiert: entweder Durchtrennen der Nabelschnur innerhalb von 10 Sekunden oder nach mindestens 180 Sekunden nach Entbindung. In beiden Gruppen wurde das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt für etwa eine halbe Minute 20 Zentimeter weit unterhalb der Vulva gehalten und danach der Mutter auf den Bauch gelegt.

Vier Monate nach der Entbindung gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied in den Hämoglobinkonzentrationen zwischen beiden Gruppen. Aber Kinder mit später Nabelschnurdurchtrennung hatten eine um durchschnittlich 45 % höhere Ferritinkonzentration (117 µg vs. 81 µg/Liter Blut; p < 0,001) und seltener Eisenmangel (0,6 vs. 5,7 %; p = 0,01). Die Number needed to treat (NNT) betrug 20. Beim sekundären Endpunkt gab es einen statistisch signifikanten Unterschied nur bei der Neugeborenenanämie (2 Tage nach Geburt): 1,2 versus 6,3 % zugunsten der verzögerten Abnabelung; NNT: 20). Neugeborenenikterus trat beim späteren Abklemmen der Nabelschnur nicht häufiger auf.

Fazit: Mindestens 3 Minuten mit dem Durchtrennen der Nabelschnur zu warten, wirkt sich günstig auf die Eisen- und die Ferritinkonzentrationen im Blut des Kindes aus.

„In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wird eine Wartezeit bis zu eineinhalb Minuten nach vaginaler Entbindung empfohlen“, kommentiert Dr. med. Markus Valter, Leitender Oberarzt der Geburtshilfe an der Universitätsfrauenklinik in Köln. Häufig pulsiere die Nabelschnur dann zu diesem Zeitpunkt kaum noch.

„Es gibt Daten, dass deutlich längeres Warten, vor allem kombiniert mit einem Ausstreichen der Nabelschnur, mit einem erhöhten Risiko für Neugeborenenikterus assoziiert sein kann“, erläutert Valter. „Die Ergebnisse der Studie weisen aber darauf hin, dass eine Minute nicht unterschritten werden sollte.“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

Andersson O, Hellström-Westas L, Andersson D, Domellöf M: Effect of delayed versus early umbilical cord clamping on neonatal outcomes and iron status at 4 months: a randomized controlled trial. BMJ 2011; 343: doi: 10.1136/bmj.d7157

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