POLITIK
Psychotherapeuten in Ausbildung: Der Reformdruck wächst


Bundesweit demonstrierten angehende Psychotherapeuten gegen die fehlende oder nur geringfügige Vergütung während ihres Praxisjahres an psychiatrischen Kliniken. Dies zu ändern, bedarf es einer umfassenden Reform der Ausbildung.
Obwohl die Bundespsychotherapeutenkammer Ende vergangenen Jahres ein Konzept zur Reform der Psychotherapeutenausbildung vorgelegt hat, ist das Bundesgesundheitsministerium bisher nicht aktiv geworden, um die Reform voranzubringen. Dies drängt jedoch mehr denn je, denn immer mehr Bundesländer lassen Bachelorabsolventen zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) zu, weil bundesweit gültige Mindestanforderungen bei den Zugangsqualifikationen fehlen. Langfristig senkt dies das Qualifikationsniveau in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
Ein Ausbildungsreformgesetz ist auch notwendig, um die finanzielle Misere der Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) während des Praxisjahres an vielen psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken zu beenden. 36 Prozent der PiA erhalten dabei gar keine Vergütung. Der jüngste Deutsche Psychotherapeutentag in Offenbach forderte, vergütungsfähige Leistungen als obligatorischen Bestandteil der Ausbildung in den Kliniken verbindlich einzuführen, um diesen Missstand zu beenden. Anfang Dezember demonstrierten die angehenden Psychotherapeuten in Berlin, Frankfurt/Main, Hannover und Köln, um nach vielen Jahren der Genügsamkeit auf ihre schwierige Situation aufmerksam zu machen.
„Wir haben ein Hochschulstudium abgeschlossen und erhalten während der praktischen Tätigkeit sehr wenig oder gar keine Entlohnung. Dabei leisten wir vollwertige und qualifizierte Arbeit“, kritisierte bei der Demonstration in Berlin der Sprecher der Bundeskonferenz PiA, Dipl.-Psych. Robin Siegel. Bundesweit befinden sich etwa 13 000 Hochschulabsolventen in der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten oder KJP an privaten Ausbildungsinstituten.
Verantwortungsvolle Arbeit
Gerade auch angesichts des zunehmenden Bedarfs psychotherapeutischer Versorgung „ist es völlig unverständlich, dass vonseiten der Politik keine verbindlichen und angemessenen Regelungen geschaffen werden“, erklärte die stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung, Barbara Lubisch, die die Proteste der PiA unterstützt. Ohne angemessene Vergütung könnten sich die PiA ihrer verantwortungsvollen Arbeit nicht vollständig widmen, sondern müssten mit anderer Erwerbstätigkeit ihren Unterhalt sichern, kritisierte Gerd Dielmann von der Gewerkschaft Verdi: „Das ist unhaltbar.“
Gesetzliche Grauzone
Der Gesetzgeber hat mit dem Psychotherapeutengesetz 1999 die Berufsbezeichnung gesetzlich geschützt und die Einbeziehung der Psychotherapie in das GKV-System geregelt. Hinsichtlich der Ausbildung wurde aber vieles nicht eindeutig festgelegt, sondern in einer gesetzlichen Grauzone belassen (siehe auch PP, Heft 10/2011). „Das wird von Kliniken und Ausbildungsinstituten ausgenützt“, sagte Lubisch.
Robin Siegel erläuterte, dass die jungen Psychotherapeuten zu hochspezialisierten Aufgaben wie Befunderhebung, Indikationsstellung, Therapieplanung sowie eigenständigen Einzel- und Gruppentherapien herangezogen würden. Seiner Ansicht nach ist die Tätigkeit von PiA mit der von Assistenzärzten in der Weiterbildung vergleichbar. „Eine Vergütung wie im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in Entgeltgruppe 13 TVöD festgelegt, sollte selbstverständlich sein“, forderte Siegel. Die PiA fordern deshalb deutliche Veränderungen und eindeutige rechtliche Regelungen für Status und Vergütung.
Der Bundesgesundheitsminister hat beim jüngsten Psychotherapeutentag immerhin versprochen, die Novellierung der Ausbildung noch in dieser Legislaturperiode durchführen zu wollen.
Petra Bühring
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