POLITIK
Tarifkonflikt kommunale Krankenhäuser: Einigung ohne einen Sieger


Die angekündigten Ärztestreiks sind ausgesetzt.
Die Frage, wer in diesem Tarifkonflikt obsiegt hat, ist kaum zu beantworten: Der Marburger Bund (MB) punktet mit Gehaltszuwächsen, einer Einmalzahlung und Verbesserungen in der Struktur der Entgelttabelle. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) kann sich auf die Fahne schreiben, dass es keine Voranmeldefristen und keine Begrenzungen bei den ärztlichen Bereitschaftsdiensten geben wird. „Das Ergebnis ist ein schwieriger, teilweise auch schmerzhafter Kompromiss. Insbesondere, dass wir die Belastungen durch die Dienste nicht mindern konnten, tut weh“, kommentierte der MB-Vorsitzende Rudolf Henke die Tarifeinigung. „Für uns war wichtig, dass wir den angekündigten Streik verhindern konnten – aber nicht um jeden Preis“, betonte VKA-Verhandlungsführer Finklenburg.
Das Eckpunktepapier, auf das sich die Verhandlungskommissionen von MB und VKA am 18. Januar in einem kurzfristig anberaumten Sondierungsgespräch geeinigt hatten und dem die Tarifgremien beider Seiten inzwischen zugestimmt haben, sieht eine lineare Erhöhung der Ärztegehälter um 2,9 Prozent ab Januar 2012 vor. Für die Monate September bis Dezember 2011 einigte man sich auf eine Einmalzahlung in Höhe von 440 Euro. Auch die Bereitschaftsdienstentgelte steigen um 2,9 Prozent.
In der Entgelttabelle wird darüber hinaus „ein Geburtsfehler“ (Henke) des VKA-Tarifvertrags beseitigt: Sowohl für Chefarzt(CA)-Vertreter als auch für Oberärzte gibt es künftig eine zusätzliche Entwicklungsstufe im Tarif, das heißt für CA-Vertreter eine zweite und für Oberärzte eine dritte. Damit entspricht die Struktur der Entgelttabelle derjenigen für die Universitätskliniken. Auch für Ärzte, die (noch) ohne Facharzttitel sind, einigten sich die Parteien auf eine zusätzliche Entwicklungsstufe: „Die Einführung dieser sechsten Stufe in der ersten Gruppe kommt vor allem Teilzeitbeschäftigten zugute, weil bei ihnen die Weiterbildung zum Facharzt naturgemäß länger dauert“, erläuterte Henke.
Einer tariflichen Begrenzung der Arbeitsbelastung durch Nacht- und Wochenenddienste verweigerten sich die kommunalen Klinikarbeitgeber. Man wolle im Tarifvertrag keine Eingriffe in die Betriebsabläufe und Dienstplanerstellung der Krankenhäuser vorgeben. Allerdings erhalten die Ärzte künftig ab der 97. Bereitschaftsdienststunde im Monat einen Zuschlag von fünf Prozent je Stunde. „Unmittelbaren Nutzen bringt diese Regelung zwar nur jenen, die mit einer wirklich sehr hohen Stundenzahl belastet sind“, räumt Henke ein, „mit der Einführung dieses neuen Zuschlagssystems haben wir jedoch erstmals einen Fuß in die Tür bekommen.“ In kommenden Verhandlungsrunden gehe es jetzt darum, diese Tür weiter aufzustemmen, damit sich die Anordnung zu vieler Dienste im Monat für den Arbeitgeber nicht mehr rechne: „Es ist eine Systemveränderung en miniature, aber es ist eine.“
Der neue Tarifvertrag für die knapp 50 000 Ärztinnen und Ärzte in den circa 600 kommunalen Krankenhäusern gilt bis Ende des Jahres.
Unterdessen fordern die VKA und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bereits, dass die Krankenkassen die aus den Tarifsteigerungen resultierenden Kostensteigerungen für die Krankenhäuser finanzieren: „Die Einigung belastet die Krankenhäuser um das Doppelte der ihnen gesetzlich auf 1,48 Prozent gekürzten Preiszuwachsrate für das Jahr 2012“, argumentierte DKG-Präsident Alfred Dänzer. Hier müsse die Politik dringend gegensteuern. Ansonsten würden Tausende Arbeitsplätze in den Krankenhäusern, vor allem in der Pflege, unter Druck geraten.
Gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt stellte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, eine zumindest teilweise Finanzierung der Tarifsteigerungen in Aussicht: „Wir haben immer gesagt, wir schauen uns die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser im Lichte der Tarifergebnisse noch mal an und klären, ob ein Teil der Erhöhungen ausgeglichen werden kann. Das werden wir jetzt zeitnah auch tun.“
Jens Flintrop
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