MEDIEN
Arztfilme: Das Ende des „Goldenen Zeitalters“


Vom „Halbgott in Weiß“ zum desillusionierten Chefarzt – in den 60er und 70er Jahren verändert sich der Blick auf das US-amerikanische Gesundheitswesen.
Vor 50 Jahren war das US-amerikanische Gesundheitssystem noch in Ordnung – jedenfalls in David Swifts Spielfilm „The Interns“ (1962). Basierend auf einem Roman von Robert Frede zeigt der Film fünf junge Ärzte im Jahr ihrer Internships im städtischen „New North Hospital“, während sie versuchen, die Weichen zu einer Residency, also einer Facharztausbildung, zu stellen. Allerdings sind nicht alle Ärzte „Halbgötter in Weiß“, wie zu jener Zeit in amerikanischen Fernsehserien à la „Dr. Kildare“ (1961 bis 1966) üblich. Einem von ihnen (Michael Callan) sind Status und Einkommen wichtiger als die Medizin: Er verfällt Aufputschmitteln und erleidet schließlich einen Nervenzusammenbruch.
Dennoch sind die zentralen Botschaften des Films beruhigend. Moralisch schwächelnde oder ungeeignete Jungmediziner werden ausgesiebt. Der etwas ältere Intern Dr. Otis (Cliff Robertson) hatte versucht, Medikamente für eine (damals illegale) Abtreibung aus dem Krankenhaus zu schmuggeln, und war von seinem besten Freund Dr. Worship (James MacArthur) entdeckt und gemeldet worden. Seine Schlussworte diesem gegenüber: „Du und deine verdammten medizinethischen Grundsätze. […] Weißt du, ich respektiere diesen Verhaltenskodex. Wann immer du Quacksalber, Blutsauger oder Mistkerle wie mich in der Medizin findest, sorg dafür, dass sie rausfliegen, hörst du.“
Besonders realistisch spiegelte „The Interns“ die Realitäten einer Internship wohl nicht wider, wie Peter Dans meint. In seinem Buch „Doctors in the Movies“ (Bloomington/Ill, 2000) siedelt er „The Interns“ in der „Dämmerung des Goldenen Zeitalters des Medizinfilms“ an, und tatsächlich weist die Systembejahung auf ältere Werke wie die einflussreiche „Dr. Kildare“-Filmreihe der 1930er und 1940er Jahre zurück, während die Darstellung individueller ärztlicher Schwächen in die Zukunft weist.
Acht Jahre später schien Robert Altmans Film „MASH“ über ein mobiles Feldlazarett im Koreakrieg das endgültige Ende dieses „Goldenen Zeitalters“ zu verkörpern. Genau genommen handelte es sich dabei aber in vielen Punkten um eine überhöhte Version von „The Interns“. Das persönliche Verhalten der Ärzte wird extremer dargestellt, ihre fachliche Kompetenz ist jedoch unumstritten. Die Kritik des Films betrifft das Militär, die Religion und, geringfügig getarnt, die Politik zur Zeit des Vietnamkriegs – nicht das medizinische System, denn zum einen funktioniert es vor Ort erstaunlich gut, zum anderen legen der Film und der zugrundeliegende Roman von Richard Hooker nahe, dass „daheim“ ein System herrschte, das eben hauptsächlich kompetente Ärzte produzierte.
Der Bruch mit der Vergangenheit findet im amerikanischen Medizinfilm erst ein Jahr später in „The Hospital“ (1971) von Arthur Hiller statt, für dessen Drehbuch Paddy Chayefsky den Oscar erhielt. Darin spielt George C. Scott Dr. Bock, den desillusionierten Chefarzt eines New Yorker Krankenhauses, der sich mit einer mysteriösen Serie von Todesfällen unter Ärzten und Krankenhauspersonal auseinandersetzen muss. Einen privat oder medizinisch „vorbildlichen“ Arzt gibt es im Manhattan Medical Center nicht mehr. Düster-satirisch markierte „The Hospital“ eine radikale Gegenposition zur bisherigen Darstellung des Gesundheitswesens in amerikanischen Massenmedien, die letztlich aber nicht viel unrealistischer erscheint als die in „The Interns“.
Freddy Litten
„MASH“ ist auf Deutsch auf DVD erhältlich, „The Interns“ und „The Hospital“ auf Englisch.
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