BRIEFE
Epidemien: Informationswege
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. . . Nicht die gut funktionierende Übermittlung normaler Infektionserkrankungen via Landesbehörde an das Robert-Koch-Institut führt zu nennenswerten Verzögerungen bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten. Dieser Meldeweg dient der epidemiologischen Erfassung „normaler“ Infektionskrankheiten, anhand derer man zum Beispiel bevölkerungspolitische Maßnahmen beurteilt oder initiiert. Für Infektionskrankheiten wie EHEC gibt es den § 12 Infektionsschutzgesetz (IfSG), der einen anderen Informationsweg vorsieht.
Nahezu alle Meldungen meldepflichtiger Erkrankungen erreichen die Gesundheitsämter in der heutigen Zeit außerhalb des Postwegs, nämlich telefonisch, per Telefax oder E-Mail. Oft wird aber von den meldenden Ärzten oder Kliniken gar nicht oder mit einer beträchtlichen zeitlichen Verzögerung gemeldet, zum Beispiel Verdachtsmeldungen erst beim Vorliegen bestätigender Laborbefunde. Auch bei zeitnaher Meldung sind die Angaben oft lückenhaft, so dass sie ohne zusätzliche Ermittlungen der Gesundheitsämter vor Ort überhaupt nicht weiter übermittelt werden können. Nach § 6 IfSG (Meldepflichtige Krankheiten) wird dabei insgesamt nur ein Bruchteil der Erkrankungen gemeldet, den weitaus größten Anteil machen Meldungen nach § 7 IfSG (Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern) aus. Hinzu kommt, dass auch Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst das Telefon benutzen (natürlich auch im Falle von EHEC), somit ist es keineswegs richtig, dass Gesundheitsämter für ihre Übermittlung den Postweg nutzen würden. Hier zahlen sich die guten Verbindungen der Gesundheitsämter zu dem RKI enorm aus – in beide Richtungen. Auch durch ständiges Wiederholen, dass Gesundheitsämter viel zu langsam übermitteln würden, wird diese Phrase nicht richtiger.
Das größte Meldehemmnis für uns Ärzte und Ärztinnen in den Gesundheitsämtern ist die Meldemoral der niedergelassenen oder in Krankenhäusern tätigen Kolleginnen und Kollegen. Wenn wir von diesen nicht erfahren, dass es zum Beispiel Cluster einer Erkrankung in einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang gegeben hat, dann verzögert dies unser Einschreiten enorm. Die Gründe hierfür können sehr gerne zentral gesucht werden.
Die Einschränkung der Meldepflicht bestimmter Erreger, die über Lebensmittel übertragen werden können, auf bestimmte berufliche Tätigkeiten führt dazu, dass mögliche Hinweise von Erkrankungen der übrigen Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung stehen und somit auch Hinweise auf mögliche Ausbruchsursachen verloren gehen.
Dessen ungeachtet wird mit den akut erhobenen Daten hochkarätige Forschung betrieben, sowohl im RKI als auch in den Gesundheitsämtern. Bei EHEC konnte so mit- geklärt werden, dass der Keim in Sprossen saß . . .
Prof. Dr. Dr. René Gottschalk, Leitender Medizinaldirektor, Amt für Gesundheit, 60313 Frankfurt am Main
Dr. med. Harald Michels, Leitender Medizinaldirektor, Gesundheitsamt, Kreisverwaltung Trier-Saarburg, 54290 Trier