ArchivDeutsches Ärzteblatt17/2012Präimplantationsdiagnostik in Deutschland: Zwangspause trotz Erlaubnis

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Präimplantationsdiagnostik in Deutschland: Zwangspause trotz Erlaubnis

Richter-Kuhlmann, Eva

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Das PID-Gesetz ist in Kraft – dennoch darf keine Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden. Betroffene Paare müssen auf die Rechtsverordnung warten.

Die Geburt von Mia*, des ersten PID-Babys, ist für die Eltern ein Glücksfall – auch zeitlich. Denn von der Möglichkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID) erfuhren sie nach der Erlaubnis der PID durch den Bundesgerichtshof und ließen sie noch vor Inkrafttreten des PID-Gesetzes in Deutschland durchführen. Seitdem ist die PID nämlich wieder trotz des positiven Votums des Parlaments verboten. Der Grund: eine bis heute fehlende Rechtsverordnung.

Dabei befürwortet Umfragen zufolge die Mehrheit der Bevölkerung die Zulassung der PID durch den Deutschen Bundestag. Auch die Ärztinnen und Ärzte bestätigten auf dem Deutschen Ärztetag in Kiel mit großer Mehrheit ein Memorandum, das sich für die PID-Zulassung in engen Grenzen einsetzt. Die Bundesärztekammer bedauert deshalb die Tatsche, dass ein Dreivierteljahr nach der Verabschiedung des PID-Gesetzes durch das Parlament noch immer keine Rechtsverordnung nach § 3 a Absatz 3 des neuen Embryonenschutzgesetzes vorliegt, in welches das PID-Gesetz rechtlich eingeordnet wurde.

Vor „Frühstart“ gewarnt

Bereits im Herbst 2011 wies der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, die Gesundheitsminister und -senatoren der Länder darauf hin, dass die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen harmonisiert in Kraft treten sollten, und warnte vor den Auswirkungen eines vorzeitigen Inkrafttretens des PID-Gesetzes.

Doch genau diese Situation ist eingetreten: Das PID-Gesetz ist seit dem 8. Dezember 2011 in Kraft; die Rechtsverordnung lässt jedoch auf sich warten. Damit können betroffene Paare noch nicht – beziehungsweise nicht mehr, bezogen auf die Entscheidung des Bundes gerichtshofs – Embryonen nach einer künstlichen Befruchtung in Deutschland auf Gendefekte testen lassen. An der Rechtsverordnung arbeite man derzeit auf Hochtouren, der Abstimmungsprozess mit den anderen Ministerien laufe, heißt es im Bundesgesundheitsministerium. Eine Übergangsregelung, der zufolge es betroffenen Paaren bis zum Inkrafttreten der Verordnung möglich wäre, in Deutschland eine rechtmäßige PID durchführen zu lassen, gibt es nicht.

„Das Präimplantationsdiagnostikgesetz enthält ein grundsätzliches Verbot der PID“, stellt auch Ulrike Flach, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt noch einmal klar. Die Durchführung der PID sei nur dann ausnahmsweise rechtmäßig, wenn bestimmte und nach dem Willen des Gesetzgebers näher festzulegende Voraussetzungen erfüllt sind. Diese müssten jedoch noch festgelegt werden.

Offen ist somit derzeit auch die Zahl der Zentren, an denen in Deutschland die PID durchgeführt werden soll, sowie die Qualifikationsanforderungen an die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte. Flach verweist wiederum auf das Präimplantationsdiagnostikgesetz. Es sehe vor, dass die Bundesregierung in der Rechtsverordnung das Nähere zu den Zentren bestimme. „Maßgeblich dürfte insbesondere sein, dass die PID in solchen Zentren durchgeführt werden, die im Interesse der betroffenen Paare hierfür optimal geeignet sind, also einen hohen medizinischen Standard gewährleisten können“, erklärt Flach.

Montgomery bedauert indes, dass es bislang unklar ist, was unter einem „für die PID zugelassenen Zentrum“ überhaupt strukturell und organisatorisch zu verstehen ist. Problematisch sei weiterhin, dass dem Gesetz zufolge in der ausstehenden Rechtsverordnung die Anforderungen an die Qualifikation der dort tätigen Ärztinnen und Ärzte separat geregelt werden. Hier müsse auf die berufsrechtlichen Regelungen geachtet werden.

Noch viele Fragen offen

Ungeregelt ist ferner die genaue Ausgestaltung der Ethikkommissionen, die über die Durchführung einer PID entscheiden und die Einhaltung der Voraussetzungen an den zugelassenen Zentren überprüfen sollen. Das Präimplantationsdiagnostikgesetz sieht lediglich interdisziplinär zusammengesetzte Kommissionen vor. Wie genau diese aber ausgestaltet werden und wo sie angesiedelt sein sollen, bleibt ebenfalls der Rechtsverordnung vorbehalten.

Aus Sicht der Ärzteschaft ist in dieser Frage unstrittig, dass die bestehenden Ethikkommissionen die Aufgaben nach dem PID-Gesetz nicht übernehmen können. Zudem sollten sie unabhängig arbeiten. In ihrem Memorandum zur PID empfiehlt daher die Ärzteschaft, die PID-Kommissionen analog zu den Lebendspende-Kommissionen einzurichten. Diese könnten jeweils an einer Landesärztekammer angesiedelt sein und sich regelmäßig auf Bundesebene austauschen, um beispielsweise einen Kommissionstourismus im Falle eines negativen Bescheids zu verhindern, erklärt Montgomery. Die Bundesärztekammer stünde für eine solche koordinierende Aufgabe zur Verfügung.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

*Name geändert

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