MEDIZIN: Die Übersicht
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie


Die "tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie" hat wegen der außerordentlich flexiblen Einsatzmöglichkeiten ein breites Indikationsspektrum und wird in der ambulanten wie auch stationären Versorgung sehr häufig genutzt. Auch die im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung oftmals notwendige und nicht selten langwierige Motivierung des Patienten zur adäquaten Berücksichtigung psychosozialer Aspekte seines Krankseins gelingt bei sachgerechter Anwendung der Prinzipien dieses Verfahrens besser. Die Versorgungsrelevanz ist dementsprechend hoch. Dargestellt werden die Grundlagen tiefenpsychologischer Vorgehensweise, die Modifikationen dieses speziellen Verfahrens gegenüber anderen Techniken, Indikationen und Begrenzungen wie auch die Besonderheiten der Interventionstechnik.
Key words: Psychotherapy, psychoanalysis,
basic psychosomatic care, psychotherapeutic health care, indications for psychotherapy
Psychoanalytic psychotherapy is of great importance in medical care of inpatients and outpatients. The
exceptional flexibility of this method addresses to a broad spectrum of indications. Within basic psychosomatic
care, these techniques - if correctly applied - help to motivate the patients. We describe the technical principles,
the modification of psychoanalytic psychotherapy in relation to other modes of treatment, the spectrum of
indications, and the limitations as well as special characteristics of intervention.
Unter tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie (oder dynamischer Psychotherapie) sind dialogische
Behandlungsverfahren zu verstehen, die auf dem Boden der psychoanalytischen Krankheitslehre in Abweichung
von psychoanalytischen Standardverfahren (langfristige Hochdosisbehandlung mit Instruktionen des Patienten,
zum Beispiel in bezug auf Traumarbeit und freie Assoziation) um eine besondere Anpassung der
Behandlungstechnik an die jeweils individuellen Bedürfnisse des Patienten bemüht sind. Gemeinsamkeiten mit
anderen psychoanalytischen Behandlungsverfahren ergeben sich aus der Berücksichtigung:
¿ unbewußter psychodynamischer Prozesse,
À der aktuellen Wirksamkeit intrapsychischer und interpersoneller Schutzhaltungen des Patienten (sogenannte
"Widerstände"),
Á der Bedeutung der Arzt-Patient-Beziehung mit ihren realen wie auch "Übertragungs"-Anteilen für den
Heilungsprozeß und
 der langfristigen Wirksamkeit frühkindlicher Erfahrungen.
Modifikationen gegenüber der psychoanalytischen Standardbehandlung ergeben sich:
¿ in den äußeren formalen Vorgehensweisen (Setting, Terminvereinbarungen),
À in der Steuerung von Übertragungs- und Regressionsprozessen (Vermeidung von "Übertragungsneurosen",
das heißt Vermeidung therapieverlängernder starker Abhängigkeiten vom Therapeuten),
Á in der Häufigkeit der therapeutischen Interventionen und
 in der Zentrierung auf die aktuell im Vordergrund stehende Symptomatik und ihren Konflikthintergrund.
Wegen der enormen Variationsbreite im technischen Vorgehen, von der ausgesprochenen Kurz- (3, 6, 9, 31, 34,
37, 38, 40, 43) oder Fokaltherapie (2, 30) bis zur Langzeittherapie (10, 28), ist die tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie (10, 13) als ein Oberbegriff anzusehen, der im Prinzip gleichartige, in der jeweiligen Gestaltung
aber unterschiedliche Vorgehensweisen umfaßt und Überschneidungen mit anderen Begriffen aufweist. Nach
Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wurden im Rahmen der Richtlinien-Psychotherapie im
Jahresintervall 1995/96 insgeamt 138 576 tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien durchgeführt, davon 98
981 Kurzzeittherapien und 39 595 Langzeittherapien. Dieses Therapieprinzip kommt damit wesentlich häufiger
zur Anwendung als psychoanalytische Standardtherapien (30 096).
Indikation und
Kontraindikation
Die große Anzahl ambulant durchgeführter, tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapien weist auf die breiten
Einsatzmöglichkeiten dieser Verfahren hin. Zudem sind diese Verfahren im stationären Bereich oft das Mittel
der Wahl. Gerade auch die häufig notwendige Motivationsarbeit im Rahmen der psychosomatischen
Grundversorgung gewinnt mit der Fähigkeit des Arztes, die Prinzipien dieses Vorgehens gekonnt anzuwenden.
Die Verfahren sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wie auch bei Patienten "jenseits der Lebensmitte"
gut einsetzbar. Die Relevanz für die ärztliche Versorgung ist dementsprechend hoch. Mit diesen Verfahren
können sowohl Patienten mit beispielsweise ausgestanzter Angstsymptomatik wie auch verschiedensten
funktionellen Beschwerden oder einer breit angelegten Persönlichkeitsstörung erreicht werden. Auch der Einsatz
bei körperlichen Erkrankungen, wie zum Beispiel bestimmten Formen des Asthma bronchiale oder chronisch
entzündlichen Darmerkrankungen, kann zur Verbesserung der Krankheitsbewältigung und Verhinderung
weiterer Chronifizierung beitragen.
Zum Einsatz kommt die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bei Patienten, die nicht zu sehr
symptomzentriert sind und Bereitschaft erkennen lassen, sich dem symptomtragenden Konflikthintergrund
zuzuwenden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, sollte meines Erachtens die Kombination mit einer
medikamentösen (zum Beispiel Anxiolytika, Antidepressiva) Behandlung oder der Einsatz anderer
Therapieformen, beispielsweise verhaltenstherapeutischer Art, erwogen werden.
Erscheint ein tiefenpsychologischer Behandlungsansatz grundsätzlich angezeigt, dann ist bei der Wahl des
Therapieverfahrens zunächst die soziale Situation (Schichtdienst, Wechseldienst) zu berücksichtigen, die den
Einsatz einer Gruppentherapie ebenso ausschließen kann wie den einer höherfrequenten Therapieform. Sodann
ist bei der Behandlungsplanung davon auszugehen, daß über die Art, Dauer und Prognose der Therapie nicht
allein die Symptomatik (zum Beipiel Ausmaß der Behinderung oder Chronizität) entscheidet, sondern daneben
auch die aktuellen
Lebensumstände (Arbeitslosigkeit, Schulden, andere schwer auflösbare Abhängigkeiten) und vor allem
Persönlichkeitseigenschaften von Patient (und Therapeut!). Die Diagnostik hat deshalb diese drei Bereiche
angemessen zu berücksichtigen.
Beispiel: Die 19jährige Gymnasiastin kommt in die Sprechstunde, weil sie vor zehn Tagen beim Anschauen
eines bestimmten Filmes einen Angstanfall bekam und seither von Zwangsbefürchtungen geplagt wird, sie
könne jemandem etwas antun. Sonst keine wesentliche Begleitsymptomatik. Sie steht noch ganz unter dem
Eindruck der Symptomatik und fürchtet, daß diese ihr schulisches Fortkommen beeinträchtigen könnte. Ihr daher
motiviertes Drängen auf schnelle Wiederherstellung ihrer "Funktionstüchtigkeit" ist unterlegt von Hinweisen
darauf, daß die akut aufgebrochene Symptomatik doch einen bereits etwas längeren Vorlauf hatte und ohne
Berücksichtigung dieses Kontextes kaum erfolgreich behandelt werden kann. Im Kontakt zeigt sich die Patientin
vorsichtig, aber auch interessiert und kooperativ. (ICD-10-Diagnose: F 41.0, F 42.0)
Die Form einer ausgesprochenen Kurztherapie kann nur bei Patienten mit guter Prognose gewählt werden. Dies
setzt - wie im oben geschilderten Fall - voraus, daß sich eine aktuelle Konfliktsituation (Symptomauslösende/Versuchungs-/Versagungssituation) herausarbeiten läßt sowie eine kurze Symptomdauer bei guter Ich-Stärke
und aktiver Orientierung besteht. Ein umschriebenes Hauptsymptom in Form von Ängsten (mit/ohne
Körpersymptomatik, ICD-10: zum Beispiel F 41.0), Phobien mit Zwangsgedanken (ICD- 10: F 40.2),
Trauerreaktionen, milden Depressionen (ICD-10: F 32,0) und interpersonellen Problemen bietet eine günstige
Voraussetzung zur Kurztherapie. In der Vorgeschichte sollten sich bedeutungsvolle Objektbeziehungen finden
lassen. Damit sind Menschen gemeint, für die der Patient bereit gewesen ist, Opfer zu bringen. Gute Intelligenz,
psychologische Verständnisfähigkeit, konstruktive Problemlösefähigkeit und vor allem die Fähigkeit, Prioritäten
setzen zu können, sind für eine ausgesprochene Kurztherapie (bis zu 25 Sitzungen) unabdingbar. Freier
Affektzugang und affektive Ausdrucksfähigkeit sind ebenso wie die Motivation für eine
Persönlichkeitsveränderung (und nicht allein Symptomheilung) weitere Voraussetzungen (2, 3, 6, 9, 31, 34, 35,
38, 40).
Auf länger währende, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien muß man sich bei allen Patienten
einstellen, die diese strengen Auswahlkriterien für eine Kurztherapie nicht erfüllen und/oder die folgende
Anzeichen erkennen lassen.
Dies sind Patienten mit starkem Rededrang (als Angstabwehr) oder mit der Neigung zum Monologisieren. Es
sind weiter Patienten, bei denen Unselbständigkeit, Infantilität, Bequemlichkeit und Suchttendenzen auf stark
ausgeprägte passiv-regressive Versorgungswünsche hinweisen. Auch Personen mit stark eingeschränkten
kommunikativen Fähigkeiten (hartnäckige Schweiger, kommunikationszerstörende Schizoide), mit geringer
Angsttoleranz und Realitätsverankerung wie auch ausgeprägter Tendenz zu destruktivem Agieren und
sadomasochistischen Arrangements gehören hierzu (10, 13, 28, 32, 37, 38) (ICD-10: zum Beispiel F 60.1, 60.7,
60.31).
Mitunter ist der passagere (oder manchmal auch dauerhafte) Einsatz von Psychopharmaka nützlich oder gar
notwendig. So beispielsweise in der Anfangsphase der Behandlung schwer depressiver Patienten, die ohne
diesen "Fremdanschub" kaum die notwendigen Voraussetzungen für eine sinnvolle psychotherapeutische Arbeit
entwickeln (14, 15, 24, 29, 41). Auch Angstpatienten sperren sich ohne diese "schützenden Begleiter" nicht
selten gegenüber psychotherapeutischen Maßnahmen. Patienten mit massiven Störungen der Impulskontrolle
(sogenannte Borderline-Kranke) sind ohne medikamentöse "Steuerungshilfe" oft nicht führbar. Freilich bedarf
der Einsatz eines Psychopharmakons einer sorgfältigen Reflektion der Auswirkungen auf die Arzt-PatientBeziehung. Im übrigen ist die Kombination von Psychotherapie und Medikament in der Behandlung bestimmter
internistisch-psychosomatisch Kranker (zum Beispiel eines Patienten mit Asthma bronchiale oder Colitis
ulcerosa, ICD-10: J 45.1, K 51) oder primär somatisch Kranker selbstverständlich.
Mit einem Therapieversagen muß dann gerechnet werden, wenn neben den oben erwähnten
therapieverlängernden Anzeichen eine massive emotionelle und materielle Deprivation von frühester Kindheit an
bestanden hat, eine auslösende Konfliktsituation für die aktuelle Symptomatik sich nicht herausarbeiten läßt, ein
beträchtlicher sekundärer Krankheitsgewinn besteht und/oder starke dissoziale Einstellungen wie auch
masochistisch gefärbte Opfer-, Verzichts- und Bescheidenheitshaltungen das persönlichkeitsstrukturelle Bild
bestimmen.
Inhaltliche Beschreibung
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien (einschließlich Kurz- und Intervalltherapien) streben eine
Begrenzung des Behandlungsaufwandes (10, 13, 26, 31) an. Aus psychoanalytischer Sicht erscheint es dabei
sinnvoller, statt der Behandlungsdauer besser den Behandlungsaufwand in Form der Anzahl eingesetzter
Therapiesitzungen zu modifizieren. Statt drei oder vier fester Behandlungssitzungen pro Woche werden die
Behandlungstermine bei dieser Therapieform variabel auf die jeweiligen Bedürfnisse des Patienten und des
Behandlungsprozesses abgestimmt. Dies kann dazu führen, daß es in Risikosituationen zu hochfrequenten
Therapieabschnitten kommt, in anderen Phasen die Termine gestreckt und behandlungsfreie Intervalle eingelegt
werden. In der Regel wird angestrebt, mit dem Patienten möglichst einmal in der Woche zusammenzukommen,
in der Anfangsphase vielleicht auch öfter.
Eng verbunden mit der Begrenzung des Behandlungsaufwandes ist die notwendige Begrenzung des
Behandlungsziels. Die Besserung der Symptomatik (Ängste, Depressionen, funktionelle Störungen) ist sicher
eines der nächstliegenden Ziele für den Patienten, wird aber speziell von psychoanalytisch trainierten
Therapeuten erfahrungsgemäß in seiner Bedeutung unterschätzt, da diese mehr auf die Änderung
symptomtragender Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensmuster des Patienten ausgerichtet sind. Dafür sind
analytische Therapeuten sicher weniger in Gefahr, schnellen Besserungen oder Heilungserfolgen (ohne
entsprechende persönlichkeitsstrukturelle Veränderungen) Glauben zu schenken, wissen sie doch, daß der
Patient gern weitergehende und anstrengende Änderungen seiner Erlebens- und Verhaltensgewohnheiten zu
vermeiden trachtet und sich zum Beispiel "in die Gesundheit flüchten" kann. Auch die Kenntnis über kurz nach
Beginn der Therapie einsetzende "Übertragungsheilungen" (als "Liebesbeweis" gegenüber dem Therapeuten)
schützt den Therapeuten vor zu früher Beendigung der Therapie. Auch wird sich der Therapeut einen Einblick
verschaffen müssen, inwieweit die Symptomabnahme auf Kosten einer breiten Lebenseinschränkung (zum
Beispiel Vermeidung von geselligen Kontakten oder Sexualität) geht oder ein Symptomwandel eingetreten ist.
Schnelle "Heilungserfolge" sind gerade in tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapien suspekt, da diese eher
bei schwerkranken Patienten eingesetzt werden, bei denen mit schnellen Erfolgen gar nicht zu rechnen ist. Vor
dem Hintergrund der Begrenzung des Behandlungsaufwandes müssen Veränderungen in der
Persönlichkeitsstruktur aber auf das zur Symptombeseitigung unbedingt notwendige Maß beschränkt bleiben.
Zur Zielbegrenzung gehört auch die thematische Begrenzung. Nur der jeweils aktuell wirksame Konflikt wird
zum Thema in der Therapie. Dieser Fokus sollte möglichst noch vor Beginn der eigentlichen Therapie,
spätestens jedoch in der Anfangsphase festgelegt sein. Als Wegweiser zum aktuellen Hauptkonflikt können
dienen (10, 13, 25, 26):
¿ die symptomauslösende Konfliktsituation (Versuchungs-/Versagungssituation);
À das pathogene soziale Feld, das die auslösende Situation konstelliert, begünstigt oder verstärkt (zum Beispiel
in Partnerschaft, Familie, Beruf und anderem);
Á das aktuelle Beziehungsgeschehen Patient-Therapeut.
Je besser sich eine spezifische und aktuelle symptomauslösende Situation herausarbeiten läßt, desto günstiger
sind die Therapievoraussetzungen auch hinsichtlich der thematischen Zielbegrenzung. Bei Patienten, bei denen
es schwerfällt, klare, aus der individuellen Biografie ableitbare Auslöser in der aktuellen Lebenssituation zu
erkennen, sind eher längerfristige Therapieverläufe zu erwarten. Hier muß am ehesten der Umweg über die sich
seitens des Patienten konstellierende Beziehungsgestaltung in der Therapie genommen werden, um den zentralen
Beziehungskonflikt des Patienten in seinen aktuellen sozialen Auswirkungen festzumachen.
Das in diesen Therapieformen erforderliche aktive Vorgehen wird unterstützt durch eine realitätsnahe Gestaltung
des "Settings". Die Behandlung findet ohne vorherige Verabredungen oder Instruktionen (zum Beispiel
hinsichtlich der Beibringung von Träumen, der Bearbeitung des Traummaterials) im Gegenübersitzen statt. Dies
fördert eine eher aufbauende, partnerschaftliche Ebene in der Kommunikation und begrenzt zu starke regressive
Tendenzen. Es gibt dem (zumeist tief mißtrauischen) Patienten Gelegenheit, den Therapeuten "im Auge" zu
behalten und sich von dessen Reaktionen zu überzeugen. Dadurch werden stärkere paranoide Einstellungen
begrenzt. Die Realitätsprüfung des Patienten wird durch die Zentrierung auf das aktuelle Wahrnehmen, Erleben
und Handeln gefördert.
Es ist sicher eine der größten Schwierigkeiten in diesen Therapien, trotz eher niedrigfrequenter Termingestaltung
das aktuelle Übertragungsgeschehen richtig zu erfassen und dosierend zu beeinflussen. Das regressions- und
übertragungsbegrenzende Vorgehen in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie beinhaltet (1, 10, 25,
28, 31, 37):
¿ Reduzierung der Anzahl der wöchentlichen Behandlungsstunden,
À behandlungsfreie Intervalle,
Á aktive und frühe Interpretation von Widerstand und Übertragung,
 Minimierung von Übertragungsdeutungen und
à Fokussierung auf die sekundären (tertiären) Folgen der Neurose.
Es ist dabei im Auge zu behalten, daß das Übertragungsgeschehen genügend Tiefgang behält, um einen
befriedigenden Therapieausgang zu gewährleisten und die Mündung der Therapie in einen oberflächlichen
Ersatzbefriedigungskontakt zu vermeiden.
Die eingesetzten therapeutischen Interventionen (10) unterscheiden sich nicht qualitativ, sondern quantitativ von
den in anderen psychoanalytischen Behandlungsverfahren eingesetzten Interventionen. Beziehungsgestaltende
Handlungen, wie zum Beispiel das Angebot einer zusätzlichen Stunde, der Abbruch oder die Verkürzung einer
Behandlungsstunde, stehen ebenso wie klimabestimmende Interventionen in Form von Trost, Anerkennung,
Skepsis oder Mißbilligung stärker im Vordergrund als in einer Standardbehandlung. Interventionen
pädagogischen Charakters, wie Informationen und Belehrungen, Ratschläge, Aufforderungen oder Verbote, sind
in solchen Therapien selten zu vermeiden. Weiterhin sind themenbestimmende Fragen und Kommentare von
großer Bedeutung für die Behandlung. Der Rückgriff auf frühere Interpretationen, Themen und Probleme wird
um so notwendiger, je niederfrequenter die Therapie gehalten wird (10, 28, 37, 38).
Resümee
Gute Therapieeffekte konnten in Studien, die forschungsmethodischen Mindestanforderungen genügen,
ausgewiesen werden (8, 31, 42). Zudem haben sich diese Therapieverfahren nunmehr über Jahrzehnte unter
naturalistischen Bedingungen bewährt, was nicht gering zu schätzen ist, wie unter anderem die Ergebnisse der
"Consumer-Reports-Study" belegen (27, 36). Der Nachweis von Wirkungen in der Routine der Alltagspraxis
("effectiveness") hat noch einmal einen anderen Stellenwert als der Wirkungsnachweis in experimentell
angelegten Designs ("efficacy").
Allerdings ist die Psychotherapieforschung aufgrund der enormen methodischen Schwierigkeiten in diesem
hochkomplexen Gegenstandsbereich bisher nicht in der Lage, über allgemeine, für die verschiedensten Psychotherapieverfahren gültige Therapieeffekte hinaus die jeweils spezifischen Wirkfaktoren dieser (wie
anderer) Therapietechniken zu belegen. Hier besteht erheblicher Forschungsbedarf (7, 27, 42).
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-1909-1912
[Heft 31-32]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Klaus Lieberz
Psychosomatische Klinik am
Zentralinstitut für
Seelische Gesundheit Mannheim
Postfach 12 21 20
68072 Mannheim
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