THEMEN DER ZEIT
Recht: Fürsorge oder Selbstbestimmung?


Von Arztpflichten und Patientenrechten – rechtliche, ethische und medizinische Aspekte
Fürsorge und Selbstbestimmung sind nicht nur zwei fundamentale ethische Prinzipien, sie prägen auch jedes ärztliche Handeln und haben für Juristen ebenfalls große Bedeutung. Hinter dem Begriff der Fürsorge verbirgt sich eine langjährige, heiß umstrittene Diskussion über Paternalismus, die von Philosophen und Juristen gleichermaßen engagiert geführt wird (1–7). Hinter dem Prinzip der Selbstbestimmung lauert die schwierige und wohl kaum zu lösende Frage der Willensfreiheit, die schon vor 2 400 Jahren Platon, Aristoteles und Sokrates beschäftigt hat und die seitdem zu einer der Grundfragen menschlichen Denkens überhaupt geworden ist (8–10).
Im Folgenden geht es aber weniger um die philosophisch-dogmatische Diskussion der Begriffe Autonomie und Paternalismus, sondern es soll vielmehr das Augenmerk darauf gerichtet werden, wie sich Fürsorge und Selbstbestimmung auf den medizinischen Alltag und die Rechtspraxis auswirken. Die gewählten Fälle sollen exemplarisch für die Bedeutung von Fürsorge und Selbstbestimmung insgesamt stehen.
Selbstgesetzgebung eines vernünftigen Willens
Ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, hängt von vielen Faktoren ab. Die zwei wichtigsten sind die Fähigkeit des Menschen und seine Möglichkeiten, Präferenzen und Ziele und damit sein eigenes Wertesystem selbst formen zu können. Äußere Faktoren spielen hier eine ebenso wichtige Rolle wie innere Faktoren. Sind die äußeren Verhältnisse so beschaffen, dass sie eine Entfaltung der Persönlichkeit unmöglich machen, verhindern sie die Ausübung von Selbstbestimmung, von Autonomie. Fehlt demgegenüber die innere Fähigkeit zur Autonomie, die ein Mindestmaß an kognitiver und voluntativer Entwicklung voraussetzt, so ist das Individuum nicht in der Lage, autonom zu entscheiden und zu handeln.
Autonomie bedeutet nach Immanuel Kant die Selbstgesetzgebung eines vernünftigen Willens (11). Kants Gedankenwelt hat bis heute Bedeutung. Seine Ideen prägen unser Rechtssystem und haben insbesondere die Freiheitsrechte des Grundgesetzes maßgeblich beeinflusst (12–14).
Die Autonomie einschränkende Hindernisse
Die Fähigkeit zur Autonomie kann eingeschränkt sein, zum Beispiel bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen durch kognitive Hindernisse, durch faktische Hindernisse, wie eine fehlende Äußerungsmöglichkeit, sowie durch Krankheit oder Behinderung. Die Autonomiefähigkeit fehlt zum Beispiel vollständig bei Wachkomapatienten, vorübergehend Bewusstlosen oder Dementen im schwersten Stadium. Darüber hinaus können äußere Hindernisse den Menschen daran hindern, seine Autonomie auszuüben. Neben naturgegebenen Grenzen wie zum Beispiel Tod oder natürliche Umweltbedingungen, die nicht mit dem Willen verändert werden können, gibt es äußere Umstände, die nur bis zu einem gewissen Ausmaß vom Willen beeinflussbar sind. Hierzu zählen Versorgungshindernisse, bedingt durch Ressourcenknappheit.
Das Recht trägt dem Autonomiekonzept im medizinischen Bereich dadurch Rechnung, dass es den Arzt an den „informed consent“ (die Einwilligung nach Aufklärung) des Patienten bindet (15).
Der „informed consent“ ist Begründung und Legitimation des invasiven ärztlichen Eingriffs zugleich. Im Strafrecht entscheidet er über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Eingriffs (16–20). Das Wohl (salus) des Patienten und die medizinische Indikation hingegen, die beide ebenfalls fundamentale Prinzipien ärztlichen Handelns und Aufforderung zum Tätigwerden sind und ihren festen Platz in ärztlichen Berufs-und Standesregeln haben, führen für sich genommen nicht zu einer strafrechtlichen Rechtfertigung eines ärztlichen Eingriffs. Ob das Strafrecht diesen Prinzipien ausreichend Rechnung trägt, ist daher fragwürdig. Der Patient kann sogar explizit auf sie verzichten, indem er sich Prozeduren wie etwa Schönheitsoperationen unterzieht, die weder medizinisch indiziert sind noch seinem Wohl entsprechen. Hier hat das Selbstbestimmungsrecht Vorrang vor dem eigenen Wohl: Der Patient entscheidet, was mit seinem Körper geschieht. Das Verfassungsrecht billigt diese Verfügungsgewalt über den eigenen Körper, indem es das Recht zur Selbstbestimmung als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit in Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 des Grundgesetzes verbürgt.
Dieses Recht des Patienten an seinem eigenen Körper und seiner Psyche endet selbst dann nicht, wenn die eigene Entscheidung unvernünftig wird. Lehnt der entscheidungsfähige Patient zum Beispiel eine medizinisch notwendige oder sogar lebensrettende Behandlung ab, so darf ihn der Arzt nicht gegen seinen ernsthaften und ausdrücklichen Willen behandeln. Allerdings ist ein Arzt auch nicht verpflichtet zu medizinisch nicht indizierten Maßnahmen. Hier kommen sein Grundrecht auf Berufsfreiheit und seine allgemeine Handlungsfreiheit zum Tragen. „Die medizinische Indikation, verstanden als das fachliche Urteil über den Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall, begrenzt insoweit den Inhalt des ärztlichen Heilauftrags“ (BGHZ 154, 224). Hier löst sich der Autonomiebegriff von der kantischen Tradition der Selbstgesetzgebung eines vernünftigen Willens. Kant würde solche unvernünftigen Entscheidungen als heteronom bezeichnen und ihnen weniger Respekt entgegenbringen als originär autonomen Entscheidungen.
Für die medizinische Praxis ergibt sich die Frage: Muss der Arzt dem selbstbestimmten Willen des Patienten stets nachkommen? Hat der Patient ein Recht darauf, dass der Arzt ihn entsprechend seinem Willen behandelt? Auf diese Fragen soll später anhand von Beispielfällen eingegangen werden.
Sorge um das Wohlergehen des Patienten
Dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung steht die Pflicht des Arztes zur ärztlichen Fürsorge gegenüber. Die Fürsorgepflicht bezeichnet die ärztliche Sorge um das Wohlergehen seines Patienten. Rechtlich verankert ist sie im Berufsrecht, in der Bundesärzteordnung (BÄO) und in der (Muster-)Berufsordnung (MBO) für Ärzte, die als oberstes Gebot ärztlichen Handelns die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten bestimmen (§ 1 Abs.1 BÄO und § 1 Abs. 2 MBO). Hier steht man vor der Frage, bis wohin die fürsorgliche Entscheidung noch die Fähigkeit des Patienten zur Selbstbestimmung beachtet und ab wann sie die Grenze zur Bevormundung überschreitet. Setzt sich die Fürsorge zulasten der Selbstbestimmung durch, kann man von Paternalismus sprechen.
Paternalistische Eingriffe greifen in die Freiheit eines anderen zugunsten seines Wohls, aber gegen seinen aktuellen Willen ein (21). Der paternalistische Eingriff soll den Betroffenen in der Regel vor Selbstgefährdungen und Selbstverletzungen vor sich (3,4,22,23) oder vor einverständlichen Fremdverletzungen durch andere schützen (22). Paternalistische Handlungen sind nicht per se unzulässig.
In vielen Bereichen sind sie sogar unersetzlich. In Fällen „altersbedingter Unreife, seelischer Erkrankung, unsinniger Übereilung oder kurzfristiger emotionaler Überwältigung“ sollen Personen vor einer folgenschweren Entscheidung bewahrt werden, die sie aller Voraussicht nach später bereuen würden (24). In Notfallsituationen etwa muss der Arzt zum Wohl des Patienten schnell eingreifen und sich über einen möglicherweise entgegenstehenden Willen des Patienten hinwegsetzen.
Wenn der Patient nicht in der Lage ist, über sich frei zu bestimmen, etwa wegen Einsichtsunfähigkeit bei Kindern und Betreuten, muss der Arzt in Absprache mit dem gesetzlichen Vertreter oder Betreuer seine Entscheidung anstelle der des Patienten setzen.
Aber wie weit darf die fürsorgliche Entscheidung des Arztes bei der Behandlung reichen, und nimmt das Recht zur Fürsorge aufseiten des Arztes in dem Maße zu, in dem die Selbstbestimmungsmöglichkeit aufseiten des Patienten abnimmt? Einige Fälle aus der gynäkologischen Praxis, welche die Gerichte beschäftigt haben, sollen den Sachverhalt verdeutlichen.
- Fall 1: Eine erwachsene, schwangere Patientin verlangt kurz vor der Geburt einen Kaiserschnitt. Der Arzt sagt zu Recht, dass das Kind ohne Probleme durch den Geburtskanal zur Welt kommen kann. Muss er sich dem Willen der Patientin beugen?
Hier verlangt eine einsichtsfähige, volljährige Patientin einen Eingriff in ihren Körper, der nicht zwingend notwendig, aber auch nicht kontraindiziert ist. Die Schwangere kann darüber entscheiden, was mit ihrem Körper geschieht. Die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper gehört zum Recht auf Selbstbestimmung, das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit von unserer Verfassung verbürgt ist. Das Verlangen eines Kaiserschnitts rechtfertigt die Körperverletzung, die der Arzt begeht, wenn er den Kaiserschnitt durchführt. Die Einwilligung der Schwangeren, die in diesem Verlangen steckt, führt zur Straffreiheit des Arztes. Er kann den Kaiserschnitt durchführen.
Variante: Die Patientin will das Kind unbedingt auf natürlichem Wege zur Welt bringen. Der Arzt sagt zu Recht, dass das Kind nur sicher durch einen Kaiserschnitt zur Welt kommen kann. Muss der Arzt dem Willen der Patientin folgen?
Der Arzt hat auch Pflichten dem ungeborenen Kind gegenüber. Würde das Kind schwer beschädigt oder sogar tot zur Welt kommen, falls er die Geburt auf natürlichem Wege durchführt, macht der Arzt sich haftbar und strafbar. Mit dem Beginn der Eröffnungswehen wird der Embryo zu einer Person, die den vollen Schutz des Strafgesetzbuches erhält (25). Ab diesem Zeitpunkt kann sich der Arzt einer schweren Körperverletzung (§§ 223, 226 StGB) oder sogar Tötung durch Unterlassen (§§ 212, 222, 13 StGB) strafbar machen, wenn er die Gesundheit oder das Leben des Kindes nicht rettet. Er kann und muss sich dem Wunsch der Schwangeren widersetzen, wenn er ansonsten das Leben des Kindes gefährden würde.
Besteht hingegen keine Gefahr für das Kind, sind aber erhebliche Risiken mit dem Kaiserschnitt für die Gesundheit der Schwangeren verbunden, so besteht keine Verpflichtung des Arztes, den Kaiserschnitt zwangsweise vorzunehmen.
- Fall 2: Eine gesunde, erwachsene Patientin verlangt ausdrücklich vom Arzt starke Medikamente, weil sie glaubt, diese würden ihr helfen. Die Medikamente sind hingegen aus ärztlicher Sicht nicht medizinisch indiziert. Macht der Arzt sich strafbar, wenn er ihr die Medikamente verschreibt oder sie bei ihr anwendet? Was ist, wenn später infolgedessen Gesundheitsschäden auftreten?
Dieser Fall betrifft eine Behandlung ohne medizinische Notwendigkeit. Behandelt ein Arzt seinen Patienten, ohne dass dafür eine Indikation vorliegt, so verstößt er gegen die ärztlichen Standesregeln, die ihn zur „Lebensrettung, Heilung und Schmerzlinderung“ verpflichten. Denn diese Aufgabe kann er bei einem Nichtkranken nicht erfüllen. Wäre der Eingriff zudem noch kontraindiziert, würde der Arzt die oberste Aufgabe des Arztes „nicht zu schaden („primum non nocere“)“ missachten (26–28).
Der bloße Verstoß gegen Standesregeln, ohne Verletzung von zivil- oder strafrechtlichen Rechtsgütern, kann nur mit berufsrechtlichen Sanktionen geahndet werden.
Unser Strafgesetzbuch hingegen enthält keine Strafvorschrift für nichtindizierte, medizinische Eingriffe. Eine etwaige Körperverletzung ist durch die Einwilligung der Patientin gerechtfertigt und stellt den Arzt straffrei. Nur wenn der Arzt die Behandlung fehlerhaft oder mit mangelhafter Aufklärung durchführt und durch das Verschulden des Arztes ein Gesundheitsschaden bei dem Patienten eintritt, verliert die Einwilligung ihre rechtfertigende Kraft; in eine solche Behandlung hätte der Patient nicht eingewilligt. Die Körperverletzung wird strafbar. Das Gleiche gilt, wenn die Körperverletzung die Schwelle zur Sittenwidrigkeit überschreitet, § 228 StGB.
Nach unserem Bürgerlichen Gesetzbuch haftet der Arzt auch nicht zivilrechtlich für nichtindizierte, medizinische Eingriffe. Er kann nur schadensersatzpflichtig werden, wenn er durch eigenes Verschulden Medikamente fehlerhaft oder nach mangelhafter Aufklärung verschreibt oder anwendet und aufgrund dessen ein Schaden beim Patienten eintritt (29).
Festzuhalten ist also, dass der Arzt sich grundsätzlich nicht strafbar macht, wenn er auf Wunsch der Patientin nichtindizierte Medikamente verschreibt oder verabreicht. Das ermöglicht das Selbstbestimmungsrecht der Patientin, das in Form der Einwilligung, also durch den bloßen ernsthaften Wunsch, auch unvernünftige oder nicht notwendige ärztliche Behandlungen rechtfertigen kann. Kommt es allerdings zu Gesundheitsschäden, so verliert die Einwilligung ihre rechtfertigende Wirkung, wenn der Arzt einen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler begangen hat oder die Körperverletzung sittenwidrig war. Der Arzt wird straf- und haftbar. Hier dominiert die Fürsorgepflicht des Arztes, dem Patienten nicht zu schaden und sein Wohl nicht zu verletzen.
- Fall 3: Eine Frau bringt ein schwergeschädigtes Kind zur Welt. Der Grund dafür liegt entweder in einem erfolglosen Sterilisationsversuch, einem misslungenen, aber rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch, einer fehlerhaften genetischen Beratung oder in einer zur Schwangerschaft führenden, falschen Arzneimittelabgabe. Die Frau verlangt die lebenslange Übernahme der Unterhaltskosten für das Kind und Schmerzensgeld vom Arzt.
Dieses Problem wird mit dem Stichwort „Kind als Schaden“ umrissen. Solche Fälle sind juristisch kompliziert und sind bis vor das Bundesverfassungsgericht gelangt (BVerfGE 88, 203). Die Grundfrage ist, ob das Dasein eines Kindes als Schadensquelle angesehen werden kann. Das BVerfG hat diese Frage mit Rücksicht auf die Würde des Menschen verneint. Dennoch spricht der BGH in den genannten Fällen der Schwangeren einen Unterhaltsanspruch zu. Voraussetzung dafür ist immer das Verschulden des Arztes. Der BGH begründet seine Rechtsprechung damit, dass nicht das Kind, sondern dessen Unterhalt der Schaden sei (BGHZ 124, 128).
Dieser Kunstgriff ist nicht unproblematisch. Denn die Unterhaltszahlungspflicht ist so eng mit der Existenz des unerwünschten Kindes verknüpft, dass eine Differenzierung kaum möglich erscheint. Das BVerfG hat diese Rechtsprechung bislang gebilligt. Der BGH knüpft die Ersatzpflicht an einen Behandlungs- oder Beratungsvertrag, welcher zumindest auch den Schutz vor finanziellen Belastungen bezweckt (BGH NJW 2000, 1782; 2008, 2846). Diese Voraussetzung liegt nur dann nicht vor, wenn der Schwangerschaftsabbruch aufgrund medizinischer Indikation erfolgt ist. Neben dem Unterhaltsanspruch kommt für die Herbeiführung einer ungewollten Schwangerschaft ein Schmerzensgeldanspruch der Frau in Betracht, was selbst dann gilt, wenn die Schwangerschaft ohne pathologische Begleiterscheinungen verläuft.
Hat die Schwangere mit dem Arzt einen bloßen Verhütungsvertrag geschlossen und kommt es zur Geburt eines unerwünschten Kindes, so hat nicht nur die Schwangere einen Anspruch gegen den schuldhaft handelnden Arzt, sondern auch ihr Partner. Da die Verhütung auch der wirtschaftlichen Familienplanung dient, soll auch der Partner geschützt werden, der für den Unterhalt aufzukommen hätte (30). Ob auch das Kind einen eigenen Schadensersatzanspruch hat, ist umstritten (31–33). Richtig erscheint es, dem Kind einen Anspruch auf Ausgleich seines Mehrbedarfs zuzusprechen, wenn es vorgeburtlich geschädigt wurde (34, 35).
Die Fälle des „Kindes als Schaden“ sind ethisch und rechtlich heikel. Sie zeigen, dass den Arzt eine recht weitgehende Fürsorge- und Schutzpflicht für das ungeborene Leben trifft. Diese Schutzpflicht wandelt sich in eine ökonomische Pflicht zum Unterhalt um, wenn das Kind durch ein Verschulden des Arztes doch geboren wird.
Die Fürsorge des Arztes gegenüber dem Kind geht in diesen Fällen also über die Zeit der Schwangerschaft hinaus. Das mögen Frauenärzte als ungerecht und zu weitreichend empfinden. Es ergibt sich aber aus dem Status des Nasziturus, der ein mit einem eigenen Lebensrecht ausgestatteter Rechtsträger ist. Diesen Nasziturus nicht zu schädigen und bei einer schuldhaften Schädigung einen Teil der finanziellen Lasten mitzutragen, ist Aufgabe des Arztes. Das Leid, das mit einem geschädigten Kind für die Eltern verbunden ist, kann der Arzt ihnen ja hingegen nicht abnehmen.
Die drei Fälle aus der medizinischen und rechtlichen Praxis haben gezeigt, in welchem Wechselspiel Fürsorgepflicht und Selbstbestimmungsrecht stehen. Beide Prinzipien finden sich konkret in Arztpflichten und Patientenrechten wieder. Sie leiten das Verhalten des Arztes und entscheiden darüber, welche Folgen das Gesetz an dieses Verhalten knüpft. Die Fälle belegen aber auch, dass ein Ausgleich zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung immer nur von Fall zu Fall erreichbar ist. Da beide Prinzipien in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, stellt sich immer wieder die Frage, ob im jeweiligen Einzelfall der Fürsorge oder der Selbstbestimmung der Vorrang einzuräumen ist. Die Prämisse hierfür sollte sein: So viel Selbstbestimmung wie möglich und so viel Fürsorge wie nötig. Diese Balance zu finden, ist eine bleibende Herausforderung für jeden einzelnen Arzt.
- Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2012; 109(18): A 918–21
Anschrift der Verfasserin
Dr. iur. Dorothea Magnus, LL.M.
Universität Hamburg, Fakultät für Rechtswissenschaft
Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg
dorothea.magnus@uni-hamburg.de
@Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit1812
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.