POLITIK
Hausbesuche im Heim: Wege zur besseren Versorgung
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Die medizinische Betreuung von Pflegebedürftigen ist nicht immer gut. Doch wenn Ärzte und Heime kooperieren, ändert sich das. Die Krankenkassen können außerdem Geld sparen, und die Patienten sind zufrieden.
Heute ist Premiere. Zum ersten Mal geht Katharina Alex auf „Visite“. Ihre Patienten kennt sie noch nicht. Sie weiß aber: Es sind besondere Patienten – allesamt Pflegeheimbewohner. Aufgeregt ist sie aber trotzdem nicht, als sie ihren schwarzen VW-Bulli auf dem Parkplatz vor dem Heim abstellt. Mit der Behandlung von multimorbiden Patienten kennt sich die Internistin, die einige Jahre hausärztlich in eigener Praxis tätig war, gut aus. Auf ihre neue Aufgabe freut sie sich: „Ich bin sehr optimistisch, voller Tatendrang“, sagt die Ärztin aus dem niedersächsischen Lingen.
Katharina Alex ist die „Besuchsärztin“. Ab sofort wird sie jedes der sieben Pflegeheime in Lingen einmal in der Woche zu einer fest vereinbarten Zeit aufsuchen. Der Vorteil: Die Pflegekräfte können sich darauf einstellen. Bisher kamen die vielen verschiedenen Hausärzte der Bewohner oft unangekündigt. Für einen Austausch blieb dann meist keine Zeit. Katharina Alex will das nun ändern. „Ich möchte da nicht allein meine Anordnungen treffen, sondern eine Art Visite mit der Pflege machen“, betont sie.
Auf Visite mit der Pflege
Heute steht das Stephanus-Haus auf dem Programm. Katharina Alex geht mit ihrer braunen Ledertasche in der rechten Hand über den Flur. Die zierliche Ärztin lehnt sich dabei etwas auf die Gegenseite, um das Gewicht der Tasche auszugleichen. Sie geht von Zimmer zu Zimmer, besucht Patienten, misst den Blutdruck, hört Lungen und Herzen ab, sieht die Medikamentenanordnung durch. Eine Pflegekraft begleitet sie und kann die Angaben der Patienten ergänzen. „Die Lunge ist frei. Ganz klasse“, sagt Alex zu dem Patienten, den sie gerade abgehört hat. Sie steckt das Stethoskop wieder in ihre Arzttasche. Und ihr ist noch etwas aufgefallen. „Zwei der Tabletten, die Sie nehmen, gibt es auch in einer. Dann müssen Sie weniger Medikamente schlucken“, erläutert sie.
Das Lingener Modell soll die Versorgung von Pflegeheimbewohnern verbessern. Heute geht es aber auch darum, die Patienten erst einmal kennenzulernen und sich vorzustellen. „Ich möchte ja niemandem den Hausarzt wegnehmen“, stellt Alex klar. Alles finde auf freiwilliger Basis statt. Die freie Arztwahl bleibe erhalten. Zusätzliche Besuche durch den Hausarzt seien auch immer möglich.
Die Hausarztpraxen sollen durch die Arbeit der „Besuchsärztin“ entlastet werden. Alex kennt die Probleme in der Versorgung von Heimbewohnern: Aus Zeitmangel finden Hausbesuche mal eben schnell zwischendurch statt. Oder sie werden hinausgezögert und verschoben. Das verlagert dann manchmal die Probleme in den Bereitschaftsdienst. Der diensthabende Kollege kennt den Patienten aber nicht. „Das habe ich selbst mehrfach erlebt“, berichtet Alex. „Und das führt dann bei allen Beteiligten zu Unzufriedenheit.“
Das Idee des „Besuchsarztes“ ist innerhalb des „Gesundheitsnetzes im Altkreis Lingen“ (Genial) entstanden. „Das ist im Grunde eine Anregung aus den Praxen“, sagt Wolfgang Hentrich, Vorstandsvorsitzender von Genial, einem genossenschaftlichen Zusammenschluss von mehr als 50 Haus- und Fachärzten. Tatsächlich macht die Versorgung von Heimbewohnern viel Arbeit. So kam die Frage auf: Kann man das nicht anders organisieren? Mit dem Konzept trat das Ärztenetz an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Niedersachsen heran. Nach anfänglicher Skepsis unterstützte die KV das Projekt und führte die Verhandlungen mit den Kassen. Mit Erfolg: Herausgekommen ist ein Strukturvertrag nach § 73 a Sozialgesetzbuch (SGB) V. Alle niedersächsischen Kassen haben unterzeichnet. „Darauf sind wir schon ein bisschen stolz“, erklärt Hentrich. Das Ärztenetz Genial – dem so gut wie alle Lingener Hausarztpraxen angehören – konnte alle Heime im Stadtgebiet von einer Teilnahme überzeugen.
Hausärzte entlasten
Im Alltag sieht das Ganze so aus: Katharina Alex ist beim Gesundheitsnetz Genial angestellt. Wenn sie einen Hausbesuch bei einem Heimbewohner macht, dann rechnet die Hausarztpraxis des Patienten diesen mit der KV ab. Genial stellt der Praxis den Hausbesuch dann in Rechnung. Den Krankenkassen entstehen zunächst einmal also keine Zusatzkosten. Hinzu kommt aber eine Anschubfinanzierung aus Mitteln des Landesprojektes „Zukunftsregion Gesundheit“. An den Wochenenden und nachts ist nach wie vor der kassenärztliche Bereitschaftsdienst zuständig. Aber auch der könnte von dem Konzept profitieren. „Wenn wir die Probleme in der Woche und tagsüber lösen, entlasten wir auch den Notdienst“, betont Hentrich.
Katharina Alex ist mit 16 Stunden pro Woche beschäftigt. Das Angestelltenverhältnis in Teilzeit ist für die Mutter dreier Kinder derzeit genau das Richtige. Allerdings bleiben ihr so pro Heim nur etwa zwei Stunden. Ein wöchentlicher Besuch bei den insgesamt 430 Bewohnern der sieben Heime ist eher utopisch. Deshalb sind zunächst einmal in der Startphase acht Hausarztpraxen beteiligt. Ohnehin ist das Lingener Modell noch ausbaufähig. „Das ist erst einmal eine abgespeckte Version, um den Rahmen und den Kostenapparat klein zu halten“, sagt Genial-Geschäftsführer Stefan Knese. Eingeschlossen in den Vertrag ist bisher nur die hausärztliche Besuchstätigkeit in stationären Pflegeeinrichtungen. Das betreute Wohnen bleibt außen vor. „Uns war es aber wichtiger, dass alle Kassen beim Projekt dabei sind“, erklärt Knese.
Klinikaufenthalte vermeiden
Die Initiatoren denken unterdessen weiter. „Wir haben natürlich Ideen in der Schublade – zum Thema Wochenendversorgung, Facharztbehandlung und Medikamentenmanagement“, berichtet Genial-Vorstand und Internist Hentrich. Es sei aber wichtig, die Strukturen Schritt für Schritt zu verbessern und Probleme an Schnittstellen zu beseitigen. „Es geht auch darum, gemeinsam mit der Pflege Standards zu entwickeln“, erläutert Hentrich. Das vereinfache die Abläufe. Das Besondere am Lingener Modell: Ein Ärztenetz hat einen Arzt angestellt, der die Heimbesuche vornimmt. „Das ist eine Sondersituation, die bisher rechtlich eigentlich gar nicht zulässig ist“, berichtet Hentrich. Möglich ist dies nur wegen des geschlossenen Strukturvertrags.
Tatsächlich funktionieren bisherige Modellprojekte nach einem anderen Schema. Meist handelt es sich um Netzwerke von niedergelassenen Ärzten, so zum Beispiel der „Geriatrische Praxisverbund“ in Bayern, ein Projekt, das im Rahmen der „KV-Initiative Pflegeheim“ entstanden ist. Mittlerweile sind 44 Praxisverbünde an dem Zusammenschluss von Haus- und Fachärzten beteiligt. Das Konzept beinhaltet neben der besseren Kooperation regelmäßige Visiten, eine Rufbereitschaft und geriatrische Fortbildungen.
Das bekannteste Modellprojekt zur ärztlichen Versorgung von Pflegeheimbewohnern ist das Berliner Projekt „Die Pflege mit dem Plus“. Es besteht seit 1998. Die Niedergelassenen, die mitmachen, erhalten pauschal ein Honorar von etwa 200 Euro pro Patient und Quartal. Durch die bessere Versorgung werden nachweislich Klinikaufenthalte vermieden. Trotzdem sind nach wie vor nur vier Kassen beteiligt. Die Krankenkassen sind bei Modellen, die mit Zuschlägen verbunden sind, zurückhaltend. Das könnte daran liegen, dass sie nicht davon ausgehen, unterm Strich wirklich zu sparen. Vielfach besteht die Einschätzung: Die Kliniken kompensieren den Patientenrückgang aufgrund vermiedener Einweisungen anderweitig – nach dem Motto: Eine gut geführte Klinik ist immer voll.
Bisher nur Insellösungen
Auf eine bessere Versorgung von Heimbewohnern zielte schon die Pflegereform im Jahr 2008 ab. Pflegeheime und Ärzte sollten besser kooperieren und dazu Verträge abschließen (§ 119 b SGB V). Die KVen sollten solche Verträge „anstreben“, wenn ein Heim einen entsprechenden Antrag stellt. Kommt ein Vertrag nicht zustande, dann ist das Pflegeheim zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen. Das heißt: Die Einrichtung kann einen Heimarzt anstellen. Nach einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bei den KVen haben bisher nur 18 Heime in Deutschland davon Gebrauch gemacht, einen Antrag auf eine Kooperationsvereinbarung zu stellen. In Niedersachsen wurden ein Hausarzt und ein Facharzt ermächtigt. Damit steht fest: Der § 119 b spielt bisher in der alltäglichen Praxis kaum eine Rolle. Kooperationen – sofern es sie überhaupt gibt – finden in der Regel auf einer anderen rechtlichen Grundlage statt, wie das Lingener Modell nach § 73 a SGB V oder aber als integrierte Versorgung (§ 140 a SGB V).
Was also kann man tun, damit flächendeckend Kooperationen entstehen? Aus Sicht der KBV bedarf es einer festen Verankerung in der vertragsärztlichen Versorgung mit zusätzlichen Anreizen, damit die ambulante Versorgung von Pflegeheimen verbessert werden kann. „Vor diesem Hintergrund begrüßt die KBV ausdrücklich die im Pflegeneuausrichtungsgesetz vorgesehene Ausgestaltung als bundesmantelvertragliche Regelung“, betont der KBV-Vorstandvorsitzende, Dr. med. Andreas Köhler.
Bundesweite Regelungen befürwortet auch der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband). Allerdings, betont Verbandssprecher Florian Lanz, hätten solche Kooperationen längst gefördert werden können. „Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn es hierfür einer Gesetzesregelung mit finanziellen Zuschlägen bedarf, damit die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrer originären Aufgabe der Sicherstellung der Versorgung nachkommen“, kritisiert Lanz. Dies komme einer Belohnung für die Vernachlässigung von Aufgaben gleich. Gerade auch vor dem Hintergrund der enormen Vergütungsanhebungen der letzten Jahre und bestehender Vergütungsregelungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bedürfe es grundsätzlich keiner zusätzlichen Finanzmittel.
Konkret sieht das Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) aber vor, dass es künftig finanzielle Anreize für eine bessere ärztliche Versorgung im Heim geben soll (siehe Kasten). Von 77 Millionen Euro ist die Rede. Die Zuschläge werden allerdings nicht automatisch für jeden Hausbesuch im Heim gezahlt, sondern nur, wenn eine Kooperation von Ärzten und Heimen besteht. Die KVen sollen solche Vereinbarungen nicht mehr nur „anstreben“, sondern haben sie „zu vermitteln“. Die Zuschläge sind zunächst bis 2015 begrenzt, dann sollen die Maßnahmen evaluiert werden. Für die Versorgung durch Zahnärzte im Heim soll eine Gebührenordnungsposition im zahnärztlichen Bewertungsmaßstab geschaffen werden.
KBV legt Konzept vor
Auch die KBV hat unterdessen einen Vorstoß zur medizinischen Versorgung in Heimen unternommen. Sie präsentierte am 23. April in Berlin einen Vorschlag hierfür aus ihrer Vertragswerkstatt. „Wir haben ein Konzept erarbeitet, bei dem ein Team von Haus- und Fachärzten in Zusammenarbeit mit den Pflegekräften eine zukunftssichere und qualitativ hochwertige Versorgung in Pflegeeinrichtungen sicherstellen soll“, erläuterte KBV-Chef Köhler. Die KBV bietet mit ihrem Konzept auch eine mögliche Lösung für die im PNG geforderten Kooperationen. Diesen Auftrag greife man aktiv auf, bestätigte Köhler. Schließlich solle die KBV nach den Gesetzesvorgaben gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband eine Vereinbarung hierzu schließen.
Der Kern des KBV-Konzepts besteht darin, durch eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten, Visitenrufbereitschaft und gegenseitige Vertretung unnötige Notarzteinsätze und Krankenhauseinweisungen zu verhindern. Eine ärztliche Dienstbereitschaft für erkrankte Patienten auch in sprechstundenfreien Zeiten soll danach die Regel sein, ebenso regelmäßige Visiten im Heim. Die Versorgung soll so organisiert werden, dass Patienten tatsächlich Rehabilitationsmaßnahmen erhalten oder von Versorgungskonzepten profitieren, beispielsweise der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung.
Freie Arztwahl erhalten
Die KBV legt gleichwohl Wert darauf, dass Pflegeheimbewohner ihren vertrauten Hausarzt behalten können. Gleichzeitig legt das Konzept diesen aber nahe, sich stärker in Teamstrukturen einzubinden. Neben Hausärzten sollten auch Urologen, Gynäkologen, Fachärzte für Neurologie oder Nervenheilkunde beteiligt werden. Ärzte, die sich für eine ärztliche Teambetreuung entscheiden, müssen die Teilnahme daran bei der KV beantragen. Sie bestätigen damit zugleich, sich an die vorgegebenen Kooperationsregeln halten zu wollen. Der Entwurf der KBV sieht auch vor, im Bedarfsfall Beratungsgespräche für Angehörige anzubieten. Mit dem Pflegeheimpersonal sind zudem Vereinbarungen für gemeinsame Fallbesprechungen zu treffen.
Indirekt positioniert sich die KBV mit ihrem Konzept auch in der anhaltenden Diskussion um die Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen. So regt das Konzept an, auch qualifizierte Medizinische Fachangestellte in die Pflegeheimbesuche einzubinden. Klargestellt wird, dass Ärzte und Pflegende zwar intensiver kooperieren sollen, der Arzt aber verantwortlich für das medizinische Behandlungsgeschehen ist. Dr. med. Bernhard Gibis, KBV-Dezernent für Verträge und Verordnungsmanagement, betonte darüber hinaus, der Vertragsentwurf der KBV lasse Raum für regionale Lösungen, denn: „Einzelheiten kann man nicht dekretieren. Es braucht Menschen vor Ort, die sich zusammenfinden.“
Darauf pochen auch die KVen. Die KBV-Vertreterversammlung verabschiedete bei ihrer jüngsten Sitzung Ende April einen Antrag zur künftigen Ausgestaltung der Pflegeheimversorgung, mit dem sie fordert, regionale Spielräume zu erhalten. Die Bundesebene solle lediglich Mindestanforderungen festlegen. Bestehende Projekte müssten einbezogen werden.
Verwiesen wird in der Begründung darauf, dass die KVen bereits 2010 eine Initiative Pflegeheim unter der Federführung der KV Bayerns ins Leben gerufen hätten und es Erfahrungen mit Modellprojekten gebe. Diese müssten bei der Umsetzung des PNG in die Verhandlungen einfließen. Die KVen sind offenbar nicht alle einverstanden mit dem KBV-Konzept. Sie können allerdings vor Ort bislang nur kleine Insellösungen und keine flächendeckend verbesserte Versorgung von Pflegeheimbewohnern vorweisen. Das hat viele Gründe: Gerade in ländlichen Regionen sind viele Vertragsärzte so ausgelastet, dass ihnen die Zeit für Pflegeheime fehlt. Dazu wird die Versorgung schlecht bezahlt.
Doch wie viel bekommt ein Arzt eigentlich für einen Hausbesuch im Heim? Für einen Regelbesuch im Pflegeheim erhält ein Arzt beispielsweise im Bereich der KV Nordrhein zusätzlich zur Grundpauschale sowie weiteren abrechenbaren Ziffern 21,03 Euro, diese außerhalb des Regelleistungsvolumens. Ein dringender Besuch wird mit 54,15 Euro zusätzlich vergütet. Dieses Honorar gilt sowohl für Haus- als auch Fachärzte. KVen, die bessere Versorgungsansätze erproben, regeln die Honorarfrage mit den beteiligten Krankenkassen unterschiedlich. Die KV Sachsen zum Beispiel hat in ihrem Modellprojekt mit der Knappschaft folgende Zuschläge zu den EBM-Positionen vorgesehen: zehn Euro für die erste unvorhergesehene Inanspruchnahme im Quartal, 15 Euro für die zweite, je 35 Euro für maximal zwei dringende Besuche/Visiten oder einem Wohnheimbesuch sowie zehn Euro als Zuschlag für den Besuch eines weiteren Kranken. Die AOK Baden-Württemberg berichtet, dass sie in einer Zusatzvereinbarung zum Hausarztvertrag für eine bessere Versorgung von Heimen circa 80 Euro an Extrahonorar pro Quartal vorgesehen hat.
Modell für die Zukunft
Aber reichen finanzielle Anreize aus? Der Lingener Internist Hentrich ist skeptisch. „Geld allein löst keine strukturellen Problemen“, sagt er. Aus seiner Sicht müssen die Fehlsteuerungen im System angegangen werden. „Sonst könnte es sein, dass der Heimbewohner zwar einen Arztbesuch mehr bekommt, aber die Oma zu Hause dafür einen weniger.“ Hentrich ist überzeugt: „Strukturelle Probleme löst man durch strukturelle Innovationen.“ Ein gravierendes Problem bleibt aus seiner Sicht ungelöst: Die Knappheit der Ressourcen Arzt und auch der Pflege. Deshalb müsse man Konzepte entwickeln, wie die Versorgung auch in Zukunft sichergestellt werden könne. Im Lingener Modell sei nicht nur der Einsatz einer „Besuchsärztin“ denkbar. Auch andere Berufsgruppen, zum Beispiel Medizinische Fachangestellte, könnten im Auftrag des Ärztenetzes Aufgaben übernehmen. „Wir müssen sehen, dass wir mit den weniger werdenden Ärzten effizienter umgehen“, meint Hentrich.
Für Katharina Alex ist der heutige Start als „Besuchsärztin“ gelungen. Die Heimbewohner, die sie visitiert hat, waren ihr gegenüber alles andere als skeptisch, sondern begegneten ihr mit Offenheit. Von dem Erfolg des Modells ist sie überzeugt: „Davon profitieren alle – Patienten, Pflege und Ärzte.“
Dr. med. Birgit Hibbeler, Sabine Rieser
@Mehr zur ärztlichen Versorgung im Heim: www.aerzteblatt.de/12950
Anreize für Ärzte
Um die ärztliche Versorgung von Heimbewohnern zu verbessern, soll es künftig Förderzuschläge für Ärzte geben. Circa 77 Millionen Euro werden dafür jährlich zur Verfügung stehen. Das sieht das Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) vor, das vom Bundeskabinett bereits beschlossen wurde.
Allerdings gibt es keinen pauschalen Zuschlag für Hausbesuche im Heim. Finanziell gefördert werden Kooperationen von Ärzten und Pflegeheimen (§ 119 b Sozialgesetzbuch V) sowie die „kooperative und koordinierte ärztliche und pflegerische Versorgung“. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband sollen bis spätestens 30. September 2013 Anforderungen für eine solche Versorgung festlegen. Der Bundestag muss das PNG noch verabschieden.
Die fakten
2,34 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Vollstationäre Dauerpflege erhalten 700 000. Die meisten Heimbewohner sind multimorbid, 60 Prozent sind dement. Bundesweit gibt es circa 11 600 Pflegeheime.
Während ein Bundesbürger im Schnitt 17 Arztkontakte im Jahr hat, ist die ärztliche Versorgung im Heim eher spärlich. Heimbewohner werden durchschnittlich einmal im Quartal von einem Hausarzt aufgesucht. Schlechter sieht es bei den Fachärzten aus. Etwa ein Drittel der Heime wird nicht von HNO- und Augenärzten besucht. Defizite gibt es bei der Betreuung durch Neurologen und Psychiater.
Heimbewohner werden aber signifikant häufiger von einem Arzt aufgesucht als Pflegebedürftige zu Hause.
Krombholz, Wolfgang
Wiesenack, Hans Joachim
Nichelmann, Christa
Barelmann, Jens
Dubischar, Hanns