POLITIK: Leitartikel
Psychotherapeutengesetz: Die KBV bietet Seehofer ein Integrationsmodell an


Vor zwei Jahren schien die Verabschiedung eines Psychotherapeutengesetzes bereits zum Greifen nahe. Ein
vielfach geänderter Entwurf der Bundesregierung hatte den Bundestag erfolgreich passiert, als ihm auf der
Zielgeraden dennoch die Luft ausging. Die Gesetzesinitiative scheiterte am Bundesrat, der mit der Mehrheit
der SPD-geführten Länder der vorgesehenen Selbstbeteiligung der Patienten in Höhe von 10 Prozent nicht
zustimmen wollte.
Im Februar 1995 brachten die Sozialdemokraten über die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen eine eigene
Vorlage ein. Der Entwurf sah keine Zuzahlung vor. Der sogenannte Arztvorbehalt (die Abklärung etwaiger
somatischer Befunde durch einen Arzt vor Aufnahme der psychotherapeutischen Behandlung) war entfallen.
Die Psychotherapeutenverbände sollten nicht nur eine umfassende Vertragsautonomie, sondern auch
eigenständige Vergütungsregelungen erhalten. Auch bei den Anforderungen an die Qualifikation der
nichtärztlichen Psychotherapeuten wich dieser Entwurf deutlich von den Vorstellungen der Bundesregierung
ab.
Die wiederum beharrte auf ihrem Entwurf. Seither treten die Bonner Gesundheitspolitiker auf der Stelle.
Allerdings hat der Bundesgesundheitsminister nachdrücklich erklärt, daß ein Psychotherapeutengesetz noch in
dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll.
Im Hinblick darauf hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung in der Zwischenzeit ein Integrationsmodell zum
sozialrechtlichen Teil des Gesetzes erarbeitet – und nach einigen Anläufen in den eigenen Reihen schließlich
auch verabschiedet. Mit ihrem Modell will die Kassenärztliche Bundesvereinigung verhindern, daß sich die
Psychotherapie in eine vertragsärztliche und eine psychologische Psychotherapie spaltet. Aus diesem Grunde
sollen die psychologischen Psychotherapeuten sowie die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in die
vertragsärztliche Versorgung einbezogen werden. Die Integration soll über einheitliche Zugangskriterien,
Tätigkeitsbedingungen und Vergütungsregelungen verwirklicht werden.
Knappe Mehrheit für die Integration
Nach dem Integrationsmodell würden die psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung zugelassen – verbunden mit
einer ordentlichen Mitgliedschaft in den Kassenärztlichen Vereinigungen. Ein Punkt, der unter den
niedergelassenen Ärzten äußerst umstritten ist und für den sich im Länderausschuß der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung nur eine knappe Mehrheit fand. Die ordentliche Mitgliedschaft in den KVen würde für die
Psychologen konsequenterweise zum gleichberechtigten Wahlrecht und zur Wählbarkeit in die Organe der
Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung führen.
Als Voraussetzung für die Zulassung der psychologischen Psychotherapeuten nennt das Integrationsmodell eine
berufliche Qualifikation nach den Kriterien des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs. Zudem
soll der Nachweis der beruflichen Fachkunde in einem psychotherapeutischen Verfahren, das in der
gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt ist, obligatorisch sein.
Der Befürchtung, daß mit einem Berufsgesetz für psychologische Psychotherapeuten ein nicht zu bewältigender
Ansturm auf die Kassenzulassung einsetzen werde, will die KBV mit Hilfe der Bedarfsplanung begegnen. So
sollen getrennt für ärztliche Psychotherapeuten, psychologische Psychotherapeuten und für Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten zu einem bestimmten Stichtag Verhältniszahlen ermittelt werden. Anhand
dieser Zahlen kann der Zulassungsausschuß dann entscheiden, ob im konkreten Fall eine Zulassung möglich ist
oder wegen Überversorgung verweigert werden muß. Die Psychologen sollen allerdings im Zulassungsausschuß
vertreten sein. Nach dem Integrationsmodell muß einer der drei "Ärztevertreter" ein Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut sein.
Maßgeblich für die inhaltlichen Anforderungen an die Psychotherapie-Behandlungen sollen die
Psychotherapie-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sein. Sie sollen einheitlich für
alle gelten. Die KBV legt Wert auf die Feststellung, daß auch "die notwendige konsiliarische Abklärung
psychiatrischer oder somatischer Krankheitsursachen vor Beginn einer Psychotherapie durch einen
entsprechend qualifizierten Arzt" in den Psychotherapie-Richtlinien verankert ist.
Gemeinschaftspraxen sollen möglich sein
Auch mit Blick auf eine unmittelbare Zusammenarbeit von ärztlichen und nichtärztlichen Psychotherapeuten
eröffnet das Integrationsmodell Perspektiven. In dem Eckpunktepapier der KBV heißt es dazu: "Die Bildung
von Gemeinschaftspraxen unter ärztlichen Psychotherapeuten, psychologischen Psychotherapeuten und Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeuten wird für zulässig erklärt."
Unterstützung für ihr Integrationsmodell erhielt die KBV zwischenzeitlich sowohl von der Bundesärztekammer
als auch von verschiedenen Psychotherapeutenverbänden. Dennoch fällt eine Prognose über die
Realisierungschancen schwer. Das Bundesgesundheitsministerium, dem das Papier der KBV vorliegt, hat sich
bislang noch nicht offiziell dazu geäußert. Die Psychologenverbände wiederum dürften geteilter Auffassung
sein. Den "Hardlinern" wird die Integration in die vertragsärztliche Versorgung unter den genannten
Bedingungen kaum zusagen. Sie werden eher für einen völlig eigenständigen Versorgungsbereich eintreten.
Doch auch unter den Ärzten gibt es gegensätzliche Auffassungen.
So oder so: Das Psychotherapeutengesetz hat auch im 25. Beratungsjahr noch längst nicht alle Hürden
genommen. Josef Maus
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