POLITIK
EU-Verordnung klinische Studien: Mehr Kontrolle, weniger Bürokratie


Die EU-Kommission will klinische Prüfungen in Europa durch Vereinfachung und Harmonisierung vorantreiben. Eine EU-Verordnung soll die bestehende Richtlinie ablösen.
Klinische Prüfungen sind eine wichtige Etappe bei der Entwicklung neuer Arzneimittel und bei der Verbesserung medizinischer Behandlungen. Dabei gilt es auch ethische Aspekte zu berücksichtigen, um die Probanden einer Studie nicht zu schädigen. Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001 soll gewährleisten, dass klinische Prüfungen innerhalb der Europäischen Union (EU) grundsätzlich nach einheitlichen ethischen Mindeststandards erfolgen. Die Einhaltung der Prinzipien ist auch Voraussetzung für die Zulassung eines Arzneimittels auf dem europäischen Markt. Die europäischen Vorschriften fanden 2005 Eingang in die 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG).
In den zurückliegenden Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass das System einige Schwachstellen aufweist. So beklagen vor allem nichtindustrielle wissenschaftliche Sponsoren von Therapieoptimierungsstudien zu hohe bürokratische und finanzielle Auflagen. Denn akademisch initiierte klinische Prüfungen müssen nunmehr dieselben Anforderungen erfüllen wie von der Industrie gesponserte Studien. Mittlerweile sind circa 40 Prozent aller Sponsoren Wissenschaftler, Stiftungen, Krankenhäuser oder Forschungszentren. Hinzu kommt, dass die EU-Vorgaben von den einzelnen Mitgliedstaaten uneinheitlich umgesetzt wurden. Dies führt unter anderem dazu, dass bei multinationalen Studien unterschiedliche Rechtslagen zu beachten sind, um Genehmigungen für ein Verfahren zu bekommen. Multizentrische Studien machen innerhalb der EU einen Anteil von etwa 25 Prozent aus. „Schätzungsweise 67 Prozent aller Probanden nehmen an solchen Prüfungen teil“, berichtet der CDU-Europaabgeordnete und Arzt Peter Liese. Sie finden insbesondere Anwendung, um neue, wirksame Behandlungsmethoden für seltene und schwerwiegende pädiatrische Erkrankungen zu entwickeln.
Die bestehende Richtlinie unterscheidet zudem nicht nach dem Risiko für die Versuchsteilnehmer. „Es ist etwas anderes, ob eine völlig neue Substanz erstmals am Menschen getestet wird oder ob man bestehende Substanzen untersucht“, sagt Liese. Dies alles hat nach Angaben der EU-Kommission dazu geführt, dass die Zahl der klinischen Prüfungen für Arzneimittel in den vergangenen fünf Jahren innerhalb der EU um ein Viertel auf 3 800 gesunken ist. Gleichzeitig hat eine Verlagerung von Studien in Drittstaaten stattgefunden – unter mitunter fragwürdigen ethischen Bedingungen. „Es gibt viele Berichte, die zeigen, dass die Teilnehmer der klinischen Prüfungen in solchen Ländern weniger geschützt sind“, erklärt Liese. Darüber hinaus sei auch die Integrität der erhobenen Daten infrage zu stellen. Mit neuen gesetzlichen Vorgaben will der europäische Gesetzgeber die Schwachstellen nun beheben. Statt der Richtlinie soll künftig eine Verordnung die Prinzipien der „guten wissenschaftlichen Praxis“ für klinische Studien regeln. Einen entsprechenden Vorschlag legte EU-Gesundheitskommissar John Dalli Mitte Juli in Brüssel vor. Der Vorteil einer Verordnung: Die Vorschriften würden EU-weit einheitliches Recht. Nationale Sonderregelungen wären ausgeschlossen.
Kernelemente des Vorschlags sind: mehr Kontrolle, mehr Transparenz und weniger Bürokratie. So sollen beispielsweise die Genehmigungs- und Berichterstattungsverfahren beschleunigt und vereinfacht werden. Das würde nach Ansicht des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (VfA) bei multinationalen Studien zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Studienstandorte in der EU beitragen. Dallis Plänen zufolge soll es zugleich den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, den organisatorischen Aufbau und die internen Kompetenzen für die Bewertung klinischer Studien zu bestimmen. Der Gesundheitskommissar fordert ferner eine Registrierung aller klinischen Prüfungen, auch von solchen, die in Drittstaaten stattfinden. Dalli rechnet auf der Grundlage der neuen Vorschriften mit einem Rückgang der Verwaltungskosten um rund 800 Millionen Euro pro Jahr. Das neue Regelwerk könnte 2016 in Kraft treten.
Petra Spielberg
Letzel, Stephan; Wessler, Ignaz
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