THEMEN DER ZEIT
German Medical Science: Vorreiter für Open Access


Das Portal stellt eine zukunftsweisende Infrastruktur für die frei zugängliche wissenschaftliche Informationsversorgung in der Medizin bereit.
Schon vor zehn Jahren war in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) vielen klar: Wir brauchen ein eigenes Portal für Publikationen – und zwar mit freiem Zugang für jedermann, also Open Access. Die Beweggründe: Bereits damals lagen das Internet und seine nahezu unbegrenzten Möglichkeiten für das Online-Publizieren im Trend der Zeit. Dieses Potenzial wurde aber von Verlagen im medizinischen Bereich nur langsam aufgegriffen. Gleichzeitig stiegen die Kosten für das Publizieren und für den Zugang zu Literatur kontinuierlich an. Der Bedarf war also evident, und die Idee wurde rasch umgesetzt. Mit der ZB MED (Deutsche Zentralbibliothek für Medizin) und dem DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) wurden zwei kompetente Kooperationspartner für das Publikationsmanagement und die technische Entwicklung ins Boot geholt. Unterstützt durch Projektmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Bundesgesundheitsministeriums, bauten die drei Partner German Medical Science (gms) auf. Seit 2003 werden über gms wissenschaftliche medizinische Publikationen im Open Access von Fachgesellschaften herausgegeben – Fachzeitschriften, Kongresspublikationen und Forschungsberichte. Mit gms als erstem Portal seiner Art in Deutschland wurde die AWMF zum Vorreiter („early adopter“) des Self-Publishing durch die Wissenschaft und des Open-Access-Prinzips.
Geschäftsmodell sichert den nachhaltigen Betrieb
Die ersten Jahre waren eine Herausforderung, denn gms musste sich erst einen Namen machen. Oberstes Ziel war die PubMed-Listung, doch dafür musste zunächst eine gewisse Qualität aufgebaut werden. Die Dominanz des Impact-Faktors als vorherrschendes Evaluationskriterium im Wissenschaftsbetrieb machte es jedoch unattraktiv, in den noch jungen Zeitschriften zu publizieren. Nur mit langem Atem und viel Engagement seitens der Herausgeber und der gms-Partner konnte schließlich die PubMed-Aufnahme der ersten Zeitschriften erreicht werden. Parallel wurde ein Geschäftsmodell entwickelt und eingeführt – zu einer Zeit, als solche im Open-Access-Bereich noch Neuland waren (1). Das war umso wichtiger, als gms sich einen auf lange Sicht abgesicherten, nachhaltigen Betrieb auf die Fahnen geschrieben hat.
German Medical Science (www.egms.de; Kasten) publiziert zurzeit 16 wissenschaftliche Zeitschriften, etwa 30 Kongresspublikationen pro Jahr und eine Schriftenreihe mit Health-Technology-Assessment-Berichten des DIMDI. Alle Artikel sind im Sinne des Open Access frei verfügbar und können von jedermann in einer komfortablen Online-Version oder im lesefreundlichen PDF-Format abgerufen werden. So wie das Rezipieren für die Leser ist auch das Publizieren für die Autoren dabei in der Regel kostenfrei.
Obwohl gms überwiegend Journalartikel und Kongressbeiträge in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht, ist es auch für die Publikation von Forschungsdaten (Stichwort: Open Data) und Multimedia-Inhalten bestens geeignet. Die möglichen Anwendungen sind vielfältig: von hochauflösenden Daten bildgebender Verfahren über Vortragsaufzeichnungen bis hin zu ganzen Datensammlungen. Ein Beispiel hierfür ist ein Lehrfilm zur Prävention postoperativer Wundinfektionen, der in der Zeitschrift „GMS Krankenhaushygiene Interdisziplinär“ erschienen ist (Abbildung) (2).
Informationen kostenfrei bereitzustellen, reicht jedoch nicht mehr aus. Sie müssen auch gefunden werden. Daher ist die weite Verbreitung der gms-Inhalte im Netz – sowohl über große Suchmaschinen als auch spezielle Datenbanken – essenziell. So war die Aufnahme der Zeitschriften „GMS German Medical Science – An Interdisciplinary Journal“ und „GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung“ in Medline/PubMed ein wichtiger Schritt. In PubMed sind daneben fünf weitere gms-Zeitschriften zu finden, darunter etwa „GMS Health Technology Assessment“. Weitere Zeitschriften sind in Scopus, Embase und PsycINFO gelistet und über die Suchmaschinen Greenpilot, Medpilot (3) und Google Scholar recherchierbar.
gms-Publikationen lassen sich über den Digital Object Identifier (DOI) dauerhaft lokalisieren. Das DOI-System ist mit ISBN und ISSN für gedruckte Fachbücher und Schriftenreihen vergleichbar. Es sichert den Nachweis und die Zitierbarkeit der Online-Publikationen und legt somit die Basis dafür, dass diese in der Wissenschaftscommunity entsprechend wahrgenommen und gewürdigt werden können.
Wachsendes Interesse an Open-Access-Publikationen
Ein Beleg für die weltweite Sichtbarkeit von gms ist die hohe Zahl der Manuskripteinreichungen aus dem Ausland, wie zum Beispiel für die interdisziplinäre Zeitschrift „GMS German Medical Science – An Interdisciplinary Journal“.
Medizinische Fachgesellschaften können gms nutzen, um ihr eigenes Journal oder ihre Kongresse online zu bringen. Die Publikationsgebühren sind moderat, da die Kooperationspartner DIMDI und ZB MED zur Unterstützung des Open-Access-Gedankens derzeit 70 Prozent der Kosten tragen. Bei allen Publikationsprojekten mit gms steht den Herausgebern eine Rundumbetreuung zur Verfügung: von Webservices für den Manuskriptworkflow für Zeitschriftenartikel und die Abstracteinreichung von Tagungen über das Lektorat bis hin zur Erstellung von Druckvorlagen. Die Abläufe sind dabei so effizient, dass Artikel in der Regel innerhalb von sechs bis zehn Wochen online verfügbar sind. Anschließend geht es um die Verbreitung im Netz: Hier unterstützt das Editorial Office die Herausgeber bei Aufnahmeanträgen in Datenbanken wie Medline und liefert bibliographische Daten an diverse Webportale.
gms kann als ein Paradebeispiel für eine Synergie angesehen werden: Die drei Partner ZB MED, AWMF und DIMDI kombinieren für den Betrieb ihre Kompetenzen. Die AWMF bringt ihr wissenschaftliches Netzwerk in die Kooperation ein und gewährleistet damit die fachliche Qualität. Die ZB MED betreibt das Editorial Office und koordiniert gms, wohingegen das DIMDI für die technische Entwicklung und den ausfallsicheren Betrieb von Hard- und Software sorgt. ZB MED und DIMDI setzen mit gms ihr Selbstverständnis um, moderne Infrastrukturen für die Wissenschaft im Bereich der digitalen Informationsversorgung aufzubauen und Open Access zu stärken.
Das Interesse am Open-Access-Publizieren seitens der medizinischen Fachgesellschaften und der Wissenschaftler wächst. So hat das Editorial Office von gms auch 2012 alle Hände voll zu tun, um sämtliche Manuskripte in gewohnter Qualität fristgerecht zu veröffentlichen. Im letzten halben Jahr starteten drei neue Zeitschriften, und mehr als 30 Fachgesellschaften veröffentlichten 2011 ihre Kongresspublikationen über gms. Damit wird das Medizinspektrum zunehmend abgedeckt, etwa mit Beiträgen aus der Ophthalmologie, Pädiatrie, Wiederherstellungschirurgie und Sozialmedizin. Neue Zeitschriften und Kongresspublikationen aus weiteren Fachgebieten stehen in den Startlöchern.
Als neuartige Publikationsform wird gms unter dem Titel „Living Textbooks“ künftig zudem dynamische, wiki-ähnliche E-Books mit komplexer Struktur publizieren, die mit Multimedia-Inhalten und Forschungsdaten angereichert sein werden. In Kooperation mit einem international besetzten Autoren- und Herausgeberteam ist derzeit ein erstes prototypisches Projekt aus der Handchirurgie in Arbeit.
Anita Eppelin
Zahlen und Fakten
Inhalte: gms publiziert derzeit
- 16 Zeitschriften mit 2 800 Artikeln, sieben davon in PubMed gelistet
- circa 150 Kongresse mit 39 000 Beiträgen
- etwa 100 Forschungsberichte
Nutzung: etwa 700 000 Zugriffe durch Einzelnutzer jährlich
Auszeichnung: Im Oktober 2011 hat gms die Auszeichnung „Ausgewählter Ort im Land der Ideen“ im Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ als zukunftsweisende Initiative und maßgeschneidertes Angebot für die Wissenschaft erhalten.
Links: www.egms.de, http://twitter.com/GerMedSci
http://facebook.com/zbmed.gms
1. | Roesner E: Open Access Portale und ihre Etablierung am Markt. Die Entwicklung eines Geschäftsmodells für „German Medical Science“. Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft 2008; Bd. 230. www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h230 |
2. | Oldhafer K, et al.: Lehrfilm „Prävention postoperativer Wundinfektionen“ – ein Beitrag zur Qualitätssicherung des prä-, intra- und postoperativen Hygienemanagements. GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2009; 4(2): Doc03. http://dx.doi.org/10.3205/dgkh000128 |
3. | Stoor AM: Suchmaschine Medpilot: Schnelle und intuitive Literaturrecherche. Dtsch Arzte bl 2010; 107(34–35): A 1637. VOLLTEXT |