MEDIZIN: Zur Fortbildung
Differenzierte Therapie des Hallux valgus
;


Mehr als einhundert Operationsverfahren zur Korrektur des Hallux valgus wurden beschrieben, von
Osteotomien am Metatarsale I oder an der Grundphalanx bis zu Weichteileingriffen am
Metatarsophalangealgelenk der Großzehe. Einige dieser Verfahren wurden zeitweilig relativ undifferenziert
angewendet, so daß alle Patienten mit einem Hallux valgus mit der gleichen Operationstechnik behandelt
wurden. Erst in jüngerer Zeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß sich Art und Ausprägung der
Deformität bei verschiedenen Füßen unterscheiden. Dies ist Voraussetzung für eine sachgerechte Therapie des
Hallux valgus. Eine der vielen angegebenen Techniken wird ohne Frage geeignet sein, die jeweils vorliegende
Fehlstellung zu korrigieren. In der gegenwärtigen Zeit sind daher nicht neue Operationsverfahren gefragt.
Vielmehr müssen die Kriterien für die Wahl der Operationstechnik bei der jeweiligen Deformität konkretisiert
und standardisiert werden.
Natürlich kann kein noch so detaillierter Therapieplan die Erfahrung und die gründliche Abwägung des
operierenden Arztes ersetzen. Jede Therapie hat zum Ziel, eine normale Funktion der Großzehe und des
gesamten Fußes wiederherzustellen. Voraussetzung für eine Wiederherstellung der Funktion ist aber eine
möglichst genaue Rekonstruktion der normalen Anatomie. Vor der Wahl der Operationstechnik müssen daher
eine Reihe von Fragen geklärt werden. In welcher Art weicht der Hallux valgus von der normalen Anatomie
ab? Welches der zahlreichen Operationsverfahren ist am besten geeignet, die normale Anatomie
wiederherzustellen? Kann eine Wiederherstellung überhaupt erwartet werden, oder machen arthrotische
Veränderungen am Metatarsophalangealgelenk weniger ehrgeizige Behandlungsziele erforderlich?
Das hier gezeigte Behandlungsschema spiegelt die persönliche Erfahrung der Autoren wieder. Andere
Verfahren, die hier nicht aufgeführt sind, mögen in gleicher Weise zur Behandlung des Hallux valgus geeignet
sein. Voraussetzung ist jedoch, daß sie die jeweils vorliegende Deformität zielgerecht beseitigen.
Operationsindikation
Die Erfolgsaussichten einer Operation, die Operationstechnik, mögliche Komplikationen und die postoperative
Behandlung müssen mit dem Patienten diskutiert werden. Auch die Möglichkeit, den Hallux valgus nicht zu
operieren, muß erwähnt werden. Konservative Behandlungen wie Schienen, Einlagen oder Krankengymnastik
können die Deformität nicht korrigieren oder entscheidend verbessern. In der Regel führen folgende
Beschwerden zur Operationsindikation:
1 Ein schmerzhafter Großzehenballen wird durch eine nach medial gerichtete Pseudoexostose am MetatarsaleI-Köpfchen verursacht. Eine chronische Entzündung und Atrophie können zur Ulzeration führen. Verschiedene
Polsterungen oder eine Veränderung des Schuhwerks verschaffen nur vorübergehend Linderung.
1 Die große Zehe weicht nach lateral ab und dreht sich in vermehrte Pronation. Dies führt zu Druckgeschwüren
zwischen den Zehen, zu Hammer- und zu Krallenzehen mit entsprechenden Beschwerden. Oft kommen die
Patienten mit selbstgefertigten Polsterungen in die Sprechstunde, die allerdings nur vorübergehend eine
Beschwerdelinderung verschaffen.
1 Durch den Funktionsverlust der Großzehe beim Gehen verlagert sich die Belastung unter dem Fuß nach
lateral, meistens unter die Köpfchen der Metatarsale II und III. Klinisch bietet sich das Bild eines Spreizfußes.
Stehen Belastungsbeschwerden in dieser Region im Vordergrund, können Einlagen mit ausreichender
Mittelfußpelotte und mit einer Vorfußweichbettung zumindest vorübergehend zu einer Beschwerdelinderung
führen.
1 Eine Subluxation oder eine Arthrose im Metatarsophalangealgelenk der Großzehe führen zu Schmerzen in
diesem Gelenk bei Bewegung und beim Abrollen. Mit lokalen Antiphlogistika und mit Abrollhilfen läßt sich
wiederum nur eine kurzzeitige Beschwerdelinderung erreichen.
Kosmetische Aspekte spielen bei jedem Hallux-valgus-Patienten mehr oder weniger eine Rolle. Der Wunsch,
wieder eine normale Fußform zu erhalten, kann allein schon als Indikation zur Operation ausreichen.
Kontraindikationen
Eine ausreichende, periphere Blutversorgung ist die wichtigste
Voraussetzung für einen ungestör-ten, postoperativen Heilungsverlauf. Nicht selten besteht am Vorfuß bereits
eine Gefäßerkrankung, die sonst noch nicht in Erscheinung tritt. Zum präoperativen Gefäßstatus gehören in
jedem Fall die Palpation der A. tibialis posterior, der A. dorsalis pedis und der Befund der Hautdurchblutung.
Liegen Zeichen einer Minderdurchblutung vor, sind weiterführende Untersuchungen wie Doppler-Messungen
oder eine Angiographie notwendig. Ein Diabetes mellitus stellt an sich keine Kontraindikation zur Operation
dar. Die häufig mit dem Diabetes mellitus verbundene Mikroangiopathie muß aber bei der Indikationsstellung
berücksichtigt werden.
Komponenten des Hallux valgus
Präoperativ werden Belastungsaufnahmen des Vorfußes in zwei Ebenen angefertigt. Auf diesen Aufnahmen
wird die Art der Deformität mit verschiedenen Messungen bestimmt (18) (Grafik 1). Das wesentliche Merkmal
des Hallux valgus ist die Abweichung der Großzehe nach lateral. Diese Abweichung kann klinisch mit dem
Fußinnenrandwinkel oder dem Hallux-valgus-Winkel erfaßt werden. Röntgenologisch mißt man den Halluxvalgus-Winkel (HV) zwischen der Grundphalanx und dem Metatarsale I. Beim Hallux valgus beträgt er mehr
als fünf bis zehn Grad. Neben diesem Winkel müssen eine Reihe anderer Faktoren beachtet werden. Die
Divergenz zwischen den Metatarsalia I und II wird als Metatarsus primus varus bezeichnet. Normalerweise ist
der Intermetatarsalwinkel (IM) zwischen diesen beiden Knochen geringer als acht bis zehn Grad auf der
Belastungsaufnahme (36, 42, 57, 60).
Der Intermetatarsalwinkel läßt sich durch die Position der Sesambeine im Verhältnis zum MetatarsaleI-Köpfchen abschätzen (15, 57). Weicht der erste Strahl beim Metatarsus primus varus nach medial ab,
verbleiben die Sesambeine in unverändertem Abstand zum Metatarsale-II-Köpfchen. Das Korrekturergebnis
nach der Operation kann anhand der Rezentrierung der Sesambeine unter dem Metatarsale-I-Köpfchen
beurteilt werden. Der Winkel zwischen der distalen Gelenkfläche (DGW) des Metatarsale I und einer
Senkrechten zur Schaftachse des Metatarsale I wird auf der anteroposterioren Belastungsaufnahme gemessen
(Abbildung 1). Normal ist eine Neigung der Gelenkfläche um weniger als zehn Grad nach lateral. Bei Halluxvalgus-Patienten kann die laterale Kippung 30 und mehr Grad betragen.
Normalerweise beträgt der Winkel zwischen der proximalen Gelenkfläche (PGW) der Grundphalanx und der
Senkrechten zur Schaftachse weniger als zehn Grad. Ist der Winkel vergrößert, spricht man von einem Hallux
valgus interphalangeus.
Beim Hallux valgus besteht oft eine Subluxation des Metatarsophalangealgelenks nach lateral, die sich auf der
anteroposterioren Belastungsaufnahme besonders deutlich zeigt. Sie führt zur Fehlbelastung und zur
Instabilität. Das Ausmaß der Subluxation wird ermittelt, indem man die Ränder der Gelenkflächen am
Köpfchen des Metatarsale I und an der Grundphalanx mit Punkten markiert (Abbildung 2). Bei einem Hallux
valgus ohne Subluxation des Metatarsophalangealgelenks ist der distale Gelenkflächenwinkel in der Regel
vergrößert.
Bei älteren Patienten besteht gleichzeitig zum Hallux valgus häufig eine Arthrose des
Metatarsophalangealgelenks. Sie verursacht belastungsabhängige Schmerzen, insbesondere während der
Abstoßphase beim Gehen. Das Bewegungsausmaß des Gelenks ist meist vermindert, manchmal ist eine
Krepitation bei Bewegung tastbar. Röntgenologisch bestehen eine Gelenkspaltverschälerung, Osteophyten und
eine Sklerosierung des subchondralen Knochens.
Operationsverfahren
Die geeignete Operationstechnik bei Hallux valgus wird nach einer Reihe von Befunden ausgewählt, die mit
einem Therapieschema erfaßt werden können (Grafik 1).
Weichteileingriffe zur Korrektur der Großzehenstellung wurden zuerst im angloamerikanischen Schrifttum
beschrieben. Silver (49) kombinierte die Resektion der Pseudoexostose am Metatarsale-I-Köpfchen mit einem
Release der Sehne des M. adductor hallucis. Die Gelenkkapsel wurde lateral entfächert und medial gerafft.
Dieses Verfahren wurde später mehrfach modifiziert (17, 36, 37, 60), wobei teilweise das fibulare Sesambein
reseziert (37) und das Lig. metatarsale transversum durchtrennt wurden (36).
Beim distalen Weichteileingriff wird die Sehne des M. adductor hallucis zunächst scharf von ihrer knöchernen
Insertion an der Grundphalanx abgelöst (Abbildung 3). Anschlie-ßend wird das tiefe, transverse
Metatarsalligament, das unmittelbar plantar zur Adduktorensehne liegt (51), scharf durchtrennt. Die
kontrahierte Kapsel des Metatarsophalangealgelenks wird lateral gelöst. Medial wird durch eine Längsinzision
die Gelenkkapsel mit einem vertikalen Schnitt etwas proximal zum Gelenkspalt eröffnet. Hier wird die
Pseudoexostose am Metatarsale-I-Köpfchen mit einem Meißel abgesetzt. Anschließend wird ein
fünf bis zehn Millimeter breiter, vertikaler Kapselstreifen reseziert, so daß die Großzehe nach der Kapselnaht
in achsengerechter Stellung gehalten wird.
Dieses Verfahren ist allein nur erfolgreich, wenn kein Metatarsus primus varus von mehr als 10 bis 15 Grad
vorliegt. Andernfalls muß gleichzeitig eine Osteotomie an der Basis des Metatarsale I erfolgen. Ein
postoperativer Redressionsverband und ein Verbandsschuh mit verstärker Sohle werden bis sechs Wochen
postoperativ beibehalten. Der Fuß kann voll belastet werden.
Eine Kippung der Gelenkfläche am Metatarsale-I-Köpfchen nach lateral wird durch eine Osteotomie im
distalen Metaphysenbereich korrigiert. Retrokapitale Osteotomien des Metatarsale I wurden zuerst von Ludloff
(33) vorgestellt. In Europa fanden die Hohmann-Osteotomie und die Kramer-Osteotomie weite Verbreitung.
Bei der Hohmann-Osteotomie wird etwas proximal zum Metatarsale-I-Köpfchen ein Knochenkeil mit nach
medial und plantar gerichteter Basis entfernt (10, 22, 43, 47, 61, 62). Hohmann verzichtete ursprünglich auf
eine innere Fixierung und behandelte postoperativ im Gips. Heute wird die Großzehe überwiegend mit
Kirschnerdrähten stabilisiert, und die Patienten können den Fuß in einem Fersenschuh belasten. Kramer (26,
28, 47, 61, 62) legt eine Osteotomie an gleicher Stelle und im rechten Winkel zur Schaftachse. Proximal zu
dieser Osteotomie wird ein medialbasiger Keil entnommen, dessen Winkel der Valgusfehlstellung der
Großzehe entspricht. Das distale Fragment wird nach lateral und plantar verschoben und mit einem
Kirschnerdraht fixiert, der neben dem Knochen durch die Weichteile der Großzehe und intraossär eingebracht
wird. Die Chevron-Osteotomie (Abbildung 4, Grafik 2) wurde zunächst von Austin und Leventen (2) und von
Corless (11) beschrieben. Durch einen medialen Hautschnitt wird ein nach proximal geöffneter, V-förmiger
Knochenschnitt mit Zentrum in der Mitte des Metatarsale-I-Köpfchens gelegt. Das Kopffragment wird nach
lateral verschoben. Eine innere Fixierung mit Schraube oder Draht, auf die von den Erstbeschreibern verzichtet
wurde, ist heute allgemein gebräuchlich. Die Chevron-Osteotomie wurde bislang
nur für geringe bis mäßige Hallux-valgus-Deformitäten empfohlen (Hallux-valgus-Winkel, 30 Grad,
Intermetatarsalwinkel, 12 Grad). Durch zwei Modifikationen wurde der Indikationsbereich in den letzten
Jahren erweitert: 1. Mann (35) entfernt einen medialbasigen Knochenkeil, durch den die Ausrichtung der
Gelenkfläche des Metatarsale-I-Köpfchens korrigiert wird; 2. Cracchiolo (12) plaziert die Schenkel des
V-förmigen Sägeschnitts asymmetrisch, was die Fixierung der Fragmente erleichtert. Mit diesen
Modifikationen kann die Chevron-Osteotomie auch bei stärkerer Deformität eingesetzt werden. Zahlreiche
andere Techniken zur Korrektur des distalen Gelenkflächenwinkels wurden beschrieben (4, 5, 6, 13, 19, 20, 21,
34).
Ein vergrößerter Intermetatarsalwinkel wird durch eine basisnahe Osteotomie des Metatarsale I korrigiert
(Abbildung 5) (3, 9, 29, 35, 37, 44, 48, 53, 55, 60). Sie erfolgt in der Regel in Kombination mit einem
distalen Weichteileingriff (siehe oben). Die Osteotomie wird mit einer Schraube fixiert. Postoperativ kann der
Fuß voll belastet werden. Ein Verbandsschuh wird bis sechs Wochen postoperativ getragen. Bei leichter
Varusfehlstellung des Metatarsale I (Intermetatarsalwinkel unter 10 bis 15 Grad) können gelegentlich auch
kräftige Raffnähte zwischen der Kapsel des ersten und des zweiten Metatarsophalangealgelenks zur Korrektur
des Metatarsus primus varus ausreichen.
Eine erhebliche Achsenabweichung der Grundphalanx zur Gelenkfläche des Metatarsophalangealgelenks ist
weniger häufig und wird durch eine Osteotomie der Grundphalanx korrigiert (1, 50), gegebenenfalls in
Kombination mit anderen Eingriffen zur Korrektur der Großzehenstellung. Die Resektionsarthroplastik des
Metatarsophalangealgelenks wurde ursprünglich von Keller (24), von Brandes (7) und anderen Autoren (14,
31) angegeben. Die Resektionsarthroplastik ist ein bewährtes Verfahren für Patienten nach dem 60. Lebensjahr.
Zusätzlich zur Verkürzung der Großzehe wird jedoch die Kraftentwicklung, insbesondere bei Abstoßung nach
plantar, deutlich geschwächt. Bei jüngeren Patienten muß diese Technik daher sehr zurückhaltend gebraucht
werden (16, 25, 41, 52, 54, 56). Das proximale Drittel des Grundglieds wird entfernt. Ein gestielter
Weichteillappen wird in den Resektionsspalt eingeschlagen. Eine Fixierung mit einem durch die Großzehe
eingebrachten Kirschnerdraht über zwei Wochen wird empfohlen.
Ergebnisse
Im Patientengut der Autoren (58) konnte bei 39 Füßen durch einen distalen Weichteileingriff, gegebenenfalls
mit Basisosteotomie des Metatarsale I, der Hallux-valgus-Winkel von 35,2 Grad auf 13,4 Grad korrigiert
werden, der Intermetatarsalwinkel von 16,5 auf 9,0 Grad. 87 Prozent der Patienten waren zufrieden. Zhuber
und Salzer (60) berichteten über 32 Füße mindestens ein Jahr nach dem gleichen Verfahren. Durch eine
Basisosteotomie konnte der Intermetatarsalwinkel in allen Fällen korrigiert werden. Nur ein Patient war mit
dem Ergebnis unzufrieden. Mann et al. (35) berichteten über Ergebnisse nach distalem Weichteileingriff mit
Basisosteotomie des Metatarsale I. In diesem Klientel waren 93 Prozent der Patienten zufrieden. Schlechte
Ergebnisse beruhten auf Schmerzen im Metatarsophalangealgelenk und auf einer verbleibenden Deformität.
Bei 76 Prozent der Patienten wurde der Hallux-valgus-Winkel auf 16 Grad oder weniger korrigiert.
Mit der Chevron-Osteotomie wurden bei über 80 Prozent der Patienten gute und sehr gute Ergebnisse erzielt
(23, 30). Der Hallux-valgus-Winkel konnte im Mittel um 13 bis 15 Grad korrigiert werden.
Diskussion
Der Hallux valgus ist eine komplexe Deformität, bei der mehr als nur die Abweichung der Großzehe nach
lateral eine Rolle spielt. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Hallux valgus können nicht mit nur
einer einheitlichen Operationstechnik behandelt werden. Die große Zahl von unterschiedlichen
Operationstechniken spiegelt eher die Schule des jeweiligen Urhebers als einen differenzierten Therapieansatz
wider. Hallux-valgus-Patienten unterscheiden sich im Hinblick auf die Deformität, das Alter, den Zustand der
Gelenkflächen und die Erwartungen von der Operation. Unterschiedliche Patienten bedürfen auch einer
angepaßten, differenzierten Therapie. Wird ein Verfahren zwar technisch korrekt, aber bei falscher Indikation
angewendet, kann dies zu einer noch größeren Abweichung von der normalen Anatomie führen. Die möglichst
genaue Rekonstruktion der normalen Anatomie ist aber Voraussetzung für eine dauerhafte Wiederherstellung
der Funktion des Fußes.
Die präoperative Diagnostik, die für eine differenzierte Therapie des Hallux valgus notwendig ist, ist nicht
aufwendig oder teuer.
Neben einer ausführlichen Anamneseerhebung und klinischen Untersuchung sind lediglich Röntgenaufnahmen
in zwei Ebenen unter Belastung notwendig. Hier können alle Messungen vorgenommen werden, die für die
Wahl der Operationstechnik von Bedeutung sind.
Operationen, bei denen das erste Metatarsophalangealgelenk geopfert wird, müssen streng indiziert werden.
Dies gilt insbesondere für die Resektionsarthroplastik. Kein anderes Gelenk des menschlichen Körpers wird so
häufig reseziert wie das Metatarsophalangealgelenk, und nirgendwo sonst am menschlichen Skelett wird ein
Gelenk nur wegen einer Achsenfehlstellung entfernt.
Obwohl eine Rekonstruktion der normalen Vorfußanatomie insbesondere bei jüngeren Patienten in aller Regel
möglich ist, finden sich in Spezialsprechstunden immer wieder junge Patienten mit stark verkürzter,
schmerzhafter Großzehe nach Resektionsarthroplastik. Diesen Patienten kann in der Regel nur mit
aufwendigen Rekonstruktionsmaßnahmen weitergeholfen werden.
Endoprothesen des ersten Metatarsophalangealgelenks gehören nicht zur Therapie des Hallux valgus. Der
Ersatz des Gelenks allein korrigiert die Fehlstellung der Großzehe nicht. Anders als an der Hüfte und am Knie
ist der Gelenkersatz langfristig schon bei achsengerechten Großzehen nur wenig erfolgreich (27, 32, 45). Die
Fehlstellung des Gelenks beim Hallux valgus vermindert die Erfolgsaussichten noch weiter.
Postoperativ darf eine übermäßige Immobilisation dem Ziel einer raschen Rehabilitation nicht im Wege stehen.
Vollbelastung des Fußes in einem Verbandsschuh mit besonders versteifter Sohle ist nach Operationen an der
Großzehe die Regel. Dies vermindert die postoperative Atrophie und Bewegungseinschränkung.
Die Erwartungshaltung des Patienten muß bei der Wahl der Therapie berücksichtigt werden. Wenn sich
übertriebene Erwartungen nicht korrigieren lassen, sollte von einer Operation Abstand genommen werden.
Dies betrifft insbesondere das Schuhwerk, das der Patient nach der Operation tragen kann. Zu enge Schuhe mit
hohen Absätzen spielen bei der Pathogenese des Hallux valgus eine wichtige Rolle. Der Patient muß verstehen,
daß solche Schuhe auch nach erfolgreicher Operation nicht regelmäßig getragen werden dürfen.
Die Entscheidung zur Therapie berücksichtigt auch, wie invasiv jede einzelne Maßnahme ist. Dies betrifft die
Länge des Hautschnitts, die Operationszeit, die postoperative Immobilisation und Belastbarkeit und den
Zeitraum bis zur vollständigen Rehabilitation. Eine Regionalanästhesie ist für Vorfußeingriffe in der Regel
ausreichend. Manche Eingriffe können auch ambulant durchgeführt werden, wenn eine ausreichende
Nachsorge gewährleistet ist.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1996; 93: A-1111–1115
[Heft 17]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck,
anzufordern über die Verfasser.
Anschrift für die Verfasser:
PD Dr. med. Nikolaus Wülker
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule
Hannover im Annastift e. V.
Postfach 61 01 72
30625 Hannover
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