MEDIZIN: Übersichtsarbeit
Epibulbäre Drainage-Implantate – Stellenwert in der Glaukomchirurgie
Current status of epibulbar anti-glaucoma drainage devices in glaucoma surgery
Hintergrund: Der Begriff Glaukom umfasst eine heterogene Gruppe von progredient verlaufenden Optikopathien, die von charakteristischen Gesichtsfelddefekten begleitet werden, wobei die häufigste Form das primäre Offenwinkelglaukom (POWG) darstellt. Das POWG verläuft schleichend und führt unbehandelt zur Erblindung. Die Senkung eines individuell erhöhten Augeninnendrucks stellt derzeit die einzige mögliche Therapie dar. Die operative Versorgung von Glaukompatienten schließt die Verwendung sogenannter Glaukom-Drainage-Implantate ein.
Methode: Selektive Literaturrecherche unter Berücksichtigung aktueller nationaler und internationaler Leitlinien
Ergebnisse: Aktuell findet ein Paradigmenwechsel für die Indikation von Glaukom-Drainage-Implantaten statt. Die Trabekulektomie (ein fistulierender Eingriff, bei dem das Kammerwasser unter die Bindehaut geleitet wird) gilt nach wie vor als Goldstandard der operativen Therapie. Studien haben bewiesen, dass die Erfolgsquote der Implantate steigt, je früher sie in der operativen Versorgung Anwendung finden. Eine viel beachtete Studie ist die „Tube versus Trabeculectomie Study (TVT)“, deren Fünf-Jahres-Follow-up-Daten vorliegen. Diese randomisierte Multicenterstudie konnte zeigen, dass Glaukom-Drainage-Implantate in Bezug auf langfristige Augeninnendrucksenkung, Komplikationsraten und Erfolg der Trabekulektomie ebenbürtig sind.
Schlussfolgerungen: Das Glaukom stellt ein großes klinisches und sozioökonomisches Problem dar. Bei Glaukomoperationen erlangen Glaukom-Drainage-Implantate mehr und mehr Bedeutung.


Das Glaukom ist eine der bedeutsamsten Erblindungsursachen in der industrialisierten Welt. Es handelt sich um eine sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen, die sich von kongenitalen Glaukomen bei jungen Säuglingen bis zum primären Offenwinkelglaukom spannt, das eine steigende Inzidenz mit dem Alter zeigt (1). Definitionsgemäß handelt es sich um eine langsam fortschreitende Optikusatrophie, wobei der intraokulare Druck (IOD) erhöht sein kann, aber nicht muss (Abbildung 1). Das zahlenmäßig am häufigsten anzutreffende primäre Offenwinkelglaukom, das als sogenannte Alterserkrankung gelten darf, wird aufgrund der demografischen Entwicklung in der Zukunft stark ansteigen. Es werden also mehr und mehr Patienten zu versorgen und zu operieren sein. Die Gesamtprävalenz beträgt derzeit 1,5 % in der Bevölkerung über 40 Jahren, bei den über 70-Jährigen liegt die Inzidenz bei über 3,5 %. Das sind allein in Deutschland über 350 000 Menschen, die am Glaukom erblindet oder schwer sehbehindert sind. 15 % aller Neuerblindungen gehen auf das Glaukom zurück (1). Die Altersentwicklung der Bevölkerung wird dazu führen, dass im Jahr 2030 über 900 000 Glaukomkranke zu betreuen sein werden. Man kann dann mit 60 000 Neuerkrankungen pro Jahr rechnen und es werden 30 % mehr Blinde oder Sehbehinderte in der Gesellschaft existieren (1, 2). Damit hat die Glaukomerkrankung auch ein sozioökonomisches Gewicht.
Obwohl in den letzten Jahren in Bezug auf Neuroprotektion und Durchblutungsgenese der Glaukomerkrankung intensiv geforscht worden ist, bleibt der Augeninnendruck der einzige Risikofaktor, der einer medikamentösen und operativen Therapie zugänglich ist (3). Die Notwendigkeit einer effektiven Drucksenkung ist durch Langzeitstudien belegt, und die individuelle Festlegung eines Zieldruckes, bei dem eine Progression der Erkrankung unwahrscheinlich ist, hat einen festen Platz in den Leitlinien zur Behandlung des Glaukoms gefunden (2, 4). Gerade die in den letzten Jahren publizierte Langzeitstudie AGIS (Advanced Glaucoma Intervention Study) konnte dies in einem Nachuntersuchungszeitraum von sieben Jahren belegen (5). Patienten mit einem Augeninnendruck unter 15mmHg hatten in dieser Studie im Schnitt keine Progression des Gesichtsfeldschadens. Obwohl die medikamentöse Behandlung des Glaukoms die erste Säule der Therapie darstellt, müssen eine beträchtliche Anzahl von Glaukompatienten operiert werden. Eine Ausnahme in Bezug auf die primäre medikamentöse Behandlung stellen die kongenitalen Glaukome dar, die primär zunächst operativ versorgt werden. Die Gründe hierfür sind verschieden. Als erstes sind hier mangelhafte Compliance und Adhärenz zu nennen (6). Weiterhin können Nebenwirkungen von Augentropfen bestehen und Allergien hervorgerufen werden. Für eine ganze Reihe von Patienten bestehen Kontraindikationen und Unverträglichkeiten, zum Beispiel eingeschränkter Einsatz von Betablockern bei Asthma und Herzrhythmusstörungen. Eine Unerreichbarkeit des Zieldruckes mit einer nachgewiesenen Progression trotz medikamentöser Therapie kann ebenfalls eine Indikation für ein operatives Vorgehen sein. Etwa 20 % der Patienten benötigen innerhalb der langjährigen Krankheitsverläufe eine Operation, weitere 13 % sogar am Partnerauge. Damit wird bei einer weiteren Zunahme der älteren Bevölkerungsschichten auch die Anzahl der Glaukomoperationen deutlich zunehmen. Bei langen Erkrankungsdauern von oft Jahrzehnten spiegeln sich die Erfolge beim Gesichtsfelderhalt in (chirurgischen) Glaukomstudien oft nicht wieder oder können nicht wirklich erfasst werden.
Dieser Übersichtsartikel soll einen Überblick über die bei Glaukomoperationen einsetzbaren epibulbären Glaukom-Drainage-Implantate geben. Es zeichnet sich für die Verwendung der Glaukom-Drainage-Implantate derzeit ein Paradigmenwechsel ab, der auf publizierten klinischen Studien beruht. Es sollen bisherige klinische Erfolge gegen die Komplikationen gegenübergestellt und mögliche zukünftige Entwicklungen und Verbesserungen aufgezeigt werden.
Pathogenese des Glaukoms ungeklärt
Die wirkliche Ursache des oft erhöhten Augeninnendrucks beim Glaukom ist immer noch nicht abschließend geklärt; es werden sowohl IOD gewichtete Faktoren wie auch eine gestörte Durchblutung angenommen.
In den meisten Fällen handelt es sich bei den meisten Glaukomformen um sogenannte Abflussstörungen. Dabei besteht ein Abflusswiderstand im Trabekelmaschenwerk, das dem Schlemm-Kanal vorgelagert ist.
Nach der Passage des Kammerwassers durch das Trabekelmaschenwerk gelangt es normalerweise in den Schlemm-Kanal, der das im Ziliarkörper sezernierte Kammerwasser dann in die Kollektorkanäle und die episkleralen Venen ableitet. Auf der Höhe des Trabekelmaschenwerkes ist physiologischerweise der größte Abflusswiderstand, der beim Glaukompatienten nochmals erhöht ist (7).
Glaukomchirurgische Verfahren versuchen:
- entweder die Sekretion von Kammerwasser zu minimieren (die zyklodestruktiven Verfahren am Ziliarkörper durch Laserenergie oder Kryoeinwirkung)
- oder aber den Widerstand im Trabekelmaschenwerk zu umgehen oder ihn zu minimieren, um einen stärkeren Kammerwasserfluss aus dem Auge zu gewährleisten.
Letzteres wird durch die Trabekulektomie und auch durch die Glaukom-Drainage-Implantate erzielt. Das Kammerwasser gelangt dadurch in einen eigentlich unphysiologischen Raum zwischen Tenon und Sklera des Auges und fließt in die tieferen Venenplexus der Orbita ab. Die Bildung eines außerhalb des Auges gelegenen Sickerkissens ist beiden Operationen gemeinsam und mündet damit in eine möglicherweise problematische Endstrecke: die überschießende Wundheilung im Bereich des Sickerkissens.
Historisches zu den Glaukom-Drainage-Implantaten
Die Idee, künstliches Material zu benutzen, um Kammerwasser aus dem Auge herauszuleiten, ist schon alt. Sie begann mit Verwendung von Gold-Seidenfäden in der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Im Jahr 1969 entwickelte Molteno das erste aus Silikon und Polypropylen bestehende System, das ein Jahr später seine Markteinführung hatte (8). Er entwarf den bis heute gängigen Grundtyp der Glaukom-Drainage-Systeme, eine Basisplatte, die episkleral fixiert wird und mit einem Schlauch (tube) verbunden ist.
Dieser dünne Schlauch aus Silikon verbindet die Basisplatte mit dem Augeninneren und sorgt für die Ableitung des Kammerwassers aus dem Auge heraus (Abbildung 2). Über der Basisplatte bildet sich in der Regel eine Zyste oder ein Sickerkissen, das das Kammerwasser aufnehmen kann und dann in die tieferen Schichten der Orbita ableitet. Bei den ersten Modellen (Molteno und Baerveldt) gab es keinen Ventilmechanismus, während ab dem Jahr 1993 mit dem Ahmed-Drainage-Implantat ein System mit Ventilmechanismus hinzukam.
Basisplatten und Schläuche aus Silikon
Die Glaukom-Drainage-Implantate verfügen heute fast ausnahmslos über eine kleine Basisplatte aus Silikon unterschiedlicher Stärke und Größe und einen dünnen Silikonschlauch. In jüngster Zeit kamen auch Modelle mit einem Ventilmechanismus hinzu (9).
Bei den Systemen ohne Ventil oder Abflussbegrenzung wird in der Regel der Schlauch intraoperativ durch einen resorbierbaren Faden ligiert oder das Lumen zusätzlich durch einen Prolenefaden okkludiert, so dass es erst nach einigen Wochen zu der gewünschten Drucksenkung kommt.
In Bezug auf die Materialien der Basisplatte hat sich in den letzten Jahren Silikon durchgesetzt, weil klinische Studien belegen konnten, dass Polypropylen als Material für die Basisplatte einerseits eine deutlichere Wundreaktion und Abkapselungsrate aufwies und andererseits von der Handhabung schwieriger war als das weichere und flexiblere Silikon (10, 11).
Im Hinblick auf die sehr komplizierten Verläufe, die bei Kindern mit der klassischen Glaukomchirurgie auftreten können, bieten die Hersteller Kindergrößen an, die über kleinere Basisplatten verfügen. Die Dicke der Basisplatte, die Dimensionen des Ventilmechanismus und des Schlauches sind jedoch mit denen der Erwachsenenmodelle identisch. In der Regel wird der Schlauch in die Vorderkammer implantiert (Abbildung 3).
Studienlage
Bei der Bewertung der Studienlage zu den einzelnen Modellen – sowohl einzeln als auch der Modelle untereinander – ist es empfehlenswert, darauf hinzuweisen, dass die Glaukom-Drainage-Implantate insbesondere kurz nach ihrer Markteinführung zunächst komplizierten und meist mehrfach voroperierten Augen vorbehalten waren (12, 13). Diese Vorsicht den Systemen gegenüber besteht auch noch heute, insbesondere in Europa. Sie hängt auch zusammen mit dem relativ hohen Preis, der im Einkauf bei etwas über 800 Euro liegt. Wichtiger ist jedoch, dass die relative und absolute Erfolgsrate zunächst sehr schlecht war und die Rate der Komplikationen wie auch der Re-Operationen oder gar Enukleationen relativ hoch. Die Anzahl der Voroperationen wie auch die der vorher stattgehabten zyklodestruktiven Eingriffe hat einen direkten Bezug zu der Rate der Abkapselung und zum Langzeiterfolg der Systeme (14). Erst in jüngster Zeit konnte nachgewiesen werden, dass die Systeme umso erfolgreicher sind, je zeitnaher sie implantiert werden (15, 16). In diesem Zusammenhang misst sich der Erfolg an effektiver Drucksenkung und geringer Rate von Wiederholungseingriffen und postoperativen Komplikationen. Beim Vergleich von zwei verschiedenen Glaukom-Drainage-Systemen (ventilgestütztes Ahmed und ventilloses Baerveldt) fanden Budenz et al. in einer kürzlich veröffentlichten randomisierten Studie keine wesentlichen Unterschiede im 1-Jahres-Nachuntersuchungszeitraum (17). Alle anderen Studien zu den Glaukom-Drainage-Systemen sind retrospektiv angelegt und deshalb von ihrer Aussagekraft deutlich eingeschränkt. Eine von Syed et al. publizierte Fall-Kontroll-Studie aus dem Jahr 2004 fand zwischen den beiden Systemen Ahmed und Baerveldt keine signifikanten Unterschiede, jedoch waren die Augeninnendrücke nach einem Jahr Anwendung beim Ahmed-System etwas höher. In dieser Studie fiel die ungewöhnlich hohe Rate an Komplikationen auf; jeweils 9 % in beiden Gruppen. Diese hohe Rate könnte ein Hinweis darauf sein, dass eine komplizierte Ausgangssituationen vorgelegen hat (18).
„Tube“ versus Trabekulektomie-Studie (TVT)
Die klinische Studienlage hat sich in der letzten Zeit insbesondere durch den Vergleich zwischen der fistulierenden Trabekulektomie und der Implantation des Baerveldt-Implantates ergeben; der sogenannten TVT (Tube versus Trabeculectomy Study). Hier wurde das Glaukom-Drainage-Implantat als Erst- oder Zweiteingriff randomisiert zugeordnet – oder eben eine Trabekulektomie (15). Die Studie war multizentrisch angelegt und es wurden insgesamt 212 Augen von 212 Patienten in die Studie eingeschlossen. Die Patienten durften vorher eine Kataraktoperation erhalten haben oder eine Trabekulektomie. Das bedeutet, dass Patienten das künstliche Drainage-Implantat als operative Erstbehandlung des Glaukoms erhalten konnten. Hiermit wurde den künstlichen Drainage-Systemen durch die Vermeidung einer langen Anzahl von Voroperationen eine bessere Erfolgschance gegeben. Die Daten dieser Studie belegen auf eindrucksvolle Weise, was im klinischen Alltag bereits vermutet worden war: eine Implantation bei weit fortgeschrittenen Befunden als „ultima ratio“ gibt den Systemen eine denkbar schlechte Ausgangssituation und damit eine hohe Versagerquote. In der Tabelle sind die wesentlichen Daten dieser Studie zusammengefasst. Grundsätzlich waren die Glaukom-Drainage-Systeme dem Standardverfahren Trabekulektomie ebenbürtig (Drucksenkung, Komplikationsrate und Versagerquote), wenn auch nach einem Jahr zur Erzielung des Zieldrucks bei den künstlichen Systemen etwas mehr Medikamente notwendig waren (1,3 versus 1,0 Medikamente in der Trabekulektomie Gruppe). Die Fünf-Jahres-Daten sind insgesamt viel versprechend (16). Sie konnten neben der Ebenbürtigkeit der Wirksamkeit der Augeninnendrucksenkung eine geringere Versagerquote (probability of failure) für die Glaukom-Drainage-Implantate nachweisen. Für die Erzielung der korrekten Augeninnendrucklage war nach fünf Jahren bei den Trabekulektomien zwar eine geringere Anzahl an Medikamenten nötig (1,2 versus 1,4 in der „tube“-Gruppe), jedoch waren die Versagerquote und die Rate an Reoperationen bei der Trabekulektomie deutlich höher.
Komplikationen und Abkapselung
Trotz der hohen Erfolgsquote raten dennoch viele Chirurgen zur Vorsicht. Das Spektrum der Komplikationen ist vielschichtig und richtet sich auch stark nach der jeweiligen Ausgangssituation der Augen (19). Die postoperative Bulbushypotonie ist eine gefürchtete Frühkomplikation, ihre Häufigkeit betrug in der hier vorgestellten TVT-Studie 16 %. Ihr kann jedoch effektiv mit geeigneten chirurgischen Maßnahmen wie Schlauchligatur oder Schlauchstents begegnet werden. Die Systeme, die mit einem Ventil ausgerüstet sind, haben bei korrekter Implantation eine geringere Hypotonierate, zeigen aber im Schnitt etwas höhere Drucklagen im Langzeitverlauf.
Eine relativ selten vorkommende Komplikation (in der Literatur mit 2–3 % angegeben) ist die Schlaucherosion. Hierbei kommt es zur Schlauchdurchwanderung durch die oft schon sehr dünne Bindehaut im Bereich des Übergangs Sklera/Hornhaut. Dies kam übrigens auch bei 4 Patienten (von 107) im Rahmen der TVT-Studie vor. Sie ist eine ernst zu nehmende Komplikation und bedarf sofortiger chirurgischer Revision. Eine Superinfektion und Endophthalmitis können sich aus solch einer Situation entwickeln, die potenziell organbedrohend ist. Ein bisher immer noch ungelöstes Problem stellt die unkontrollierte Wundheilung dar, die derart ausgedehnt sein kann, dass die Funktionstüchtigkeit der Implantate eingeschränkt ist und der Augeninnendruck wieder ansteigt (Abbildung 4).
Die Rate der Abkapselung wird in der Literatur stark unterschiedlich angegeben. Angaben schwanken zwischen 4 und 30 %. Die fibrovaskuläre Kapsel, die sich als Reaktion der Tenon auf den Silikonfremdkörper bildet, ist klinisch-histologisch gut untersucht worden (20). Im Wesentlichen beginnen Tenon-Fibroblasten zu differenzieren und sich zu kontraktilen Myofibroblasten umzuwandeln. Eine Vermehrung von Kollagenen und Extrazellulärmatrix wird ebenso beobachtet wie die Ausbildung einer zum Implantat gerichteten epithelartigen Schicht, die letztendlich impermeabel für Kammerwasser ist. Das in diese Zyste geleitete Kammerwasser wird nicht in ausreichendem Masse resorbiert, staut sich zurück, und der Augeninnendruck beginnt wieder zu steigen. Prädisponierende Faktoren für diese Abkapselungen sind sicher:
- Anzahl der Voroperationen
- Alter des Patienten
- Zeitpunkt des Kontaktes der Zyste/Basisplatte mit Kammerwasser
- individuelle Höhe von Wachstumsfaktoren im Kammerwasser
- Erfahrung des Operateurs mit den Systemen.
Ein weiterer, bisher wenig beachteter Grund für Abkapselung ist die Oberflächenbeschaffenheit der Basisplatten selbst (21). Diese weist je nach Typ und Hersteller eine Oberflächenrauigkeit auf, die das Anheften von Tenonfibroblasten unmittelbar nach der Implantation begünstigt. Faktoren wie Shearstress, bedingt durch Verschiebung der Tenon über der Basisplatte bei Bewegungen des Bulbus, könnten eine weitere Rolle spielen (22).
Die Steuerung dieser Wundheilung ist immer noch ein ungelöstes Problem. Zukünftige Glaukom-Drainage-Implantate werden den Abkapselungsproblemen begegnen müssen (Abbildung 4). Krankheitsverläufe von vielen Jahren, manchmal von Jahrzehnten im Falle von betroffenen Jugendlichen und Kindern, stellen an die Erfolgsraten der Glaukom-Drainage-Implantate (aber auch der gängigen operativen Methoden) hohe Anforderungen. Die neuere Forschung geht in die Richtung, die Basisplatte, die bei jedem Implantationsvorgang obligatorisch Verwendung finden muss, als Werkzeug zur Steuerung der Wundheilung zu benutzen. Hierzu könnte die Oberfläche spezifisch modifiziert werden (23). Dies kann prinzipiell durch verschiedene Mechanismen geschehen:
- Veränderung der Oberflächentopographie: Viele der heute verwendeten Basisplatten haben bereits eine sehr glatte Oberfläche. Auch ist bei der chirurgischen Entfernung der Kapseln keine sichtbare Adhärenz zwischen Basisplatte und Zystenwand feststellbar. Gleichwohl sollte die Oberfläche flach und glatt sein. Einige Modelle (besonders solche mit Ventil) weisen auch heute noch eine große Bauhöhe und Oberflächenrauigkeit auf. Erreichbar wäre die Modifizierung der Oberfläche durch eine chemische Modifikation des Silikons, wobei zurzeit die genaue Zusammensetzung der verwendeten Silikone eine unbekannte Größe darstellt.
- Beschichtung der Basisplatte: Denkbar ist hier die Beschichtung der Basisplatten mit antiproliferativen Substanzen oder ein antiadhäsives „Coating“. Diese Forschung befindet sich an der Schnittstelle von zellkulturbasierter und materialwissenschaftlicher Laborarbeit. Erste Daten weisen darauf hin, das der Wirkstoff Paclitaxel, der auch in Koronarstents Verwendung findet, einen Lösungsansatz bieten könnte (24).
Über 40 Jahre nach der Einführung des grundlegenden Basismodells für Glaukom-Drainage-Implantate durch Molteno 1969 hat eine beständige Weiterentwicklung stattgefunden. Sie führte zu einer breiteren Vielfalt der Modelle und Materialien. Parallel dazu wurden die mikrochirurgischen Techniken verfeinert und optimiert. Die Entwicklung der Glaukom-Drainage-Implantate ist noch nicht abgeschlossen. Es ist zu vermuten, dass sie eine ähnliche „Evolution“ durchlaufen, wie es über viele Jahrzehnte auch bei der Entwicklung der Intraokularlinse zu beobachten war. Fernziel heutiger Forschung ist die Entwicklung eines Glaukom-Drainage-Implantates, das wundmodulatorisch wirksam ist und schwere fibrovaskuläre Abkapselung inhibiert. Dies ist insbesondere für den Einsatz bei den schwer therapierbaren kindlichen Glaukomen von hoher klinischer Relevanz.
Danksagung
Die in diesem Artikel zitierten Grundlagenarbeiten des Autors wurden möglich gemacht durch die Unterstützung der BiomaTiCS Forschergruppe (Mainz-Universitätsmedizin).
Interessenkonflikt
PD Thieme erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von MSD. Des Weiteren erhielt er Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten sowie Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen von Rayner Surgical GmbH, Hoya Surgical GmbH und MSD Sharp & Dohme.
Manuskriptdaten
eingereicht: 18. 10. 2011, revidierte Fassung angenommen: 26. 3. 2012
Anschrift für die Verfasser
PD. Dr. med. Hagen Thieme
Augenklinik und Augenpoliklinik
Universitätsmedizin, Gebäude 102
Langenbeckstraße 1
55101 Mainz
thieme@unimedizin-mainz.de
Zitierweise
Thieme H: Current status of epibulbar anti-glaucoma drainage devices in glaucoma surgery. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(40): 659−64.
DOI: 10.3238/arztebl.2012.0659
@The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
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