ArchivDeutsches Ärzteblatt41/2012EU-Finanzkrise und die Folgen: Am Ende bezahlen die Kranken

POLITIK

EU-Finanzkrise und die Folgen: Am Ende bezahlen die Kranken

Korzilius, Heike; Stüwe, Heinz

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS
Foto: Fotolia/mpanch [m]
Foto: Fotolia/mpanch [m]

Christos Zacharias ist immer noch aufgebracht, wenn er an die vergangenen drei Monate zurückdenkt – daran, dass seine herzkranke Mutter in einem maroden Gesundheitssystem beinahe unter die Räder gekommen wäre. Die Rede ist von Griechenland, dem Staat in Europa, der zurzeit am meisten unter den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu leiden hat und dessen Gesundheitswesen unter dem rigiden Sparkurs ächzt, den die Troika aus Europäischer Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank dem Land auferlegt hat.

Despina Zacharias leidet an einer Koronarstenose und benötigt dringend eine neue Herzklappe. Die 78-Jährige bricht eines Abends zusammen und wird ins staatliche Krankenhaus eingeliefert. „Dort herrschten völlig chaotische Zustände“, berichtet der Sohn, der wie seine beiden Geschwister seit Jahren in Deutschland lebt und hier als pädagogischer Mitarbeiter in einer sozialpsychiatrischen Tagesstätte arbeitet. „Es war unerträglich heiß, und es gab keine Klimaanlage“, sagt Zacharias. „Erst nach drei Tagen ist es mir gelungen, mit dem zuständigen Arzt zu sprechen.“

„Wenn Sie kein Geld haben, werden Sie sterben“

Der Arzt erklärt, die Mutter werde im Krankenhaus stabilisiert und müsse dann zur Operation in eine andere Klinik überwiesen werden. Sein Befund stützt sich auf eine Ultraschalluntersuchung. Für ein EKG fehlt das Gerät. Warum Christos Zacharias so lange auf einen Gesprächstermin warten musste? „Der Arzt wollte Geld von mir.“

„Die Patienten in Griechenland bekommen in vielen Fällen nicht mehr das, was nötig ist. “ Theodoros Skylakakis, Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa. Fotos: Wiktor Dabkowski
„Die Patienten in Griechenland bekommen in vielen Fällen nicht mehr das, was nötig ist. “ Theodoros Skylakakis, Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa. Fotos: Wiktor Dabkowski

Despina Zacharias’ Zustand ist schlecht. Die Wartezeiten auf einen Operationstermin im staatlichen System liegen bei bis zu vier Monaten. Den Kindern ist das Risiko zu groß, sie legen zusammen und lassen die Mutter in einer Privatklinik in Thessaloniki operieren. 6 000 Euro kostet der Eingriff. Das Krankenhaus verlangt den Betrag in bar. Das können sich viele Griechen schlicht nicht leisten. „Wenn Sie Geld haben, werden Sie leben. Wenn Sie kein Geld haben, werden Sie sterben. So läuft das inzwischen“, empört sich Zacharias.

Großen Anteil daran, dass der Fall seiner Mutter gut ausgeht, hat ein befreundeter Kardiologe, der die nötigen Kontakte zur Privatklinik herstellt. Dr. Christo Dragas betreibt in Aridea eine Privatpraxis und behandelt, wenn es hart auf hart kommt, Patienten auch schon einmal unentgeltlich. Die Krise habe ganz Griechenland im Griff, sagt er gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Der privatmedizinische Bereich sei allerdings längst nicht so stark betroffen wie der staatliche: „Dort fehlt es an Geräten und Medikamenten. Außerdem hat man den Ärzten die Gehälter zusammengestrichen. Sie verdienen nur noch um die 1 500 Euro im Monat.“ Dabei sei es durchaus üblich, dass das Krankenhauspersonal zwei, drei Monate lang auf die Auszahlung der Gehälter warten müsse.

„Die Situation im Gesundheitswesen ist äußerst angespannt“, bestätigt der griechische Europaabgeordnete Theodoros Skylakakis. Der 52-Jährige gehörte bis vor kurzem der konservativen Nea Dimokratia von Ministerpräsident Antonis Samaras an. Die Partei schloss ihn aus ihren Reihen aus, weil Skylakakis sich schon vor den Neuwahlen im Sommer für eine Verständigung mit Brüssel ausgesprochen hatte. Inzwischen gehört er im Europaparlament der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa an.

Wo in Griechenland investiert werden müsste

Jetzt sitzt Skylakakis in seinem winzigen Abgeordnetenbüro und wirkt gehetzt. Für ein Gespräch nimmt er sich trotzdem Zeit, denn es ist ihm wichtig, auf die Zustände in seinem Land hinzuweisen. Sicher, es habe in Griechenlands Gesundheitswesen vor der Krise strukturelle Defizite, Überkapazitäten und Ineffizienz gegeben, räumt er ein. Das Land leiste sich beispielsweise doppelt so viele Ärztinnen und Ärzte wie der Durchschnitt der OECD-Staaten. „Die haben sich lange ihren eigenen Bedarf geschaffen“, meint der Politiker. „Inzwischen haben die Kürzungen und Einschnitte aber eine Dimension erreicht, die die realen Bedürfnisse der Patienten betreffen. Sie bekommen in vielen Fällen nicht mehr das, was nötig ist.“

„Bei 300 Euro Rente kann man sich monatlich 150 Euro Zuzahlungen für Arzneimittel nicht leisten.“ Marisa Matias, Europaabgeordnete aus Portugal, Vereinigte Europäische Linke
„Bei 300 Euro Rente kann man sich monatlich 150 Euro Zuzahlungen für Arzneimittel nicht leisten.“ Marisa Matias, Europaabgeordnete aus Portugal, Vereinigte Europäische Linke

Problematisch ist insbesondere die Versorgung mit Arzneimitteln. Das liegt zum einen daran, dass die Regierung die Ausgaben für Medikamente drastisch zusammengestrichen hat – Skylakakis spricht von einer Kürzung um mehr als 30 Prozent. Zum anderen lasse der klamme Staat Apotheker sowie Arzneimittel- und Medizinproduktehersteller auf ihren Kosten sitzen. Griechische Zeitungen berichten über Außenstände in Höhe von zwei Milliarden Euro. Viele Firmen seien darüber hinaus schon im vergangenen Jahr mit Staatsanleihen bezahlt worden, die inzwischen kaum noch etwas wert sind. Die Folge: Wenn die Unternehmen ihre Lieferungen an Apotheken und Krankenhäuser nicht gleich ganz einstellen, erhalten Patienten notwendige Medikamente nur noch gegen Vorkasse. Für viele Griechen, denen Gehälter und Renten drastisch gekürzt wurden oder die infolge der Rezession ihre Arbeit verloren haben – inzwischen jeder vierte –, ist das unerschwinglich.

„Wir befinden uns in einer explosiven Lage“, sagt Skylakakis. Eine Mitschuld gibt er der Troika. Denn deren Verhandlungen mit der griechischen Regierung über ein weiteres Sparpaket von 11,5 Milliarden Euro ziehen sich hin. Eine bereits für Juni angestrebte Einigung zeichnet sich frühestens für November ab. Sie ist aber Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem Hilfspaket von 31 Milliarden Euro. „Das sind drei, vier Monate Verzögerung, in denen Unternehmen und Apotheken Medikamente vorfinanzieren müssen“, kritisiert der EU-Parlamentarier.

Gibt es einen Ausweg aus dieser Lage? „Wir brauchen pragmatische Lösungen“, sagt Skylakakis und wird energisch. „Wir müssen mehr aus dem machen, was wir haben, mehr produzieren.“ Gesundheit sei auch ein Wirtschaftsfaktor. Statt angesichts der 40 000 Ärztinnen und Ärzten über Überversorgung zu klagen und womöglich Abwerbungsprogramme anderer Länder zu unterstützen, könne man diese auch produktiv im eigenen Land einsetzen. Vorstellbar sei beispielsweise, die Stellung Griechenlands im Bereich klinischer Studien auszubauen und dafür die ärztliche Kompetenz zu nutzen. Als weitere Säule könne der Medizintourismus dienen. „Dialysepatienten oder Allergiker könnten in Griechenland ihren Urlaub verbringen und gleichzeitig medizinisch gut versorgt werden“, meint Skylakakis. „Denn wir können auf eine gute medizinische Infrastruktur sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor zurückgreifen.“ Doch das Land braucht dringend Investitionen, um die Krise zu überwinden. „Im Moment sieht es allerdings nicht danach aus, als ob Europa sich aus der Krise herausinvestieren will“, sagt der Politiker. Dabei wäre es eine Schande, wenn das viele Geld, das nach Griechenland geflossen sei, verpuffe, weil Investitionen in vielversprechende Projekte unterblieben.

Das griechische Parlament hat Ende September dem von der Troika geforderten Sparpaket von 11,5 Milliarden Euro, 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, bis Ende 2014 zugestimmt. Zehntausende Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft hat der Protest dagegen am 24. September auf die Straße getrieben, ein Generalstreik legte das Land lahm.

„Die Wirtschaftskrise hat die Gesundheitsversorgung in Italien nicht verschlechtert und ist deshalb nicht der Grund für Reformen.“ Elisabetta Gardini, Europaabgeordnete der Europäischen Volkspartei
„Die Wirtschaftskrise hat die Gesundheitsversorgung in Italien nicht verschlechtert und ist deshalb nicht der Grund für Reformen.“ Elisabetta Gardini, Europaabgeordnete der Europäischen Volkspartei

„Wenn ich mir Griechenland anschaue, habe ich das Gefühl, ich sehe unsere Zukunft“, sagt Marisa Matias. Pessimistische Aussagen wie diese scheinen gar nicht zu der Europaabgeordneten zu passen. Die 36-jährige Portugiesin ist ein Energiebündel und mit Herzblut bei der Sache. Dass die Folgen der Finanzkrise aber inzwischen die Grundfeste des Gesundheitssystems in ihrer Heimat erschüttern, lässt die Linken-Politikerin zornig werden: „Es gibt Bereiche, in denen Kürzungen kriminell sind. Das Gesundheitswesen gehört dazu.“

Im April 2011 schlüpfte Portugal unter den Euro-Rettungsschirm und wurde gegen strikte Sparauflagen mit einem Kredit von 78 Milliarden Euro aus akuter Finanznot befreit. Seither steht das Land unter der Aufsicht der Troika. „Seit 2011 mussten allein im Gesundheitssektor 800 Millionen Euro eingespart werden“, erklärt Matias. „Das ist für ein kleines Land wie Portugal eine Riesensumme.“ Bei dem Versuch, die maroden Staatsfinanzen zu sanieren, sei das Gesundheitswesen inzwischen zu einer Hauptzielscheibe geworden.

Portugiesen müssen lange auf Operationen warten

Ein funktionierendes Sozialsystem entstand in dem Land erst nach dem Ende der Diktatur im Jahr 1974. Seither habe sich ein gut funktionierender nationaler Gesundheitsdienst entwickelt, der aus Steuern finanziert werde und allen Menschen offenstehe, berichtet Matias. „Und das alles steht jetzt zur Disposition.“ Schon vor dem Milliardenkredit der internationalen Geldgeber habe die Regierung – unter dem Protest der Betroffenen – damit begonnen, aus Kostengründen kleinere Gesundheitsstationen auf dem Land und zahlreiche Geburtskliniken zu schließen. „Inzwischen ist die Situation unerträglich“, beklagt die Politikerin. Die Folgen der rigiden Sparauflagen: Es gibt lange Wartelisten für Operationen, von denen auch Herz- und Krebskranke betroffen sind. Die zahnärztliche Versorgung ist komplett aus dem Leistungskatalog des staatlichen Gesundheitsdienstes gestrichen worden; die Eigenbeteiligung der Patienten wurde erhöht; staatliche Krankenhäuser wurden privatisiert, Gehälter gekürzt und Personal abgebaut. Erst im Juli kam es aus Protest gegen den Sparkurs der Regierung zu einem Ärztestreik. Matias schildert ein Beispiel aus dem Alltag: In einem großen Teil der Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser des Landes hat man die Arbeitsverträge des Krankenpflegepersonals gekündigt und durch flexible Zeitverträge ersetzt. Das Ziel: Personal wird nur noch dann bezahlt, wenn es gebraucht wird, und das mit maximal 4,50 Euro die Stunde. Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere viele Krankenschwestern dem System den Rücken kehren, weil sie sich innerhalb der Europäischen Union oder in Brasilien bessere Arbeitsbedingungen erhoffen. Rezession und Schuldenkrise haben seit 2011 circa 150 000 Portugiesen dazu veranlasst, das Land zu verlassen.

Ähnlich wie in Griechenland hat sich auch in Portugal der Zugang von Patienten zur Arzneimittelversorgung verschlechtert. Auch hier ist ein Hauptgrund die schlechte Zahlungsmoral des staatlichen Gesundheitsdienstes angesichts leerer Kassen. „Wir stehen vor zwei Phänomenen“, erklärt Matias. Einerseits seien in Portugal zurzeit 16 lebensnotwendige Medikamente nicht erhältlich. Andererseits könnten sich Patienten Medikamente, die verfügbar seien, zum Teil wegen der gestiegenen Zuzahlungen nicht mehr leisten. „Wenn Sie bei einer durchschnittlichen Rente von 300 Euro monatlich 150 Euro im Monat für Arzneimittel ausgeben sollen, müssen Sie sich entscheiden“, sagt Matias.

Ähnlich wie ihr konservativer Kollege Skylakakis kritisiert auch die Portugiesin die einseitige Politik der Troika: Sparen, ohne Wachstum anzukurbeln. „Unsere Arbeitslosenquote ist in eineinhalb Jahren von sieben auf 20 Prozent gestiegen“, betont Matias. „Wenn aber niemand Arbeit hat, kann auch niemand etwas kaufen. Der Sparkurs verschärft die Krise.“ Erst am 14. September gingen in Portugal Hunderttausende auf die Straße, um gegen weitere Einschnitte zu protestieren. Angesichts der Proteste ist die portugiesische Regierung inzwischen von Plänen abgerückt, die Sozialabgaben für Arbeitnehmer von elf auf 18 Prozent zu erhöhen und gleichzeitig die Abgaben der Arbeitgeber zu senken, um Beschäftigungsanreize zu setzen.

Die Troika betreibt längst Gesundheitspolitik

Doch was ist die Alternative? Es gebe Effizienzreserven im Gesundheitssystem, räumt Matias ein. Um diese zu heben, dürfe man aber nicht nur sparen. Man müsse auch investieren. „Aber staatliche Investitionen liegen zurzeit bei null.“ Nach Ansicht der Linken-Politikerin müssen andere Geldquellen erschlossen werden, um die Schuldenkrise zu überwinden, beispielsweise eine Steuer für die großen Vermögen. „Im Moment zahlen diejenigen für die Krise, die sie nicht verursacht haben.“

Auch aufgrund solcher Schilderungen will Dr. med. Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, die Initiative ergreifen und Vertreter der Troika in den Gesundheitsausschuss einladen. Bisher sind Euro-Rettungsschirm und Fiskalpakt ein Thema der Finanzpolitiker und der Regierungschefs. Liese appelliert an die Gesundheitspolitiker in Brüssel: „Wir müssen genauer hinschauen, was die Europäische Kommission tut und welche Auswirkungen dies auf das Gesundheitswesen hat.“ Schließlich betreibt die Troika, wenn sie Ländern unter dem Euro-Rettungsschirm strikte Auflagen bei Arzneimittelausgaben oder Krankenhauskosten macht, nichts anderes als Gesundheitspolitik.

Im Gegensatz zu Griechenland und Portugal musste Italien noch nicht unter den Euro-Rettungsschirm flüchten. Aber die Krise hat die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone gleichwohl erfasst: Die Wirtschaft Italiens schrumpft, und seit Monaten treibt Experten die Sorge um, dass Rom seine hohen Schulden früher oder später nicht mehr aus eigener Kraft bedienen könne. Zuletzt aber honorierten die Finanzmärkte den strikten Sparkurs der italienischen Regierung unter dem Wirtschaftsprofessor Mario Monti, der von rechten, linken und Parteien der Mitte gestützt wird. Müssen die Menschen als Folge der Wirtschaftskrise mit einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung rechnen? Die Europaabgeordnete Elisabetta Gardini (56), eine Fraktionskollegin Lieses, die der Partei „Volk der Freiheit“ des Exministerpräsidenten Silvio Berlusconi angehört, ist fast empört: „Nein. Wir haben glücklicherweise keine Verschlechterung der Leistungen. Italien steht im Vergleich zu vielen anderen Ländern in der Welt bei der Gesundheitsversorgung gut da.“ Aber bleibt das so? Im August hat das Parlament für die Zeit bis Ende 2014 ein drastisches Sparprogramm im Umfang von 26 Milliarden Euro beschlossen. „Die Kürzung der Gesundheitsausgaben wird die Anzahl der Krankenhausbetten vermindern und zu einer Teilverlagerung des Gesundheitswesens in den privaten Sektor führen“, kündigt Gardini an. Diese Veränderungen fänden auf lokaler Ebene statt. Von dem italienischen Gesundheitswesen kann man ohnehin nicht sprechen. Denn für Gesundheit sind die Regionen zuständig. Gardini, die sich in Italien als Schauspielerin, Moderatorin und Theaterproduzentin einen Namen gemacht hat, verweist auf Strukturprobleme in allen Bereichen des Gesundheitswesens. Mit Reformen habe man deshalb schon 1999 begonnen. Es gehe darum, Verschwendung beispielsweise bei Arzneimitteln zu stoppen. „Auch die Schließung ganz kleiner Krankenhäuser ist sinnvoll, stößt aber oft auf Widerstand.“

Das Hauptproblem sieht die Abgeordnete aus Venetien in dem beträchtlichen Nord-Süd-Gefälle. Die medizinische Versorgung in ihrer Heimat und anderen nördlichen Regionen sei sehr gut. Im Süden sehe es anders aus. „Ziel der Regierung ist es deshalb, die Kluft zwischen dem Norden und dem Süden zu verkleinern.“

Heike Korzilius, Heinz Stüwe

Drei Euro-sorgenländer im Vergleich

Griechenland

Seit 1983 gibt es in Griechenland einen nationalen Gesundheitsdienst, der staatlich gesteuert wird. Finanziert wird das System durch Sozialbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Zuletzt größer werdende Defizite gleicht der Staat mit Steuermitteln aus. 2010 hat das Land pro Kopf 2 914 US-Dollar für Gesundheitsleistungen aufgewendet und liegt damit unter dem Durchschnitt der westlichen Industrieländer (3 268 Dollar). Zum Vergleich: Deutschland kommt umgerechnet auf 4 338 Dollar Pro-Kopf-Ausgaben. Nach einem kontinuierlichen Wachstum in den Jahren zuvor sanken die Gesundheitsausgaben in Griechenland 2010 um 6,5 Prozent – eine Folge des drastischen Sparkurses angesichts der Schuldenkrise. Er umfasste in erster Linie Gehaltskürzungen, die Entlassung von medizinischem Personal sowie Preissenkungen bei Medikamenten.

Portugal

Portugal verfügt über ein öffentliches Gesundheitssystem, das dezentral organisiert ist. Der nationale Gesundheitsdienst wird zu 90 Prozent vom Staat über Steuern finanziert. Allerdings sind die örtlichen Gesundheitszentren ungleichmäßig über das Land verteilt. Das Angebot in sozial schwachen und ländlichen Regionen ist häufig unzureichend. Die Gesundheitsausgaben pro Kopf der Bevölkerung sind mit 2 728 Dollar (2010) niedriger als in Griechenland. Die Steigerungsrate bei den Gesundheitsausgaben, die zwischen 2000 und 2009 bei 2,3 Prozent jährlich lag, ist 2010 auf 0,6 Prozent zurückgegangen. Die Sparvorgaben infolge der Finanzkrise haben mittlerweile unter anderem zu sinkenden Arzneimittelausgaben, einer erhöhten Eigenbeteiligung der Patienten sowie Einsparungen beim medizinischen Personal geführt.

Italien

Auch Italien erreicht mit Gesundheitsausgaben pro Kopf von 2 964 Dollar Euro nicht den um 300 Dollar höheren Durchschnitt der Industrieländer. 80 Prozent der Gesundheitsausgaben, die 2010 moderat um 1,5 Prozent gestiegen sind, stammen aus öffentlichen Quellen. Dazu zählen die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und eine Regionalsteuer. Beiträge zur Krankenversicherung zahlen nur die Arbeitgeber. Der staatliche Gesundheitsdienst SSN (Servizio sanitario nazionale) ist dezentral organisiert. Die Regionalregierungen verteilen die Mittel an die lokalen Gesundheitsdienste und Krankenhäuser. Sie legen die Selbstbeteiligung bei Arzneimitteln fest, die von einer geringen Rezeptgebühr bis zur vollständigen Kostenübernahme reichen kann. Für Regelleistungen in staatlichen Gesundheitszentren müssen Patienten nichts zahlen, wohl aber für Facharztbesuche. Quelle: AOK Bundesverband; OECD

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote