ArchivDeutsches Ärzteblatt42/2012Humanitäre Hilfe: Privates Geld wird wichtiger

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Humanitäre Hilfe: Privates Geld wird wichtiger

Korzilius, Heike

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Am 21. Oktober wird in Berlin zum dritten Mal der World Health Summit eröffnet. Wie im vergangenen Jahr stehen auch diesmal viele Themen auf der Tagesordnung, die die Gesundheit in den ärmeren Ländern dieser Welt betreffen. Das war nicht immer so. Beim ersten Mal veranstalteten die etablierten Hilfsorganisationen einen Gegengipfel, weil die Organisatoren des Summit sich ihrer Ansicht nach zu sehr auf die Belange der Industrienationen konzentriert hatten. Sinnbild dafür war die Liveschaltung aus dem Konferenzraum in die internationale Raumstation ISS.

Inzwischen geht es weniger abgehoben zu. Die Tagung widmet sich diesmal unter anderem den verheerenden Folgen, die die Migration von Gesundheitsfachkräften aus den armen in die reichen Länder hat (siehe die Titelgeschichte in diesem Heft). Sie beschäftigt sich mit dem gerechten Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten und medizinischen Leistungen ebenso wie mit der Frage, inwieweit Gesundheit ein unentbehrlicher Faktor ist für nachhaltige Entwicklung. Doch wer soll das bezahlen, wo bei den größten Geldgebern der humanitären Nothilfe, den Staaten der sogenannten westlichen Welt, angesichts der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise das Geld immer knapper wird – auch das ist ein Thema des World Health Summit.

Dass dieses Problem den humanitären Helfern auf den Nägeln brennt, zeigte sich jetzt beim XIV. Humanitären Kongress, den Ärzte ohne Grenzen, Ärzte der Welt, das Deutsche Rote Kreuz, die Ärztekammer Berlin und die Charité am 12. Oktober in Berlin veranstalteten. Der Workshop, der sich der Finanzierung widmete, verzeichnete die meisten Teilnehmer. Dabei war es zunächst einmal überraschend, dass die öffentlichen Mittel für humanitäre Projekte trotz der Finanzkrise in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Nach Angaben der Organisation Global Humanitarian Assistance haben Staaten und multilaterale Organisationen wie die UN zwischen 2006 und 2010 etwa 42,4 Milliarden US-Dollar in die humanitäre Hilfe investiert. Das entspricht 70 Prozent aller Hilfszahlungen.

Viele Experten befürchten allerdings, dass das auf Dauer nicht so bleibt. Die Hilfsorganisationen bemühen sich deshalb verstärkt um alternative, sprich private Geldquellen. Global Humanitarian Assistance zufolge ist der Anteil privater Geldgeber von 17 Prozent im Jahr 2006 auf 32 Prozent im Jahr 2010 gestiegen. Konservativ geschätzt kamen auf diese Weise ungefähr 18 Milliarden Dollar zusammen, wobei das meiste Geld von Einzelspendern und nicht von Stiftungen oder Firmen stammte, so die Organisation.

Heike Korzilius, Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik
Heike Korzilius, Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik

Abgesehen davon, dass zivilgesellschaftliches Engagement immer begrüßenswert ist, birgt diese Situation für die Hilfsorganisationen neben Chancen aber auch Risiken. Die Analyse der Helfer: Einerseits ermöglichen private Spenden den Organisationen eine größere Flexibilität beim Einsatz der Mittel, weil sie in der Regel weder an spezielle Projekte gebunden noch politischen Zielen unterworfen sind. Andererseits unterliegt die Spendenbereitschaft enormen Schwankungen. Das meiste Geld fließt, wenn der Medienrummel am größten ist. So erreichte das Spendenaufkommen für die Opfer des Erdbebens in Haiti und die Flut in Pakistan im Jahr 2010 mit fast zwei Milliarden Dollar Rekordhöhen. Die Notleidenden im Jemen oder in Westafrika rangieren dagegen unter den „vergessenen Katastrophen“.

Heike Korzilius
Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik

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