THEMEN DER ZEIT
Telemedizin: Wachsendes Interesse


Die gezielte Patientenauswahl und die Einbeziehung der niedergelassenen Ärzte sind wichtige Erfolgskriterien für telemedizinische Betreuungsprogramme.
Die Bilanz der ersten sechs Monate nach dem Start des bundesweiten Betreuungsprogramms A.T.e.m. („Alltag mit Telemedizin erfolgreich meistern“) im April 2012 ist vielversprechend: Inzwischen nehmen 171 Patienten der TechnikerKrankenkasse (TK), die an chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung (COPD) leiden, an dem integrierten Versorgungsvertrag der TK mit Bosch Healthcare und dem Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) in Stuttgart teil. „Das Interesse der von uns angesprochenen Versicherten ist sehr hoch, und die ersten Rückmeldungen der Eingeschriebenen sind durchweg positiv“, berichtete Thomas Heilmann, Leiter des Programms bei der TK. „Die Teilnahmebereitschaft lag bei fast 50 Prozent.“ Daher werde die für die geplante Evaluation erforderliche Anzahl von 300 Patienten wohl zügig erreicht.
Schwerkranke im Fokus
Mit ihrem Programm wendet sich die Krankenkasse vor allem an Schwerkranke mit einem hohen Risiko für eine Exazerbation der COPD, die in der Regel eine teure stationäre Behandlung erfordert. Für die gezielte Patientenrekrutierung hat sie ein spezielles Vorhersagemodell entwickelt, das unter anderem anhand von Arzneimittel- und Krankenhausdaten geeignete Patienten identifiziert.
Die für die Dauer von einem Jahr telemedizinisch betreuten Patienten übermitteln täglich Vitalparameter und Angaben zu ihrem Befinden an das telemedizinische Zentrum des Krankenhauses. Medizinisches Fachpersonal wertet dort die Daten aus und kontaktiert bei kritischen Veränderungen des Gesundheitszustands den Patienten oder den behandelnden Arzt. Mit dem einfach zu bedienenden Telemedizinsystem – ein Gerät mit vier großen Tasten und übersichtlichem Display – erhalten die Betroffenen zusätzlich speziell aufbereitete Informationen zum Umgang mit ihrer Krankheit.
Stabilisierung des Zustands
Erste Erfahrungen aus der Patientenbetreuung durch das Telemedizinzentrum sind laut Prof. Dr. med. Mark Dominik Alscher, Ärztlicher Direktor des RBK, positiv: Die Patienten seien sehr koorperativ und fühlten sich in ihrer gewohnten Umgebung sicherer. „Durch die intensive telemedizinische Betreuung kann der Zustand der Patienten stabilisiert werden“, so der Experte.
Eine wesentliche Komponente ist zudem die Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten. „Ohne die Ärzte vor Ort, die den Patienten begleiten, würde ein entscheidender Bestandteil der telemedizinischen Versorgung fehlen“, erläuterte Alscher. Telemedizin biete die Chance für eine bessere Versorgung vor allem in ländlichen Regionen und entlaste die niedergelassenen Kollegen. Die hohe Teilnahmebereitschaft von 81 Prozent der angefragten Ärzte deute auf eine zunehmende Akzeptanz von Telemedizin bei den Ärzten hin. „Allenfalls in einigen süddeutschen Großstädten mit hoher Facharztdichte gibt es eine gewisse Skepsis“, so Alscher.
Neben der COPD lässt sich das Telemedizinsystem auch bei anderen chronischen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Diabetes einsetzen. Bosch Healthcare bietet das System daher ebenfalls weiteren Krankenkassen an. Interesse sei vorhanden, berichtete der Geschäftsführer des Unternehmens, Dr. med. Ralf von Baer. „Ein Vertrag steht kurz vor dem Abschluss.“
Heike E. Krüger-Brand