POLITIK
Verbot gewerblicher Sterbehilfe: Juristen uneins über Entwurf


Zu gegensätzlichen Urteilen gelangten Experten bei einer Anhörung nach der ersten Lesung des Suizidbeihilfe-Gesetzentwurfs. Wie es damit weitergeht, ist offen.
Kann das geplante „Gesetz zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ verhindern, dass Sterbehilfe zur „normalen“ Dienstleistung wird? Sollte der Gesetzgeber überhaupt ein Verbot vorsehen? Oder erfordert das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen andere Regelungen?
Dazu vertraten die vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags eingeladenen Fachleute bei einer Anhörung Mitte Dezember sehr unterschiedliche Meinungen. Für ein eindeutiges Verbot sprach sich Dr. Marlis Hübner aus, die Leiterin der Rechtsabteilung der Bundesärztekammer (BÄK): Die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung müsse verboten werden, denn „die Situation verzweifelter Menschen darf nicht das Einfallstor für Gewinnerzielungsabsichten sein“. Hübner stellte zudem klar, dass die jüngste Gesetzentwurfsfassung aus Sicht der BÄK noch nicht weit genug geht. Notwendig sei es, jede Form der organisierten Sterbehilfe unter Strafe zu stellen, nicht nur die gewerbsmäßige (siehe auch Kasten).
Schon jetzt, das sprachen mehrere der Experten an, stellen sich Sterbehilfeorganisationen nämlich auf die geplante Neuregelung ein. Hübner verwies darauf, dass der Verein „SterbeHilfeDeutschland“ seine Satzung neu gefasst hat. Um zu vermeiden, dass ihm in Zukunft gewerbsmäßige Interessen vorgehalten werden, hat er festgelegt, dass im Fall eines begleiteten Suizids alle Geldbeiträge an Angehörige zurückgezahlt werden, die das Mitglied zuvor entrichtet hat.
Alterssorgen als Gefahr
Lob für die Zielrichtung des Entwurfs kam vom einzigen Arzt in der Expertenrunde, Priv.-Doz. Dr. med. habil. Rainer Freynhagen. „Wenn diese Lösung in Kraft tritt, darf niemand mehr Geschäfte damit machen, dass er verzweifelten Menschen seine Unterstützung beim Selbstmord verkauft“, hofft der Palliativmediziner und Schmerztherapeut, der am Benedictus-Krankenhaus in Tutzing arbeitet. Freynhagen erinnerte daran, dass der Wunsch nach einem Suizid häufig nicht freiverantwortlich gefasst werde, „sondern der Hilferuf eines kranken Menschen ist und nicht selten auf einer psychischen Erkrankung beruht“.
Er bemängelte, das Angebot an palliativmedizinischer Versorgung habe noch längst nicht den Umfang erreicht, der nötig sei. Suizidgefährdet seien aber nicht unbedingt Menschen in ihrer letzten Lebensphase, sondern Schmerzkranke oder Patienten, die Einsamkeit und Finanzsorgen im Alter belasteten.
Ganz anderer Auffassung als Hübner und Freynhagen war Prof. Dr. Henning Rosenau vom Institut für Bio-, Gesundheits- und Medizinrecht der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg. Weil Suizid nicht unter Strafe stehe, müsse auch Anstiftung oder Beihilfe dazu straffrei bleiben, argumentierte Rosenau. Daraus folgt für ihn weiter: „Wer sich authentisch für den Suizid entscheidet, muss sich dabei helfen lassen dürfen.“ Wenn ein Sterbewunsch aber „nicht ernstlich und durchdacht“ sei, sondern die Folge eines Irrtums, einer Drohung oder fehlender Einsichtsfähigkeit, dann sei das vorgesehene Strafmaß „unangemessen milde“. In solchen Fällen müsse man die mittelbaren Helfer auf Basis eines anderen Strafrahmens zur Verantwortung ziehen, beispielsweise wegen Totschlags.
Rosenau griff die Ärzteschaft scharf an: Sie wende sich von Menschen ab, die gerade bei einem Sterbewunsch und dessen Ausführung in besonderer Weise der Fürsorge und Begleitung bedürften. So fördere man „Brutalstselbstmorde“. Scharfe Kritik am Entwurf äußerten auch Prof. Dr. Frank Saliger von der Bucerius Law School und Prof. Dr. Rosemarie Will, Vorstandsmitglied der Humanistischen Union. BÄK-Expertin Hübner vertrat eine andere Position: Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und der Straffreiheit bei Suizid lasse sich nicht ableiten, dass es Sterbehilfeorganisationen geben müsse oder gar einen Anspruch auf Hilfe beim eigenen Suizid.
Sabine Rieser
@Mehr Infos zu den Stellungnahmen: www.aerzteblatt.de/1362
UNION WILL EINE VERSCHÄRFUNG
Mit Hilfe des Suizidbeihilfegesetzes soll die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt werden. Möglich wären Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen. Für Angehörige und Personen, die einem Suizidwilligen nahestehen und die sich „als nicht gewerbsmäßig handelnde Teilnehmer an der Tat beteiligen“, soll die Strafandrohung nicht gelten. Die CDU hat sich auf ihrem Parteitag im Dezember für eine Verschärfung der Vorlage aus dem Bundesjustizministerium ausgesprochen.
Danach soll auch eine „wiederholte, organisierte Sterbehilfe, die sogenannte geschäftsmäßige Sterbehilfe“, strafbar sein. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, hat einen entsprechenden Gesetzentwurf formuliert. Danach soll unter anderem auch Werbung zur Förderung von Selbsttötungen verboten werden.