

Nach den angegebenen Prävalenzen leben in Deutschland circa 16 Millionen Menschen mit Schilddrüsenknoten. Trotz leicht fallender Tendenz kommen auf einen Hausarzt knapp unter 300 Betroffene. Diese Situation stellt eine große Herausforderung für alle Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten dar. Rationale Handlungsstrategien lassen sich allerdings nur entwickeln, wenn dabei auch Erkenntnisse aus der klinischen Epidemiologie berücksichtigt werden.
Wir befinden uns nämlich in einem Dilemma: Die Suche nach klinisch relevanten Schilddrüsenmalignomen gestaltet sich ähnlich wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Weder die Labordiagnostik noch die (optimierte) Schilddrüsen-Sonographie noch die Szintigraphie noch die Feinnadelbiopsie sind selbst bei exzellenter Technik und damit einhergehender hoher Sensitivität und Spezifität geeignet, effizient Schilddrüsenmalignome zu diagnostizieren. Denn aufgrund deren geringer Prävalenz und ihrer uneinheitlichen Darstellung in den bildgebenden Verfahren bleiben – und das ist das Entscheidende – die positiven Vorhersagewerte für die Schilddrüsenmalignome auch nach einer Feinnadelaspirationszytologie viel zu niedrig: Auf jedes operierte Schilddrüsenmalignom kämen etwa 50 Patienten, die unnötigerweise operiert würden (1).
Was also tun? Der Verzicht auf eine Diagnostik, die über eine spezifische Anamnese und klinische Untersuchung hinausgeht – in den USA bereits diskutiert (2) – ist zweifellos ein provozierender Gedanke. Wir sollten jedoch nicht unterschätzen, dass die im Artikel erwähnten Interventionen bereits quantitativ und qualitativ bedeutsame iatrogene Schäden verursachen (3). Ein Umdenken beim Umgang mit Patienten mit Schilddrüsenknoten ist daher angesagt und führt zu einem völlig anderen Schluss als im Artikel empfohlen. Sinnvoll wäre: Gefährdungswahrscheinlichkeiten transparent darstellen, Chancen und Risiken medizinischer Maßnahmen abwägen und gemeinsam eine Entscheidung treffen.
DOI: 10.3238/arztebl.2013.0068a
Dr. med. Armin Mainz
Hausarzt/Facharzt für Innere Medizin, Korbach, dr.mainz@docduo.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
1. | Schicha H, et al.: Should all patients with thyroid nodules ≥ 1 cm undergo fine-needle aspiration biopsy? Nuklearmedizin 2009; 48: 79–83. MEDLINE |
2. | Cronan J: Thyroid Nodules: Is it time to turn off the US machines? Radiology 2008; 247: 602–4. MEDLINE |
3. | Liel Y, Fraenkel N: Brief report: Use and misuse of thyroid ultrasound in the initial workup of patients with suspected thyroid problems referred by primary care physicians to an endocrine clinic. J Gen intern med 2005; 20: 766–8. MEDLINE |
4. | Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(29–30): 506–16. VOLLTEXT |