ArchivDeutsches Ärzteblatt8/2013Qualitätssicherung in der Endoprothetik: Zertifizierung von Zentren gestartet

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Qualitätssicherung in der Endoprothetik: Zertifizierung von Zentren gestartet

Haas, Holger; Mittelmeier, Wolfram

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Mehr als 390 000 Operationen jährlich werden hierzulande in der Endoprothetik durchgeführt, davon entfallen etwa 210 000 auf künstliche Hüftgelenke. Foto: BVMed
Mehr als 390 000 Operationen jährlich werden hier­zu­lande in der Endoprothetik durchgeführt, davon ent­fallen etwa 210 000 auf künstliche Hüftgelenke. Foto: BVMed

Seit Oktober 2012 können sich Endoprothesenzentren, die einen definierten Anforderungskatalog erfüllen, zertifizieren lassen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die Versorgungshäufigkeit und -qualität erhält die Qualitätssicherung besonderes Gewicht für alle Fachgesellschaften. Ein zentrales Anliegen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie ist seit langem die Qualitätssicherung im Bereich der Endoprothetik. Dazu gehört seit Oktober 2012 die Zertifizierung als Endoprothesenzentrum für Einrichtungen, die sich vorrangig mit dem Gelenkersatz beschäftigen und einen definierten Anforderungskatalog erfüllen.

Patientensicherheit erhöhen

Mit derzeit mehr als 390 000 Operationen pro Jahr ist die Endoprothetik nicht nur für den Patienten, sondern auch gesundheitsökonomisch von großer Bedeutung. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) verfolgt konsequent das Ziel, die Patientensicherheit und die Versorgungsqualität zu erhöhen. Daher hat sie auf Initiative von Prof. Dr. med. Wolfram Mittelmeier bereits im Jahr 2009 ein Projekt zur Zertifizierung von Endoprothetikzentren – „EndoCert“ – ins Leben gerufen (Informationen: www.endocert.de; www.clarcert.de). Neben Vertretern der DGOOC beteiligen sich die Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik als Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie und der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie daran.

Die für viele Bereiche der Medizin identifizierten und nachweisbar relevanten Faktoren für eine verbesserte Patientenversorgung gelten auch für die Endoprothetik. Um zertifiziert zu werden, muss eine Einrichtung nachweisen, dass sie die definierten Anforderungen in Bezug auf diese Kernelemente erfüllt. Die durch die Fachgesellschaft eingesetzte Arbeitsgruppe hat sich bei der Definition der Kriterien an deren wissenschaftlich belegbarer beziehungsweise überprüfbarer Relevanz für die Patientensicherheit und Versorgungsqualität orientiert.*

In Pilotphasen überprüft

Nach Erarbeitung der Kriterien wurden deren Gültigkeit und das Verfahren selbst in zwei Pilotphasen an 23 Einrichtungen aller Versorgungsstufen und unterschiedlicher Struktur überprüft. Neben rein endoprothetisch ausgerichteten Fachabteilungen nahmen auch unfallchirurgische Kliniken und Einrichtungen mit Belegarztstrukturen an der Pilotphase teil. Die Versorgungsrealität wurde somit berücksichtigt.

Durchläuft eine Einrichtung das Zertifizierungsverfahren, werden die Struktur- und Prozessqualität überprüft. Zusätzlich fließt die Ergebnisqualität in die Bewertung mit ein. Gerade dieser Bereich soll künftig ausgebaut werden. Zusammen mit dem ebenfalls als Projekt der DGOOC eingeführten Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) ergibt sich damit ein umfassendes System zur weiteren Verbesserung der Versorgungsqualität in der Endoprothetik.

Die wesentlichen Elemente, die bei der Zertifizierung bewertet werden, stellen den Patienten und seine Behandlung in den Mittelpunkt. Endoprothetikzentren müssen über einen interdisziplinär gestalteten Behandlungspfad verfügen, über den alle an der Behandlung des Patienten beteiligten Abteilungen und Bereiche eingebunden und Zuständigkeiten verbindlich geregelt sind. Dieser Behandlungspfad muss regelmäßig im interdisziplinären Dialog überprüft und angepasst werden. Die leitlinienbasierte Betreuung der Patienten dient dabei als Grundlage.

Die ausführliche Beratung und aktive Einbindung der Patienten verbessern den Behandlungserfolg. Die Maßnahmen des Endoprothetikzentrums in diesem Bereich werden ebenso überprüft wie die aktive Teilnahme an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Aus deren Ergebnissen sollen Ziele für das eigene Qualitätsmanagement abgeleitet werden. Für die Einrichtungen ist zudem die Teilnahme am EPRD verpflichtend.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen in den Behandlungsprozess eingebunden werden. Die regelmäßige Schulung im Umgang mit den Implantatsystemen und die verbesserte Information aller mitwirkenden Berufsgruppen senken die Fehleranfälligkeit. Zudem ist für die Sicherstellung einer künftigen, qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung die Aus- und Weiterbildung der ärztlichen Mitarbeiter von großer Bedeutung.

Eine sichere Behandlung der Patienten setzt voraus, dass strukturelle Vorgaben erfüllt und geltende rechtliche Standards im Bereich der Hygiene und bei der Handhabung von Medizinprodukten eingehalten werden. Darauf wird bei der Zertifizierung besonderer Wert gelegt.

Anzahl der Operationen wichtig

Als wissenschaftlich belegt gilt der Zusammenhang zwischen der Anzahl durchgeführter Operationen oder Behandlungen und der erreichten Qualität. Dies gilt nicht nur für Operateure, sondern auch für die jeweilige Einrichtung selbst. Die Bedeutung einer ineinandergreifenden Betreuung der Patienten durch alle Berufsgruppen wird hierdurch besonders deutlich. So setzt eine Zertifizierung auch Mindestzahlen der Einrichtung und des jeweiligen Operateurs voraus.

Vorrangig für Zentren der Maximalversorgung wird zudem die Durchführung beziehungsweise Unterstützung von Forschungsvorhaben gefordert.

Die Auditierung der Einrichtung erfolgt durch wenigstens zwei geschulte, externe Auditoren (Fachexperten), die die Erfüllung der Anforderungen vor Ort überprüfen. Die Fachexperten selbst unterliegen der Kontrolle durch eine Fachkommission und eine zugelassene Zertifizierungsstelle.

Für die Erfassung der Ergebnisqualität werden zum jetzigen Zeitpunkt verschiedene, im Wesentlichen radiologische Kriterien herangezogen. Durch die Verpflichtung der zertifizierten Endoprothetikzentren zur Teilnahme am EPRD ist eine auch langfristige Erfassung der Behandlungsergebnisse sichergestellt. Daneben sollen künftig auch Kriterien der Patientenzufriedenheit mit dem Behandlungsergebnis erfasst und zunächst in Pilotprojekten ausgewertet werden. Hiermit ergeben sich weiterführende Perspektiven für die Bewertung der endoprothetischen Versorgung.

Die weitere Verbesserung der in Deutschland bereits hohen Qualität der endoprothetischen Versorgung ist das wesentliche Ziel des EndoCert-Systems. Dies soll durch eine möglichst flächendeckende Verbreitung des Verfahrens erreicht werden. Dennoch bleibt die Zertifizierung eine freiwillige Maßnahme für Einrichtungen, die ihren Schwerpunkt in der endoprothetischen Versorgung sehen.

Die Zertifizierung durch eine Fachgesellschaft ist auch für die Kostenträger ein interessantes Modell für qualitätssichernde Maßnahmen.

Das Verfahren erfasst bisher ausschließlich die elektive Endoprothetik. Eine gemeinsame Bewertung von Elektiv- und Frakturendoprothetik ist nicht sinnvoll, da die Frakturendoprothetik mit einer unterschiedlichen Klientel verbunden ist, andere Ergebnisse erbringt und andere Voraussetzungen erfordert. Die DGOOC plant daher gemeinsam mit Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie die Erstellung eines „Frakturmoduls“.

Patienten werden durch die zusätzliche Transparenz in ihren Entscheidungen unterstützt und können damit noch besser in die Therapie eingebunden werden. Durch die Verpflichtung der zertifizierten Zentren zur Ausbildung nachfolgender Generationen wird darüber hinaus ein wesentlicher Beitrag zur Zukunftssicherung in der Patientenversorgung geleistet.

Lernendes System

Die Weiterentwicklung des Verfahrens und die Etablierung als lernendes System sind wesentliche Aufgaben der Zertifizierungskommission. Die Kommission fungiert außerdem als Bindeglied zwischen der Fachgesellschaft und den direkt am Zertifizierungsverfahren Beteiligten. Bereits wenige Wochen nach Freigabe im Oktober 2012 haben sich zahlreiche Kliniken zur Zertifizierung angemeldet. Dies zeigt die hohe Akzeptanz des Zertifizierungsverfahrens.

Die bisherigen Erfahrungen belegen, dass bereits die Vorbereitung auf die Zertifizierung zu wesentlichen, nachweisbaren Verbesserungen in den Einrichtungen führt. So profitieren Kliniken direkt, auch wenn ein Engagement für dieses neue wegweisende Verfahren mit Aufwand für die Teilnehmer verbunden ist.

Dr. med. Holger Haas,

Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Gemeinschaftskrankenhaus Bonn; h.haas@gk-bonn.de

Prof. Dr. med. Wolfram Mittelmeier,

Orthopädische Klinik & Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock

@eKasten: Autorengruppe/Pilotteilnehmer: www.aerzteblatt.de/8318

*Die Erhebungsbogen mit den Anforderungskriterien und ein Begleittext erscheinen im Thieme-Verlag (im Druck)

Organe von EndoCert

Trägerin des Verfahrens ist die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Die an der Erarbeitung der Anforderungen beteiligten Gruppen sind über Vertreter in der Zertifizierungskommission repräsentiert.

  • Die Zertifizierungskommission hat die wesentliche Aufgabe, das Verfahren in enger Anbindung an die Fachgesellschaft weiterzuentwickeln und Grundsatzfragen aus dem Zertifizierungsprozess zu klären. Sie setzt sich aus vier Fachvertretern der DGOOC sowie jeweils einem Vertreter der unterstützenden Gesellschaften (Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie) beziehungsweise Verbände (Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik/Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie) zusammen. Die Kommission wird geleitet durch Dr. med. Holger Haas, Bonn, der stellvertretende Vorsitzende ist Prof. Dr. med. Wolfram Mittelmeier, Rostock.
  • Der mit Fachexperten aus unterschiedlichen Versorgungsformen zusammengesetzte Zertifikatserteilungsausschuss entscheidet über die Vergabe des Zertifikats. Er überprüft dabei die Empfehlung, die durch die vor Ort auditierenden Fachexperten ausgesprochen wird.
  • Die praktische Durchführung und organisatorische Ausführung des Verfahrens übernimmt die Zertifizierungsstelle ClarCert in Neu-Ulm.

Autorengruppe/Pilotteilnehmer

Mitglieder der Autorengruppe (alphabetisch) bei Beginn der Entwicklungsphase 2009

Michael Ebner, Neustadt/Saale

Joachim Grifka, Regensburg

Klaus-Peter Günther, Dresden

Holger Haas, Bonn

Karl-Dieter Heller, Braunschweig

Wolfram Mittelmeier, Rostock

Fritz-Uwe Niethard, Aachen

Henning Windhagen, Hannover

Zertifizierte Teilnehmer der Pilotphasen I und II (Reihenfolge der Zertifizierung):

endobonn – Gemeinschaftskrankenhaus Bonn (EPZmax)*

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/ Universitätsklinikum Bonn (EPZmax)

Orthopädische Klinik/Herzogin-Elisabeth-Hospital Braunschweig (EPZmax)

Orthopädische Klinik im Annastift Hannover (EPZmax)

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/ St.-Remigius-Krankenhaus Opladen (EPZmax)

Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg/Asklepios-Klinik Bad Abbach (EPZmax)

Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie/Sana-Klinikum Ostholstein, Oldenburg (EPZ)

Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock (EPZmax)

Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim, Frankfurt/Main (EPZmax)

Orthopädie im Rotkreuzklinikum München (EPZ)

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/ Universitätsklinikum Aachen (EPZmax)

Endogap/Klinikum Garmisch-Partenkirchen (EPZ)

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/St.-Vincenz-und-Elisabeth-Hospital Mainz (EPZmax)

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/ Lukaskrankenhaus Bünde (EPZmax)

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Evangelischen Diakoniekrankenhaus Bremen (EPZmax)

OCM/Sana-Kliniken Solln-Sendling/München (EPZmax)

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/St.-Marien-Hospital Borken (EPZmax)

Orthopädische Klinik und Poliklinik/Klinikum Großhadern/Ludwig-Maximilians-Universität München (EPZmax)

Klinik für Orthopädie/Universitätsklinikum Dresden (EPZmax)

Gemeinschaftspraxis Havelklinik Berlin (EPZ)

Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie/St.-Vincenz-Krankenhaus Paderborn (EPZ)

*EPZ = Endoprothetikzentrum; EPZmax = Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung

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