MEDIEN
Behandlungsfehler: Aus allen Blickwinkeln wissenschaftlich fundiert


Wenn Fehler im Klinik- oder Praxisalltag passieren, ist das für die Betreffenden oftmals ein Schock. Meist stellen sich unmittelbar danach die Fragen: Wie konnte es dazu kommen? Und wie sollen die Betreffenden mit der Situation umgehen?
Eine Problemanalyse „Zum Umgang mit Behandlungsfehlern“ in der Medizin bietet der gleichnamige Tagungsband, der organisations-ethische, rechtliche und psychosoziale Aspekte aufgreift. Die Herausgeber, Kurt W. Schmidt vom Zentrum für Ethik in der Medizin am Agaplesion-Markus-Krankenhaus in Frankfurt am Main und Torsten Verrel vom Fachbereich Rechtswissenschaft des Kriminologischen Seminars der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, haben dafür vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler gewinnen können, die sich in 15 Beiträgen dem Thema aus dem Blickwinkel ihres jeweiligen Fachgebiets nähern.
Neben dem Versuch, den Begriff „Fehler“ in der Medizin überhaupt zu definieren, widmet sich ein großer Teil des Bandes der Kommunikation von Behandlungsfehlern. In sechs Artikeln werden sowohl der individuelle Umgang mit einem unerwünschten Vorfall behandelt als auch ein Blick in die Organisationsform Krankenhaus geworfen. Darüber hinaus werden die Bedeutung einer sicheren Kommunikation und die individuelle und soziale Wahrnehmung von Fehlern thematisiert. Auf die unbeachteten „inneren Hürden“ eines effizienten Fehlermanagements weist beispielsweise Carola Seifert in ihrem Beitrag hin. Sie macht mehrere Faktoren für eine falschverstandene Fehlerkultur im Arbeitsalltag verantwortlich.
Drei Beiträge zu den strafrechtlichen und haftungsrechtlichen Aspekten von Behandlungsfehlern schließen den Tagungsband ab. Michael Lindemann fragt im letzten Beitrag nach der Berechtigung einer Privilegierung ärztlicher Behandlungsentscheidungen. Er prüft beispielsweise den Sinn einer Haftungsfreistellung, also einer Art „Medical Judgment Rule“, in Anlehnung an das „Business Judgment Rule“, auf das sich Geschäftsleiter bei unternehmerischen Entscheidungen rechtlich berufen können.
Insgesamt eignet sich dieser Band gut für einen Einstieg in das sehr umfangreiche Themengebiet Behandlungsfehler. Durch das breite Spektrum an Herangehensweisen und Fragestellungen kann der Leser einen großen Mehrwert aus der Lektüre ziehen. Abgesehen davon hat er die Sicherheit, wissenschaftlich fundierte Beiträge zu lesen. Als ein konkreter Handlungsleitfaden ist der Tagungsband jedoch nicht zu verstehen. Johanna Protschka
Kurt W. Schmidt, Markus Sold, Torsten Verrel (Hrsg.): Zum Umgang mit Behandlungsfehlern. (Organisations)Ethische, rechtliche und psychosoziale Aspekte. LIT Verlag, Berlin, Münster 2012, 320 Seiten, broschiert, 29,90 Euro