

Die Autoren sprechen ein Thema von zunehmender Relevanz an. Wir möchten in diesem Zusammenhang auf eine Behandlungsmöglichkeit der PTBS hinweisen, die der Ärzteschaft hierzulande noch weitgehend unbekannt ist: die (Selbst-)Medikation mit Cannabisprodukten. In Nordamerika sowie Ländern des Balkans und des Nahen Ostens ist diese Therapie hingegen weit verbreitet. In Rhode Island (USA) wurde etwa 40 % aller 4 300 staatlich registrierten Patienten, die Cannabis konsumierten, eine Behandlung mit Cannabis ärztlicherseits wegen einer PTBS empfohlen. Der oberste Gerichtshof von Kroatien hat im Jahr 2009 entschieden, dass Kriegsveteranen Cannabis legal nutzen dürfen. Einer im Jahre 2011 vorgestellten Beobachtungsstudie aus Israel zufolge, hat Cannabis einen relevanten therapeutischen Nutzen bei der Behandlung der PTBS. Nach einer klinischen Studie aus Kanada reduziert das Cannabinoid Nabilon Albträume und Flashbacks (1). Aus Deutschland liegt ein Fallbericht vor (2), in dem ein Patient beschrieben wird, bei dem sich starke unkontrollierte Flashbacks, Panikattacken und Selbstverletzungen infolge einer schweren PTBS durch eine Selbsttherapie mit Cannabisprodukten deutlich verbesserten. Es ist davon auszugehen, dass Patienten mit PTBS ihrem behandelnden Arzt nur selten von einer solchen Selbstmedikation berichten.
Tierexperimentellen Untersuchungen zufolge kann die therapeutische Wirkung von Cannabinoiden bei der PTBS dadurch erklärt werden, dass die für die Speicherung von Erinnerungen und Furcht zuständige Amygdala der Kontrolle des endogenen Cannabinoidsystems unterliegt. Eine Überflutung der Amygdala mit Endocannabinoiden führt zu einer Auslöschung unangenehmer Erinnerungen (3). In einer kontrollierten klinischen Studie zum Extinktionslernen beugte der Cannabiswirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) dem Wiederauftreten von Furcht vor, so dass Modulatoren des Cannabinoidsystems zur Behandlung von Angststörungen vorgeschlagen wurden (4).
DOI: 10.3238/arztebl.2013.0144a
Prof. Dr. med. Kirsten Müller-Vahl, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
mueller-vahl.kirsten@mh-hannover.de
Dr. med. Franjo Grotenhermen, nova-Institut GmbH, Chemiepark Knapsack
Interessenkonflikt
Prof. Müller-Vahl ist Vorstandsmitglied in der „International Association for Cannabinoid Medicines“ und der deutschen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“.
Dr. Grotenhermen erhielt Honorare für eine Beratertätigkeit und für Gutachtertätigkeiten von THC Pharm und Bionorica Ethics. Sein Arbeitgeber ist das nova-Institut, Hürth.
1. | Fraser GA: The use of a synthetic cannabinoid in the management of treatment-resistant nightmares in posttraumatic stress disorder (PTSD). CNS Neurosci Ther 2009; 15: 84–8. CrossRef MEDLINE |
2. | Passie T, Emrich HM, Karst M, Brandt SD, Halpern JH: Mitigation of post-traumatic stress symptoms by Cannabis resin: A review of the clinical and neurobiological evidence. Drug Test Anal 2012; 4: 649–59. CrossRef MEDLINE |
3. | Marsicano G, Wotjak CT, Azad SC, et al.: The endogenous cannabinoid system controls extinction of aversive memories. Nature 2002; 418: 530–4. CrossRef MEDLINE |
4. | Rabinak CA, Angstadt M, Sripada CS, et al.: Cannabinoid facilitation of fear extinction memory recall in humans. Neuropharmacology 2013; 64: 396–402. CrossRef MEDLINE |
5. | Kowalski JT, Hauffa R, Jacobs H, Höllmer H, Gerber WD, Zimmermann P: Deployment-related stress disorder in German soldiers: utilization of psychiatric and psychotherapeutic treatment. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(35–36): 569–75. VOLLTEXT |