ArchivDeutsches Ärzteblatt10/2013Toxoplasmose-Test: Argumente für ein Screening

MEDIZINREPORT

Toxoplasmose-Test: Argumente für ein Screening

Zylka-Menhorn, Vera

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS
Der Parasit Toxoplasma gondii unterscheidet sich je nach Entwicklungsstadium in Form und Größe. Die Zellen der infektiösen Form sind in flüssigen Medien oder Frischpräparaten bogenförmig. Foto: SPL/Agentur Focus
Der Parasit Toxoplasma gondii unterscheidet sich je nach Entwicklungsstadium in Form und Größe. Die Zel­len der infektiösen Form sind in flüssigen Medien oder Frischpräparaten bogenförmig. Foto: SPL/Agentur Focus

Bei rechtzeitiger Diagnose können die Erstinfektion in der Schwangerschaft effizient behandelt und Schäden beim ungeborenen Kind vermindert werden.

Toxoplasmose-Erreger werden durch Kontakt mit Katzen beziehungsweise kontaminiertem Erdboden oder durch Verzehr von unzureichend erhitzten Fleischprodukten übertragen. Während Erwachsene (Schwangere) die Infektion meist gar nicht bemerken, kann sie beim Ungeborenen zu schweren Schäden führen. Ein Toxoplasmose-Test soll daher helfen, diese zu verhindern. Laut IGeL-Monitor wird ein solcher Test jedoch als schädlich angesehen.

Weder ein positives noch ein negatives Testergebnis sei aussagekräftig, sondern führe meist zu weiteren diagnostischen Maßnahmen – wie der Amniozentese, die die Gefahr einer Fehlgeburt berge. Im Falle eines positiven Ergebnisses sei zudem unsicher, ob die Einnahme von Antibiotika tatsächlich helfe.

Nach Angabe von Wissenschaftlern zahlreicher Institutionen (BÄMI, DGHM, DGGG, DGPI, PEG, RKI) unter Schriftleitung von Prof. Dr. med. Uwe Groß, Direktor des Nationalen Konsiliarlabors Toxoplasma an der Universitätsmedizin Göttingen, muss dieser negativen Einschätzung des Toxoplasmose-Tests widersprochen werden. Bei rechtzeitiger Diagnose und daraus ableitender Therapie könnten die Erstinfektion in der Schwangerschaft effizient behandelt und Schäden beim Kind vermindert werden.

Die Wissenschaftler argumentieren wie folgt: Beim Meinungsstreit über die Aussagekraft von Screeningtests werden häufig zwei Zielsetzungen vermischt: das Erkennen der mütterlichen Infektion und ihre Folgen für das Ungeborene.

Das Schwangerschafts-Screening ist primär eine Maßnahme zum Erkennen einer mütterlichen Infektion. Aktuelle Daten aus Deutschland weisen darauf hin, dass nur noch 20 bis 25 Prozent aller Schwangeren im ersten Trimenon eine Immunität besitzen (seropositiv). Für 75 Prozent der seronegativen Frauen aber besteht das Risiko einer Erstinfektion während der Schwangerschaft.

Entgegen der Angabe im IGeL-Monitor kann eine frische Toxo-plasma-Infektion durch einen geeigneten Screeningtest oder kombinierte IgG-/IgM-Untersuchung sehr früh erkannt werden. Die Qualität der Diagnose, die primär auf dem Nachweis von Antikörpern beruht, ist in Deutschland hoch und unterliegt einer regelmäßigen externen Qualitätskontrolle.

Dabei wird in Speziallaboren eine Spezifität und Sensitivität von nahezu 100 Prozent erreicht: Hochwertige Tests erfassen spezifische IgM-Antikörper bereits ein bis zwei Wochen und IgG-Antikörper meist drei bis vier Wochen nach der Toxoplasma-Infektion.

Test-Fehlerrate ist gering

Entgegen den Angaben des IGeL-Monitors ist die „Fehlerrate“ gering oder sind „Fälle, in denen der mütterliche Infektionsstatus falschpositiv diagnostiziert wurde“, selten. Die Fehlerrate kann maximal so hoch wie der Anteil IgM-positiver Schwangerer sein. Dieser Anteil lag im Jahr 2005 zwischen 1,6 bis 2,5 Prozent. Marker aus mütterlichem Serum, die eine direkte Risikoabschätzung für den Feten erlauben, stehen derzeit nicht zur Verfügung. Wie bei anderen pränatalen Infektionen (zum Beispiel CMV) kann gegebenenfalls nur die invasive Pränataldiagnostik Untersuchungsmaterial liefern, welches bei positivem Erregernachweis eine fetale Infektion sichert.

Pyrimethamin und Sulfadiazin

Allerdings wird in Deutschland – im Gegensatz zu Frankreich und Österreich – eine invasive Diagnostik nicht routinemäßig empfohlen; einer aktuellen Studie zufolge wird eine Amniozentese aber nur in etwa zehn Prozent der Fälle durchgeführt (Clin Infect Dis 2012; 54: 1545– 52). Stattdessen steht bei auffälliger serologischer Konstellation der Mutter die antibiotische Therapie im Vordergrund. In der Frühschwangerschaft (bis zur 16. SSW) steht Spiramycin zur Verfügung, danach die Kombination aus Pyrimethamin und Sulfadiazin. Dieses Regime wird ohne Nachweis der fetalen Infektion über mindestens vier Wochen verabreicht.

Nur bei auffälligem Ultraschallbefund und/oder Nachweis einer fetalen Infektion beziehungsweise maternaler Infektion im dritten Trimenon wird die Kombinationstherapie bis zur Geburt durchgeführt.

Beginnt die Medikation innerhalb der ersten vier Wochen, weisen nur circa 15 Prozent der infizierten Kinder klinische Manifestationen auf, bei Therapiebeginn nach der achten Woche aber steigt die Rate auf circa 70 Prozent an. Diese deutschen Ergebnisse stehen im Einklang mit einer US-Studie, wonach bei fehlender Therapie 85 Prozent der infizierten Kinder schwere klinische Symptome aufweisen (Pediatr Infect Dis J 2011; 30: 1056–61).

Eine abschließende Beurteilung der Therapieeffizienz erhofft man sich von einer prospektiven, randomisierten Studie (NCT01189448), deren Ergebnisse für 2015 erwartet werden.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote