ArchivDeutsches Ärzteblatt13/2013Forschungskooperation mit Afrika: Gemeinsam gegen Infektionen

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Forschungskooperation mit Afrika: Gemeinsam gegen Infektionen

May, Jürgen

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Infektionskrankheiten haben trotz Antibiotika und Impfungen nichts von ihrem Schrecken eingebüßt – insbesondere in armen Ländern.

Forschungsschwerpunkt HIV und Tuberkulose: Das Mbeya Medical Research Center ist mit 180 Mitarbeitern eine der größten Forschungseinrichtungen in Tansania. Fotos: Jürgen May
Forschungsschwerpunkt HIV und Tuberkulose: Das Mbeya Medical Research Center ist mit 180 Mitarbeitern eine der größten Forschungseinrichtungen in Tansania. Fotos: Jürgen May

Weltweit gehören Infektionen immer noch zu den häufigsten Ursachen für Krankheiten und Todesfälle. Betroffen sind vor allem Kinder in armen Ländern (1). Um diese Erkrankungen zu erforschen, kooperieren seit Jahren Einrichtungen in ressourcenschwachen Ländern mit Universitäten und Wissenschaftsinstitutionen in Deutschland. Vier deutsch-afrikanische Kollaborationen sind nun in das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung integriert worden, das vom Bundesforschungsministerium finanziert wird. Das Netzwerk soll die Forschung zu armutsbedingten und vernachlässigten Infektionskrankheiten verbessern.

  • Kumasi und Hamburg: Epidemiologie und biomedizinische Forschung

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg hat als ältestes Tropeninstitut in Deutschland traditionell viele Kontakte nach Afrika. Eine besonders intensive Zusammenarbeit besteht seit 1997 mit dem Kumasi Center for Collaborative Research (KCCR) in Kumasi, Ghana. Das Zentrum für angewandte biomedizinische Forschung ist, als offene Forschungsplattform, ein Joint Venture des ghanaischen Gesundheitsministeriums, der Fakultät für Medizinwissenschaften der Kwame Nkrumah Universität in Kumasi und des Bernhard-Nocht-Instituts und Teil des African Network for Diagnosis and Drug Discovery Innovation.

In der Vergangenheit hat das KCCR in Zusammenarbeit mit internationalen Forschungseinrichtungen klinische Studien zur Impfung gegen Malaria und deren Behandlung sowie zur Therapie von Filariose und Buruli-Ulkus durchgeführt. Epidemiologische Projekte haben die Verbreitungswege von und das Risiko für Malaria, Onchozerkose, Elephantiasis, Typhus und andere Tropenkrankheiten untersucht. Ein Fokus liegt auf Studien zur genetischen Empfänglichkeit von Infektionskrankheiten. Das KCCR schafft und verbessert zudem lokale Kapazitäten, indem es einheimische Fachkräfte und Studierende weiterbildet und diagnostische Methoden etabliert. Dafür und für die biomedizinische und mikrobiologische Forschung bietet das 300 Quadratmeter große moderne Labor am KCCR eine hervorragende Basis.

  • Lambaréné und Tübingen: Malaria und klinische Forschung

Das Centre de Recherches Médicales de Lambaréné (CERMEL) am Albert-Schweitzer-Krankenhaus in Lambaréné, Gabun, wurde vor 25 Jahren gegründet und gehört zu den führenden afrikanischen Forschungsinstituten. CERMEL ist seit 2012 eigenständig und pflegt intensive Kontakte zu nationalen und internationalen Partnern. Seit 1996 ist das Zentrum besonders eng mit dem Institut für Tropenmedizin der Universität Tübingen verbunden. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit liegt auf der klinischen und biomedizinischen Forschung über parasitäre Erkrankungen. Für die Entwicklung von Chemotherapeutika und Impfstoffen zur Behandlung und Prävention der Malaria sind in den letzten 20 Jahren am CERMEL zahlreiche klinische Studien der Phasen I bis III durchgeführt worden. Einige haben die Behandlung der Malaria und ihrer Komplikationen nachhaltig beeinflusst oder waren entscheidend für die Zulassung neuer Medikamente.

Blutuntersuchung am Kumasi Center for Collaborative Research: Dort werden vor allem klinische Studien zu Malaria und vernachlässigten Infektionskrankheiten durchgeführt.
Blutuntersuchung am Kumasi Center for Collaborative Research: Dort werden vor allem klinische Studien zu Malaria und vernachlässigten Infektionskrankheiten durchgeführt.

Neben der Malaria stehen Wurmerkrankungen wie Schistosomiasis und intestinale Helminthosen im Fokus der Forschung. Es gibt aber auch Projekte zu Tuberkulose, Allergien, Influenza und bakteriellen Erkrankungen. Die modernen Labors, eine Vielzahl von Projekten auf hohem internationalem Niveau sowie das effektive Management haben CERMEL zu einem Magneten für junge Forscher aus Afrika und dem Rest der Welt gemacht.

  • Mbeya und München: Klinische Forschung zu HIV und Tuberkulose

Das Mbeya Medical Research Center (MMRC) entstand 1995 als Kooperation der zentralen Gesundheitseinrichtungen im Süden von Tansania (Mbeya Referal Hospital, Mbeya Regional Medical Office) mit dem US Military HIV Program und dem Tropeninstitut München. Bis zur Übergabe an das tansanische Gesundheitsministerium 2008 hat es sich zu einer der größten medizinischen Forschungseinrichtungen mit mehr als 180 Mitarbeitern entwickelt. Wichtigster wissenschaftlicher Partner ist nach wie vor die Ludwig-Maximilians-Universität München.

Mit der epidemiologischen Forschung zu HIV Mitte der 1990er Jahre hat das MMRC Pionierarbeit geleistet. Gegenwärtig bilden klinische Studien zu neuen HIV- und Tuberkulosetherapien sowie zur HIV-Impfstoffentwicklung einen wichtigen Forschungsschwerpunkt. Grundlagenbasierte Studien (primär immunologische Untersuchungen) sowie die wissenschaftliche Evaluierung operationaler Konzepte versuchen, eine Brücke zu schlagen zwischen den Bedürfnissen der lokalen Forscher und der internationalen Forschungsagenda. Hierzu zählen auch Studien zur Implementierung neuer Technologien in entlegenen, unterversorgten Gebieten, etwa durch ein vom MMRC geführtes mobiles Labor, in dem neben Tuberkulose die gesamte Palette an HIV und HIV-assoziierten Erkrankungen diagnostiziert werden kann. Im Rahmen seiner vielfältigen Projekte hat das MMRC entscheidende Hilfe zur Selbsthilfe geleistet, indem Mitarbeiter fortgebildet und weiterführende Studienabschlüsse finanziert wurden.

  • Nouna und Heidelberg: Public Health und Epidemiologie

Das Gesundheitsministerium in Burkina Faso hat 1990 mit dem Institut für Public Health der Universität Heidelberg das Centre de Recherches en Santé de Nouna (CRSN) gegründet. Politische Bedeutung erhielt das CRSN durch zukunftsweisende, wissenschaftliche Auswertungen neuer Strategien, zum Beispiel zur Krankenversicherung oder zur Krankenversorgung. Aufgrund der großzügigen und langfristigen Finanzierung aus dem Sonderforschungsprogramm „Kontrolle tropischer Infektionskrankheiten“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnten weitere Forschungskapazitäten aufgebaut werden: parasitologische und biologische Labors, die Möglichkeit, klinische Studien durchzuführen und zuletzt die Entwicklung eines ökologischen/meteorologischen Informationssystems. Ein demografisches Überwachungssystem erhebt kontinuierlich Daten über Geburten, Todesfälle und Migration im Studiendistrikt und ermöglicht so die verschiedensten Untersuchungen.

Drittmittelgeber, Regierungen und internationale Organisationen haben erkannt, dass die Forschung zur Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostik zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten dringend verstärkt werden muss. Eine enge, langfristige und partnerschaftliche Kooperation zwischen afrikanischen und deutschen Institutionen ist dabei von beiderseitigem Interesse und Nutzen. In den afrikanischen Ländern müssen die Kapazitäten für die Forschung und eine bessere medizinische Versorgung auf- und ausgebaut werden. Außerdem ermöglicht es eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, einheimische Forscher und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern.

Den deutschen Institutionen erlaubt die Kooperation, Ärzte und Wissenschaftler in endemischen Gebieten in Tropenmedizin und klinischer Infektiologie auszubilden sowie Infektionskrankheiten und -erreger vor Ort zu untersuchen. Dies betrifft nicht nur Infektionen, die auf tropische Gebiete beschränkt sind, sondern auch Erkrankungen wie Hepatitis, Tuberkulose, Influenza oder HIV/Aids, die zwar in Afrika weiter verbreitet sind, aber auch in Deutschland vorkommen. Die zunehmende Mobilität fördert zudem den verstärkten Austausch von Pathogenen in beide Richtungen: Die Gefahr der Einschleppung von Krankheitserregern und neuen Erkrankungen nach Europa ist ebenso groß wie das Risiko, resistente Erreger aus Regionen mit intensiver Antibiotikanutzung nach Afrika zu exportieren.

Infektionskrankheiten haben trotz moderner Antibiotika und wirksamer Impfungen nicht an Schrecken und Bedeutung verloren. Die wichtigsten Gegenmaßnahmen sind Armutsbekämpfung, Zugang zur medizinischen Versorgung und intensive Forschung.

Prof. Dr. med. Jürgen May
für die DZIF-Infrastruktur „African Partner Sites“,
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung

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