ArchivDeutsches Ärzteblatt18/2013Arzt-Patienten-Kommunikation: Stresstest im Sprechzimmer

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Arzt-Patienten-Kommunikation: Stresstest im Sprechzimmer

Rink, Alexandra

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Der informierte Patient ist gefragt. Einige Ärzte aber haben Schwierigkeiten mit ihm. Wie diese sich äußern und worin die Gründe liegen, hat eine Online-Studie untersucht.

Der informierte Patient spielt eine zentrale Rolle im Gesundheitswesen: gefordert von der Politik (1), gefördert von Krankenkassen (2), unterstützt von den Medien und als unerlässlich angesehen von Patientenorganisationen (3). Er gilt als der bessere Patient. Idealerweise weiß er mehr über seine Krankheit und deren Auswirkungen, ist dadurch stärker adhärent, verbessert seine Lebensqualität und -erwartung und trägt aus gesundheitsökonomischer Sicht dazu bei, Kosten zu senken (4).

Was aber halten die Ärzte von dieser Entwicklung? Ihre Einstellung dem informierten Patienten gegenüber ist ambivalent, auch in Abhängigkeit persönlicher Erfahrungen (5). Bislang wurde die Sichtweise der Ärzte im deutschsprachigen Raum nur ansatzweise wissenschaftlich untersucht (6). Dies ist erstaunlich, da den Ärzten als den unmittelbaren Ansprechpartnern informierter Patienten eine mindestens ebenso zentrale Rolle zukommt. Ein daraus resultierendes mögliches Konfliktpotenzial spiegelt sich in der jüngsten Änderung der Approbationsordnung aus dem Jahr 2012 wider, in der die Ausbildung kommunikativer Kompetenzen angehender Ärzte ausdrücklich festgeschrieben wurde (7).

Um einen systematischen Überblick darüber zu erhalten, wie Ärzte ihre informierten Patienten erleben und mit ihnen umgehen und wie sich diese Begegnungen auf ihr berufliches Selbstverständnis auswirken, wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München in einer bundesweit angelegten Online-Studie 539 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen befragt.

Die Studie ergab, dass ein Großteil der Ärzte in den vergangenen Jahren sowohl eine Zunahme des Informations- und Beratungsbedürfnisses ihrer Patienten als auch des Anteils an informierten Patienten registrierte. Äußere Faktoren wie Alter des Arztes, Praxisgröße, Fachrichtung et cetera spielten bei dieser Einschätzung keine Rolle. Die Frage, ob sie die Arzt-Patient-Beziehung durch externe Gesundheitsinformationen – Informationen, die der Patient nicht in der Arztpraxis selbst erhält – belastet sehen, beantworteten 65,5 Prozent mit Nein, 34,5 Prozent jedoch mit Ja. Ausgehend von dieser zentralen Frage wurden für die vergleichende, deskriptive Analyse zwei Untergruppen gebildet: Gruppe A (Ärzte, die eine Belastung der Arzt-Patient-Beziehung sehen) und Gruppe B (Ärzte, bei denen dies nicht der Fall ist).

Ein Drittel der Ärzte sieht Nachteile

Nicht zuletzt aus gesundheitspolitischer Sicht ist es von Bedeutung, die Gruppe A genauer zu betrachten und zu untersuchen, warum immerhin ein Drittel der befragten Ärzte mit der Person, die zunehmend eine Schlüsselrolle einnimmt – dem informierten Patienten – offensichtlich ein Problem hat. Aus den Antworten ließen sich in der Studie vier Hauptfaktoren ausmachen, die diese Ärzte gemeinsam haben und die sie statistisch signifikant (p < .002) von Ärzten der Gruppe B unterscheiden:

  • Sie beurteilen die Qualität der zur Verfügung stehenden Patienteninformation schlechter, woraus auch eine eher negative Reaktion auf den Patienten, der sie präsentiert, resultiert. Zudem sind sie häufiger der Ansicht, der Patient erhalte in der Arztpraxis selbst alle Informationen, die er benötige.
  • Ärzte der Gruppe A stellen keine deutliche Verbesserung der Adhärenz bei informierten Patienten fest, das heißt, sie widersprechen einem der Kernargumente für Patienteninformation.
  • Sie nehmen stärker eine Störung des Praxisablaufes durch informierte Patienten wahr, vor allem durch eine aus ihrer Sicht verlängerte Gesprächsdauer und die Zunahme unangemessener Forderungen.
  • Sie sehen ihre ärztliche Autorität durch informierte Patienten infrage gestellt und ihr Selbstverständnis als Arzt beeinträchtigt: Konkret spüren sie häufiger Zweifel an ihrer fachlichen Kompetenz, fühlen sich öfter eher als Dienstleister denn als Therapeut, haben häufiger den Eindruck, Patienten an andere Praxen verloren zu haben, da sie sich nicht auf Forderungen/Diskussionen einlassen und sehen ihre Freude am Arztberuf durch eine steigende Zahl informierter Patienten eher in Gefahr, als dies bei Ärzten der Gruppe B der Fall ist.

Weder das Alter der Ärzte noch ihr Geschlecht, die Art der Praxis, die Dauer der Niederlassung, die Lage/Größe der Praxis, die Fachrichtung oder das Alter der hauptsächlich behandelten Patienten hatten einen signifikanten Einfluss auf die Zuordnung zu Gruppe A oder B. Die Gründe dafür, dass ein Arzt Schwierigkeiten mit informierten Patienten hat, liegen somit eher in seiner Persönlichkeitsstruktur oder in den Motiven seiner Berufswahl und sollten Anlass zu weiterer wissenschaftlicher Untersuchung sein.

Dr. med. Alexandra Rink

@Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit1813

Der Artikel basiert auf den bislang unveröffentlichten Ergebnissen der medizinischen Doktorarbeit der Autorin.

1.
Bundesgesundheitsministerium: Mündiger Patient. www.bmg.bund.de/praevention/patientenrechte/muendiger-patient.html (zuletzt aufgerufen: 12. März 2013).
2.
Techniker Krankenkasse: TK-Kursreihe „Kompetent als Patient“. www.tk.de/tk/beratungsangebote/kompetent-als-patient/tk-kursreihe-kompetent-als-patient/225900 (zuletzt aufgerufen: 12. März 2013).
3.
www.bgv-info-gesundheit.de (zuletzt aufgerufen: 12. März 2013).
4.
Richter E: Patientenrechte: Der informierte Patient – ein gemeinsames Ziel. Dtsch Arztebl 2000; 97(12): A 753. VOLLTEXT
5.
Baumgart J.: Ärzte und informierte Patienten: Ambivalentes Verhältnis. Dtsch Arztebl 2010; 107(51–52): A 2554 VOLLTEXT
6.
Zeidlhofer J: Der informierte Patient. Magisterarbeit, Fakultät für Sozialwissenschaften, Universität Wien. http://othes.univie.ac.at/18330 (zuletzt aufgerufen: 13. März 2013).
7.
Neue Approbationsordnung: www.bmg.bund.de/gesundheitssystem/gesundheitsberufe/approbationsordnung.html (zuletzt aufgerufen: 12. März 2013).
1.Bundesgesundheitsministerium: Mündiger Patient. www.bmg.bund.de/praevention/patientenrechte/muendiger-patient.html (zuletzt aufgerufen: 12. März 2013).
2.Techniker Krankenkasse: TK-Kursreihe „Kompetent als Patient“. www.tk.de/tk/beratungsangebote/kompetent-als-patient/tk-kursreihe-kompetent-als-patient/225900 (zuletzt aufgerufen: 12. März 2013).
3.www.bgv-info-gesundheit.de (zuletzt aufgerufen: 12. März 2013).
4.Richter E: Patientenrechte: Der informierte Patient – ein gemeinsames Ziel. Dtsch Arztebl 2000; 97(12): A 753. VOLLTEXT
5.Baumgart J.: Ärzte und informierte Patienten: Ambivalentes Verhältnis. Dtsch Arztebl 2010; 107(51–52): A 2554 VOLLTEXT
6.Zeidlhofer J: Der informierte Patient. Magisterarbeit, Fakultät für Sozialwissenschaften, Universität Wien. http://othes.univie.ac.at/18330 (zuletzt aufgerufen: 13. März 2013).
7.Neue Approbationsordnung: www.bmg.bund.de/gesundheitssystem/gesundheitsberufe/approbationsordnung.html (zuletzt aufgerufen: 12. März 2013).

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