POLITIK
Flut in Deutschland: Solidarität unter Kollegen
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Trotz sinkender Pegelstände in den Hochwassergebieten sind noch viele Menschen in Not, darunter auch Ärztinnen und Ärzte. Viele Kollegen packen mit an. Kammern und Kassenärztliche Vereinigungen helfen ebenfalls unbürokratisch.
Langsam, Zentimeter für Zentimeter stieg die Mulde in den ersten Junitagen. In Grimma befürchteten die Menschen eine ähnliche Flutkatastrophe wie vor elf Jahren. Damals war keine Stadt in Sachsen so stark betroffen wie das 30 000 Einwohner zählende Grimma. Die Stadt wurde zum traurigen Symbol der Jahrhundertflut: 250 Millionen Euro Kosten, fast 700 Häuser beschädigt oder zerstört, Brücken und Straßen weggerissen.
Die Schäden veranlassten das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft damals, ein Hochwasserkonzept zu erarbeiten, das Grimma vor einem statistisch alle 100 Jahre auftretenden Hochwasser schützen sollte. Die Arbeiten sollten 2017 abgeschlossen werden. Doch die Flut kam früher: Am 2. Juni wurde Katastrophenalarm ausgerufen; circa 2 500 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Die Mulde drängte in die frisch sanierte Altstadt und überflutete Plätze, Wohnungen, Apotheken und Arztpraxen. Die privaten und öffentlichen Investitionen der vergangenen Jahre fielen erneut den braunen Wassermassen zum Opfer.
„Die Altstadt war fast im gleichen Ausmaß überflutet wie damals, nur die Pegelstände waren niedriger“, berichtet Dr. med. Arne Drews dem Deutschen Ärzteblatt. Der in Grimma niedergelassene Internist und Arbeitsmediziner hatte Glück: Seine Praxis im ersten Stockwerk war nicht direkt betroffen. „Aber der Parkplatz war ein einziger See.“ Glücklicherweise sei diesmal die Flut langsam gekommen, und die Behörden hätten die Bevölkerung rechtzeitig informieren können, erzählt Drews: „So hatten wir noch Zeit, alle wichtigen Unterlagen aus dem Keller, in dem wir Patientenakten und Röntgenbilder aufbewahren, hoch zu tragen.“ Auch die Apotheke, die sich im Erdgeschoss des Hauses befindet, wurde in Eigeninitiative in die Praxisräume des Arztes evakuiert. Nach drei Tagen ohne Strom konnte die Praxis von Drews am 6. Juni dann wieder ihren Betrieb aufnehmen. Als Arbeitsmediziner berät er auch die Betroffenen zu den erforderlichen Schutzmaßnahmen beim Aufräumen: Feste Gummihandschuhe und Atemmasken sind erforderlich, um sich gegen die im Schlamm befindlichen Bakterien, Viren und Pilze zu schützen.
Die zweite Jahrhundertflut
Auch nach der täglichen Sprechstunde bleibt Drews derzeit im Einsatz: „Jeden Tag gehe ich noch irgendwo helfen – in die Apotheke oder zu befreundeten Kollegen aus dem Qualitätszirkel.“ Einer von ihnen ist Dr. med. Andreas Nolopp. Die Praxis des Gastroenterologen ist schon das zweite Mal stark betroffen. 2002 stand dort das Wasser 2,10 Meter hoch und reichte somit bis unter die Decke. „Wir hatten quasi einen Totalschaden“, erzählt Nolopp. „Mobiliar, Fußboden, Wände und die technischen Geräte samt der Endoskope – alles war kaputt.“
In diesem Jahr stand die Praxis „nur“ 55 Zent
Nachdem sich die Mulde wieder in ihr Flussbett zurückgezogen hatte, wurde der Schaden sichtbar: „Alle Möbel waren aufgequollen, die Türen verzogen. Lediglich der Fußboden hat diesmal gehalten. Wir hatten nämlich nach 2002 alles gefliest“, berichtet Nolopp. „Als ich die Misere betrachtete, geschah etwas, was ich nicht für möglich gehalten hätte: Zwei etwa 1,90 Meter große Jungs aus dem Sportverein Kössern kamen einfach vorbei und räumten mit Äxten die Praxis aus. Sie haben alles Aufgequollene raus gehackt, sauber gemacht und wollten nicht einmal ein Entgelt dafür annehmen“, erzählt der Arzt noch immer bewegt über diese Hilfsbereitschaft.
Hilfe bekam Nolopp auch von vielen Kollegen angeboten. Besonders freut er sich, dass er jetzt in einem Raum, den ihm das Krankenhaus in Grimma zur Verfügung gestellt hat, wieder endoskopieren kann. Nach den Renovierungsarbeiten hofft er, im August/September den regulären Praxisbetrieb aufnehmen zu können.
Grimma hat inzwischen erneut ein Hochwasser-Spendenkonto eingerichtet. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) kündigte Hilfen des Freistaates an. Aber auch auf innerärztliche Solidarität können die Betroffenen hoffen: „Jetzt geht es darum, schnell beim Aufbau und der Beseitigung von Schäden zu helfen. Aus diesem Grund hat die Sächsische Landesärztekammer bereits am 3. Juni Hilfsmaßnahmen für Ärzte beschlossen“, erklärte Prof. Dr. med. Jan Schulze, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Hilfe von Kammern und KVen
Nach Angaben der Kammer hatten sich bis zum Redaktionsschl
Mit der Hilfe ihrer KV und Landesärztekammer können auch die von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Praxen in Thüringen rechnen. Die KV Thüringen hat eine unbürokratische Soforthilfe für vom Hochwasser geschädigte Arztpraxen in Höhe von 5 000 Euro je betroffene Praxis beschlossen. Ein zinsloses Darlehen bis zu 3 000 Euro pro Arzt bietet die Landesärztekammer Thüringen an.
Auch Ärzte aus Sachsen-Anhalt, deren Praxiseinrichtungen durch die Hochwasserkatastrophe zerstört oder stark beschädigt wurden, können 1 000 Euro aus dem Sozialfonds der Landesärztekammer Sachsen-Anhalt sowie bis zu 5 000 Euro von der KV als Soforthilfe erhalten. Zudem ruft die KV zu Spenden auf. Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt sammelt ebenso für betroffene Ärzte (www.aeksa.de). Daneben besteht bei ihr die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen bis zu 5 000 Euro zu beantragen. Wie viele Ärzte die Hilfe benötigen, ist allerdings noch nicht abzuschätzen. Sicher ist jedoch. Zins- und tilgungsfreie Kredite von 25 000 Euro pro Praxis mit drei Jahren Laufzeit stellt die Deutsche Apotheker- und Ärztebank für hochwassergeschädigte Heilberufler bereit.
Auswirkungen hat und hatte das Hochwasser jedoch nicht nur auf den ambulanten, sondern auch auf den stationären Bereich. So musste
Wann sie wieder auf das Gelände der Pfeifferschen Stiftungen zurückkehren können, ist derzeit nicht absehbar. Rettungsfahrzeuge vom Arbeiter-Samariter-Bund, dem Deutschen Roten Kreuz, Maltesern und Johannitern, aber auch Busse seien etwa neun Stunden lang im Großeinsatz gewesen. Wachkomapatienten in Betten mussten ebenso transportiert werden wie Rollstuhlfahrer. Um auch in der spezialisierten Lungenklinik die Patientenversorgung in allen benötigten Disziplinen aufrechterhalten und notwendige Operationen vornehmen zu können, folgten Ärzte und Pflegekräfte ihren Patienten nach Lostau.
Dass es zu einer Evakuierung kommen würde, wurde bereits mehrere Tage vorher deutlich. Deshalb hatte das Krankenhaus frühzeitig Vo
Stark betroffen von der Flut ist auch Bayern: Am Mittwoch, 5. Juni 2013, war das Donauhochwasser in der niederbayerischen Kreisstadt Deggendorf (31 600 Einwohner) über acht Meter gestiegen, der Ortsteil Fischerdorf lag 2,30 Meter unter Wasser und musste komplett evakuiert werden. Ganz schlimm hatte es die Gemeinde Niederalteich an der Donau im Landkreis Deggendorf erwischt: Der Ort stand vollständig unter Wasser.
Von der Evakuierung im überfluteten Niederalteich betroffen sind auch die zwei dort ansässigen Praxen eines Allgemeinarztes und einer Psychotherapeutin, die unweit der Donau liegen. Die ärztliche Versorgung, bestätigen mehrere niedergelassene Ärzte auf Anfrage, ist beeinträchtigt. Nicht nur durch Schäden in den Praxen, sondern auch durch den Umstand, dass viele Patienten wegen der überfluteten Verkehrswege nicht dorthin gelangen können.
Die KV Bayerns will 1,5 Millionen Euro für unbürokratische Hilfe zugunsten aktuell hochwassergeschädigter bayerischer Vertragsärzte und -psychotherapeuten verwenden. Nach ersten Schätzungen hat die Flut in Niederbayern und der Oberpfalz Schäden von mehr als 700 Millionen Euro verursacht. Allein im Raum Deggendorf rechnet das Landratsamt mit einer Schadenssumme von 500 Millionen Euro.
Solidarität mit den vom Hochwasser betroffenen Menschen besteht jedoch mittlerweile bundesweit. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) waren vor Ort und haben unbürokratische Hilfe zugesagt. Die Bundesregierung versprach 100 Millionen Euro Soforthilfe, und auch das bayerische Kabinett hat für Kleinbetriebe 5 000 Euro Sofortgeld angekündigt.
Vorsorgliche Evakuierung
In Niedersachsen ist die Lage weniger dramatisch. Vornehmlich betroffen ist der Landkreis Lüchow-Dannenberg und hier besonders der Ort Hitzacker. Dort mussten bis Redaktionsschluss nach Angaben der KV Niedersachsen zwei Arztpraxen evakuiert werden. „Größere Schäden sind in den Praxen aber nicht entstanden“, teilte KV-Sprecher Detlef Haffke mit. Die Situation sei nach jetzigem Kenntnisstand nicht so schlimm wie beim letzten Hochwasser. Wenn nötig, werde die KV wieder finanzielle Unterstützung anbieten, versicherte Haffke. In Schleswig-Holstein werden Hilfen der KV unterdessen nicht notwendig sein.
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann,
Dr. med. Birgit Hibbeler, Klaus Schmidt,
Eugenie Wulfert
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am Donnerstag, 27. Juni 2013, 09:22
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