ÄRZTESTELLEN
Katholische Krankenhäuser: Die Loyalitätspflichten der Ärzte


Mit circa 1,3 Millionen Beschäftigten gehören die evangelische und die katholische Kirche mit zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. 500 Krankenhäuser stehen in katholischer Trägerschaft.
Die in den katholischen Krankenhäusern beschäftigten Mitarbeiter, auch die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte, unterliegen nicht nur dem staatlichen Arbeitsrecht, sondern zusätzlich kirchlichen Vorschriften. Nach Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung findet das verfassungsmäßig garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirche auch in allen ihr zugeordneten karitativen Einrichtungen Anwendung.
Die Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechtes hat zu arbeitsrechtlichen Besonderheiten im Bereich der katholischen Kirche geführt. Da die staatlichen Instrumentarien zur Regelung der Arbeitsbedingungen (Tarifvertrag, Streik und Aussperrung) im kirchlichen Dienst nicht passen, hat die Kirche ein eigenes System zur Gestaltung von Arbeitsbedingungen geschaffen, den sogenannten Dritten Weg. Weiterhin findet das staatliche Mitbestimmungsrecht keine Anwendung. Es ist durch ein kirchliches Mitbestimmungsrecht, im katholischen Bereich durch die Mitarbeitervertretungsordnung, ersetzt worden. Schließlich hat die katholische Kirche in der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ (GrO) bestimmte Maßstäbe normiert, die für die Bewertung kirchenspezifischer Loyalitätspflichten zu beachten sind.
Diese Loyalitätspflichten sind im Krankenhaussektor für verschiedene Problemfelder relevant. Beispielhaft sind zu erwähnen: Abtreibung und die „Pille danach“, moderne Techniken der Fortpflanzungsmedizin, Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden. Die Loyalitätspflichten erstrecken sich zum Teil auch auf das außerdienstliche Verhalten wie Scheidung und Wiederheirat, Lebenspartnerschaften oder den Austritt aus der Kirche. Verletzt der in einem katholischen Krankenhaus tätige Arzt solche Loyalitätspflichten, muss er mit arbeitsrechtlichen Sanktionen bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen.
Zu beachten sind vor allem die Artikel 4 und 5 GrO. Artikel 4 Absatz 1 GrO lautet wie folgt: „Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ In Artikel 5 GrO ist dann näher ausgeführt, dass eine Kündigung zum Beispiel insbesondere erfolgen kann bei Kirchenaustritt, beim öffentlichen Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (beispielsweise hinsichtlich der Abtreibung) oder bei Abschluss einer nach Kirchenrecht ungültigen Ehe, wie einer Wiederheirat.
Diese Regelungen bedeuten, dass die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre für alle Mitarbeiter katholischer Einrichtungen gelten. Bei leitenden Mitarbeitern, etwa auch in Krankenhäusern, wird weiterhin auch außerhalb dienstlicher Belange das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der kirchlichen Anschauungen gefordert.
Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) erkennen das Selbstbestimmungsrecht der katholischen Kirche im Sinne der GrO in ständiger Rechtsprechung an. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 25. April 2013 (Az.: 2 AZR 579/12) festgestellt, dass der Austritt aus der Kirche die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Verstöße gegen die Anschauungen der Kirche im dienstlichen Bereich, zum Beispiel die Verordnung der „Pille danach“ oder Abtreibungen, führen im ärztlichen Bereich ebenfalls zu berechtigten Kündigungen.
Differenzierter ist die arbeitsrechtliche Situation von beschäftigten Ärzten im außerdienstlichen, das heißt im privaten Bereich. Bei einer Wiederheirat eines Arztes kommt im Regelfall eine Kündigung nur dann in Betracht, wenn es sich um einen leitenden Mitarbeiter im Sinne des Artikel 4 Absatz 1 der GrO handelt. Dies hat das BAG in seinem Urteil vom 8. September 2011, Az.: 2 AZR 543/10, bestätigt. Gleichwohl hatte die Kündigung in diesem Fall keinen Erfolg, weil das Gericht im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte, dass der kirchliche Träger über Jahre das ehelose Zusammenleben des Chefarztes beanstandungslos hingenommen hatte.
Bei jeder Kündigung wegen eines Loyalitätsverstoßes ist zu beachten, dass der kirchliche Träger zunächst durch eine Beratung versuchen muss, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter den Mangel auf Dauer beseitigt. Gegebenenfalls sind auch eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder andere Maßnahmen (zum Beispiel eine Versetzung oder eine Änderungskündigung) als milderes Mittel in Betracht zu ziehen.
Manfred Beden
Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Lehrbeauftragter der Fachhochschule Köln,
Hille Beden Rechtsanwälte, Köln