MEDIZIN: Übersichtsarbeit
Leitsymptom pulssynchrones Ohrgeräusch
Bildgebung und klinische Differenzialdiagnostik
Pulsatile tinnitus—imaging and differential diagnosis
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Hintergrund: Im Gegensatz zum idiopathischen Tinnitus findet man bei pulssynchronen Ohrgeräuschen in den meisten Fälle eine spezifische Ursache. Im klinischen Alltag besteht aber oft Unsicherheit bezüglich der zu suchenden Befunde und der Untersuchungsstrategie.
Methoden: Selektive Literaturrecherche sowie Auswertung des eigenen Patientenkollektivs.
Ergebnisse: Pulssynchrone Ohrgeräusche sind ein polyätiologisches Symptom. Bislang fehlen prospektive Untersuchungen. Pulssynchroner Tinnitus setzt neben einem funktionierenden Hörorgan eine echte physikalische Geräuschquelle voraus, die unter bestimmten Umständen sogar durch den Untersucher objektivierbar ist. Es bietet sich eine Einteilung der Geräusche nach dem Ort der Entstehung an: arteriell, arteriovenöser Übergang und venös. Typische arterielle Ursachen sind Arteriosklerose, Dissektion und fibromuskuläre Dysplasie. Arteriovenöse Fisteln und gefäßreiche Tumoren an der Schädelbasis sind häufige Vertreter von Läsionen auf Niveau des arteriovenösen Übergangs. Bei venösen Geräuschen findet man als Ursache häufig eine intrakranielle Hypertension und als prädisponierende anatomische Faktoren Anomalien und Normvarianten basaler Venen und Sinus. Im eigenen Patientenkollektiv waren am häufigsten gefäßreiche Schläfenbeintumoren (16 %), gefolgt von venösen Normvarianten oder Anomalien (14 %) und Gefäßstenosen (9 %). Durale arteriovenöse Fisteln, eine entzündliche Hyperämie und eine intrakranielle Hypertension waren mit je 8 % am vierthäufigsten.
Schlussfolgerungen: Klinische und bildmorphologische Befunde müssen immer in der Zusammenschau gewertet werden. Sorgfältige Anamneseerhebung und klinische Untersuchung sind Grundlage für einen effizienten Einsatz bildgebender Verfahren zur Aufdeckung der Ursache für einen pulssynchronen Tinnitus.


Tinnitus ist die bewusste, meist unerwünschte Wahrnehmung eines Geräusches, das unwillkürlich im Ohr des Betroffenen entsteht oder zu entstehen scheint. Meistens existiert keine echte physikalische Schallquelle. Dieser nicht-pulsatile Tinnitus wird auf eine Fehlfunktion des Gehörs zurückgeführt (1). Bei weniger als 10 % der Patienten ist das Ohrgeräusch pulssynchron (2). Ist es auch vom Untersucher auskultierbar, bezeichnet man es als objektivierbar. Das Gehör muss beim pulssynchronen Ohrgeräusch intakt sein, denn es existiert gewöhnlich eine echte physikalische Geräuschquelle (3). Daher wird der pulssynchrone Tinnitus unter dem Überbegriff des „physikalischen Tinnitus“ oder der „Somatosounds“ eingeordnet (4). Für seine Entstehung erscheinen zwei Ursachen plausibel:
- Die Blutflussgeschwindigkeit nimmt zu oder Änderungen der Fließeigenschaften des Blutes lassen eine laminare Strömung abreißen und die resultierenden örtlichen Wirbel sind hörbar.
- Die normalen Strömungsgeräusche des eigenen Körpers werden intensiver wahrgenommen, entweder durch Veränderungen am Innenohr mit Verstärkung der Knochenleitung, oder durch eine Schallleitungsstörung mit Wegfall des maskierenden Effekts von Außengeräuschen.
Pulssynchrone Ohrgeräusche sind meistens einseitig, außer die ursächliche Gefäßpathologie ist bilateral. Neuerdings wird ein sogenannter somatosensorischer pulsatiler Tinnitus diskutiert, ein nicht seitenbetontes Geräusch ohne vaskuläre Ursache (5).
Beim pulssynchronen Ohrgeräusch findet man oft die Ursache. Eine wichtige Rolle bei der Diagnosestellung spielen neben Anamnese und gezielter klinischer Untersuchung die bildgebenden Verfahren. Aber trotz sorgfältiger Suche wird man bei bis zu 30 % der Betroffenen dennoch nicht fündig (6).
Diese Übersichtsarbeit basiert auf einer selektiven Literaturrecherche und der Analyse des Patientenguts der Autoren. Die Literatursuche erfolgte in PubMed und berücksichtigte ohne zeitliche Begrenzung Übersichtsartikel, Fallserien und Kasuistiken. Das eigene Patientenkollektiv suchten die Autoren retrospektiv in den radiologischen Befundberichten der eigenen Patienten von 2003–2012 nach den Stichworten ([pulssynchron oder pulsierend] und [Ohrgeräusch oder Tinnitus]) ab.
Die Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse bei den gefundenen 77 Patienten (M/W 26/51, mittleres Alter 56 Jahre). In 38 Fällen war das Geräusch rechts, in 27 links lokalisiert. Zwölfmal bestand keine Seitenbetonung. Bei diesen nichtlateralisierten Ohrgeräuschen fanden die Autoren signifikant seltener eine Ursache als bei Einseitigkeit (42 % versus 88 %, Fisher-Test, p = 0,001). Bei den größten bisher publizierten Fallserien fallen die enormen Differenzen in den berichteten Häufigkeiten auf, wohl Folge unterschiedlicher Patientenselektion und unterschiedlicher Diagnostikpfade. Prospektive Studien existieren nicht.
Formen des pulssynchronen Tinnitus
Die in der Literatur favorisierte Unterteilung in subjektive – nur vom Patienten gehörte – und objektive – auch vom Untersucher wahrnehmbare – Geräusche hängt davon ab, wie intensiv auskultatorisch nach dem Geräusch gefahndet wird und spiegelt nicht die Entstehungsursache wider. Daher verwenden die Autoren eine Einteilung, die sich mehr am Entstehungsort und an der Pathophysiologie des Geräusches orientiert: Pulssynchroner Tinnitus kann im arteriellen Schenkel entstehen, auf der venösen Seite und dazwischen, das heißt in Kapillaren oder am arteriovenösen Übergang.
Arterieller Schenkel
Gefäßstenosen – Arteriosklerotische Plaques und Stenosen an Kopf-Hals-Gefäßen sind bei älteren Menschen die häufigste Ursache für pulssynchrone Ohrgeräusche (1). Die Ursache für das Geräusch kann durchaus auch kontralateral zur Klinik sein: ein Gefäßverschluss auf der Gegenseite bedingt kompensatorisch eine Flussbeschleunigung im offenen Gefäß, die dann als Geräusch symptomatisch wird.
Die fibromuskuläre Dysplasie, eine segmentale, nicht-atheromatöse und oft stenosierende Gefäßerkrankung, kann vor allem bei jüngeren Menschen die Ursache für ein pulssynchrones Ohrgeräusch darstellen. Zu den steno-okklusiven Gefäßerkrankungen bei der überwiegend jüngeren Patientengruppe zählt auch die Gefäßdissektion: Durch ein Wandhämatom wird das Gefäßlumen eingeengt. Die Patienten klagen meist über akut aufgetretene Nackenschmerzen. Eine Schädigung des die Gefäße begleitenden Halssympathikus führt zum ipsilateralen Horner-Syndrom. Gefürchtet sind Hirninfarkte durch eine zerebrale Thrombembolie oder durch die hämodynamische Instabilität der Hirndurchblutung. In der angiographischen Untersuchung zeigen sich Einrisse der Intima mit Membranen und Intimasegeln oder längerstreckige segmentale Lumeneinengungen durch das Wandhämatom. Kernspintomographisch lässt sich diese intramurale Blutung oft direkt nachweisen (Abbildung 1). Im Spätstadium können sich an der Stelle des Intimarisses falsche Aneurysmen ausbilden (7).
Elongationen und Schleifenbildungen hirnversorgender Arterien werden als Ursache für ein pulssynchrones Ohrgeräusch gelegentlich erwähnt (3), weil dieser Befund aber auch bei asymptomatischen – vor allem älteren – Patienten häufig zu beobachten ist, muss er mit Zurückhaltung gewertet werden und soll nicht von der sorgfältigen Suche nach einer anderen Ursache abhalten.
Aneurysmen – Aneurysmen der A. carotis interna oder der A. vertebralis führen oft zu einem turbulenten Blutfluss, manifestieren sich aber klinisch überraschend selten als pulssynchrones Ohrgeräusch. Ausnahmen sind dissezierende Aneurysmen (3).
Anatomische Normvarianten und Anomalien der Arterien – Die seltene „ektope” Arteria carotis interna, die karotido-kochleäre Dehiszenz und die persistierende A. stapedia sind computertomographische Blickdiagnosen (8–10). Gefäßschleifen im inneren Gehörgang beobachtet man überzufällig häufig bei Individuen mit einem pulssynchronen Ohrgeräusch (11). Vermutlich ist die Übertragung des Strömungsgeräusches via Knochenleitung auf das Innenohr Ursache eines pulsierenden Tinnitus (12). Mikroskopische Gefäßanomalien im Innenohr seien der Vollständigkeit halber erwähnt (13).
Arteriovenöser Übergang
Arteriovenöse Fisteln können ein quälend lautes pulssynchrones Fauchen verursachen, das oft auch vom Untersucher zu auskultieren ist. Viele betroffene Patienten haben eine diagnostische Odyssee hinter sich. Das eigentliche Gefährdungspotenzial der Fisteln liegt aber nicht im Kurzschluss an sich, sondern in der Anatomie der venösen Drainage. Diese bestimmt, ob es zusätzlich zum Ohrgeräusch zu neurologischen Komplikationen (Herdsymptomen, Hirndruck, intrakraniellen Blutungen) kommen kann (14).
Pulssynchrone Ohrgeräusche sind neben Kopfschmerzen die häufigsten klinischen Symptome bei duralen a.v.-Fisteln, erworbenen arteriovenösen Kurzschlussverbindungen zu zerebralen Venen oder Sinus (3). Die arteriellen Zuflüsse entspringen hauptsächlich duralen Ästen der A. carotis. Am häufigsten ist die A. occipitalis beteiligt. Daher führt deren Kompression gegen das Mastoid oft zu einer Abnahme des Geräusches.
Da die Kurzschlüsse innerhalb der Dura mater liegen, geben CT oder MRT oft nur indirekte Hinweise (15, 16). Auch in der MR-Angiographie sind die Veränderungen meist subtil (Kasuistik). Diagnostischer Goldstandard ist daher die digitale Subtraktionsangiographie (DSA). Durale a.v.-Fisteln gelten als klassische Ursache für ein objektivierbares Ohrgeräusch, allerdings verursachen nicht alle duralen a.v.-Fisteln einen Tinnitus, der auch objektivierbar ist (17, 18). Die Therapie besteht in der endovaskulären Embolisation und/oder neurochirurgischen Exstirpation.
Direkte a.v.-Fisteln entstehen entweder durch eine Verletzung größerer hirnversorgender Arterien, oder durch die Ruptur eines extraduralen Aneurysmas in den umgebenden Venenplexus. Der Klassiker ist die Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel bei einer Schädelbasisfraktur. Aber auch an vertebro-vertebrale Fisteln (zwischen der A. vertebralis und dem vertebralen Venenplexus) muss gedacht werden (Abbildung 2). Wie bei den duralen a.v.-Fisteln entscheidet der venöse Abfluss über die klinischen Symptome. Zusätzliches Gefährdungspotenzial liegt im Anzapf-Phänomen auf hirnversorgende Gefäße. Schon alleine wegen der in der Regel einzuschlagenden endovaskulär-interventionellen Therapie kann man – wie bei den duralen a.v.-Fisteln – auf eine Digitale Subtraktionsangiographie (DSA) nicht verzichten.
Die pialen a.v.-Gefäßmalformationen sind angeboren und liegen innerhalb des Gehirns. Sie können neurologische Symptome verursachen, ein pulssynchroner Tinnitus ist aber selten (19).
Typische Vertreter gefäßreicher Tumoren sind die Paragangliome („Glomustumoren“), gutartige Tumoren der Schädelbasis. Ein pulssynchrones Ohrgeräusch ist bei den tympanalen und jugulären Paragangliomen eines der klinischen Leitsymptome. In 10 % der Fälle kommen Paragangliome beidseitig vor und können dann bilaterale Symptome verursachen (20). Tympanale Paragangliome sind otoskopisch sichtbar als rötliche pulsierende Raumforderung hinter dem Trommelfell. Die größeren jugulären Paragangliome wachsen primär im Foramen jugulare. So lange sie nicht in die Paukenhöhle einbrechen, sind sie otoskopisch nicht sichtbar. Umgekehrt können otoskopisch sichtbare Paragangliome nur die Spitze des Eisbergs sein, wenn die Hauptmasse des Tumors extratympanal liegt. Daher rechtfertigt der Verdacht auf ein Paragangliom stets eine subtile Schnittbildgebung. Eine DSA wird nur im Rahmen der präoperativen Tumorembolisation benötigt.
Pulsatiler Tinnitus kann auch durch andere gefäßreiche Tumoren der Schädelbasis, insbesondere des Schläfenbeins (Metastasen, basale Meningeome, Hämangiome, Heffner-Tumoren) oder durch einen Morbus Paget verursacht werden (21, 22).
Kapilläre Hyperämie – Pulssynchrones Pochen im Ohr bei einer akuten Otitis ist durch Anamnese und klinischen Untersuchungsbefund leicht zu klären. Im Rahmen einer Otosklerose führen arteriovenöse Mikrofisteln um das ovale Fenster zu einem pulssynchronen Tinnitus (1).
Venöser Schenkel
Das fließende Blut unseres Körpers produziert ständig Strömungsgeräusche. Normalerweise sind diese unterschwellig (10). Erst wenn sie so laut sind, dass sie durch Hörorgan und Hörbahn nicht mehr unterdrückt werden können, hört man sie als in der Regel venösen Tinnitus. Das ziemlich in Vergessenheit geratene Nonnensausen ist mit dem Stethoskop hörbar und wird auf veränderte Strömungsverhältnisse des Blutes – meist bei Anämie – zurückgeführt. Die resultierenden Turbulenzen sind als brummkreiselähnliches Geräusch wahrnehmbar.
Bestehen keine anderweitigen venösen Anomalien, so wird ein venöser Tinnitus öfter rechts wahrgenommen als links, weil die rechte V. jugularis in 70–80 % die dominante ist (23). Ganz allgemein scheint es oft so zu sein, dass venöse Ohrgeräusche durch anatomische Prädisposition begünstigt und durch physiologische Bedingungen ausgelöst werden. Das erklärt auch, warum sie ebenso spontan verschwinden können, wie sie aufgetreten sind. Die Ligatur der V. jugularis – Therapie der Wahl – sollte daher hartnäckigen Fällen mit hohem Leidensdruck reserviert bleiben.
Intrakranielle Hypertension – Ein pulssynchrones Ohrgeräusch kann durch eine intrakranielle Drucksteigerung verursacht werden (24). Eine der Ursachen – vor allem bei jungen übergewichtigen Frauen – ist der „Pseudotumor cerebri“, treffender als idiopathische intrakranielle Hypertension bezeichnet. Leitsymptome sind Kopfschmerzen und Visusminderung. Ein pulssynchrones Ohrgeräusch haben 65 % der Patienten (25). Kernspintomographisch findet man oft eine sogenannte „Empty Sella“, einen Prolaps liquorgefüllter Arachnoidea von den suprasellären Zisternen durch das Diaphragma Sellae nach intrasellär. Besonderes Augenmerk ist zu richten auf eine Stenosierung der venösen Sinus. Die Blutleiter können – als Folge der intrakraniellen Hypertension – von außen eingeengt werden, umgekehrt kann aber eine primäre Sinusstenose auch die Ursache der intrakraniellen Drucksteigerung darstellen. Diagnostisch wegweisend ist neben der Klinik die Lumbalpunktion mit Liquordruckmessung, die durch bildgebende Verfahren nicht ersetzt werden kann. Die Behandlung besteht in Liquor-Entlastungspunktionen oder einer operativen Liquorableitung (ventrikulo- oder lumboperitonealer Shunt, Fensterung der Optikusscheide).
Bei einer intrakraniellen Hypertension sollte man sich immer vergegenwärtigen, dass sie auch durch eine zerebrale Sinusthrombose ausgelöst werden kann. Bei einer einseitigen Quersinusthrombose muss das venöse Blut über die offene Gegenseite abfließen, so dass die vermehrte Volumenbelastung dort zu einem Geräusch führen kann.
Als weitere Ursachen für einen intrakraniellen Druckanstieg seien zerebrale Neoplasien und andere intrakranielle Raumforderungen, kraniozervikale Übergangsstörungen, Kraniostenosen und hydrozephale Liquorabflussstörungen genannt.
Anatomische Normvarianten und Anomalien der Venen und Sinus – Atypien am Bulbus Venae jugularis begünstigen die Entstehung eines venösen Ohrgeräusches. Dazu zählen ein hochstehender, ein ungewöhnlich weit lateral angelegter, ein großer und ein divertikelartiger Bulbus. Allerdings gibt es enorme interindividuelle Schwankungen und die genannten Varietäten sind häufige, asymptomatische Zufallsbefunde (26–28). Das Gleiche gilt für Emissarvenen (kondyläre oder mastoidale Emissarien), die mit Ohrgeräuschen assoziiert sein sollen, die aber ebenfalls regelmäßig vorkommen.
Ein hochstehender, dehiszenter Bulbus ist otoskopisch als livides Gebilde hinter dem Trommelfell sichtbar. Patienten mit einem dehiszenten Bulbus können mit einer Schallleitungsschwerhörigkeit auffallen, wenn der Bulbus Kontakt zu den Gehörknöchelchen hat und diese in ihrer Beweglichkeit behindert. Usuriert der Bulbus die knöcherne Labyrinthkapsel, so entsteht ein sogenanntes drittes Fenster, über das die Schallwellen entweichen. Auch dadurch verschlechtert sich die Schallleitung, ähnlich wie bei der Bogengangsdehiszenz oder beim Cholesteatom (29).
Divertikel des Sinus sigmoideus oder transversus sind venöse Ausstülpungen und wölben sich durch die Tabula interna der Kalotte in die Diploe vor (Abbildung 3). Die lokalen Flussturbulenzen werden als venöser Tinnitus wahrgenommen (30). Auch Stenosen, Strikturen und Segmentationen der Sinus (vor allem des Sinus transversus) sind mit einem pulssynchronen Ohrgeräusch assoziiert (31).
Kennzeichen der Bogengangsdehiszenz ist die fehlende knöcherne Bedeckung eines Bogengangs, meist des vorderen. Die Diagnose wird computertomographisch gestellt (Abbildung 4). Aber nur ein Bruchteil der Bogengangsdehiszenzen verursacht tatsächlich die zum Teil merkwürdigen audiovestibulären Symptome:
- Tullio-Phänomen (durch laute Geräusche provozierbare vestibuläre Symptomatik wie Schwindel, Nystagmus, Oszillopsien)
- Schallleitungsschwerhörigkeit durch Ableitung der Schallwellen über die dehiszente Stelle („drittes Fenster“)
- Verstärkung der Knochenleitung mit Wahrnehmungssteigerung für Geräusche aus dem eigenen Körper („Somatosounds“), wie Strömungsgeräusche, Autophonie, Hören der eigenen Augenbewegung und akustische Wahrnehmung des Auftretens mit dem Fuß (32, 33).
Die Therapie der Bogengangsdehiszenz besteht in der operativen Abdeckung oder der Obliteration des betroffenen Bogengangs.
Varia
Zu den seltenen Ursachen für ein pulssynchrones Ohrgeräusch zählen am Schläfenbein Meningozelen (34), das Cholesteringranulom (35) und die Perilymphfistel (21).
Untersuchungsstrategie
Klinisch
Neben der Frage nach Dauer und Anlass des Geräusches und einem vorherigem Schädel-Hirn-Trauma ist die Medikamentenanamnese wichtig, weil einige Substanzen (ACE-Inhibitoren, Kalziumantagonisten) ein pulssynchrones Ohrgeräusch begünstigen (24). Natürlich ist zu prüfen, ob das Geräusch auch tatsächlich herzsynchron auftritt. Die sorgfältige Auskultation der Kopf-Hals-Region und des Herzens sollte in einer absolut ruhigen Umgebung ohne störende Außengeräusche erfolgen. Provokations- und Rotationsmanöver (Tabelle 2) gestatten eine Eingrenzung, ob das Geräusch auf der arteriellen oder venösen Seite entsteht. Basisuntersuchungen sind die Blutdruckmessung, die Bestimmung des Body-mass-Index, die Suche nach einer Anämie und der Ausschluss einer Hyperthyreose.
Von otologischer Seite ist das Hörvermögen zu prüfen. Bei der Otoskopie sollte auf eine Otitis geachtet und nach einer vaskulären Struktur hinter dem Trommelfell gesucht werden. Seitens des neurologischen Fachgebiets ist nach Symptomen einer intrakraniellen Drucksteigerung zu fahnden (Kopfschmerz, Visusminderung mit Stauungspapille, Doppelbilder, bei gravierender Hirndrucksteigerung Übelkeit und Erbrechen) und erforderlichenfalls eine Lumbalpunktion mit Liquordruckmessung vorzunehmen. Eine vollständige Doppler-Sonographie der Kopf-Hals-Gefäße zählt ebenfalls zum Basisprogramm.
Klinische Warnzeichen sind fokalneurologische Symptome, Hirndruckzeichen oder die Objektivierbarkeit eines pulssynchronen Geräusches. Stenosierende Erkrankungen hirnversorgender Gefäße müssen gesucht werden. Wenn ein durch Anämie verursachtes Nonnensausen ausgeschlossen ist, muss stets auch an eine arteriovenöse Fistel gedacht werden.
Bildgebung
Das Minimalprogramm besteht aus einer Kombination aus CT und MRT, die einander in ihrer Aussagekraft ergänzen. Die MR-Angiographie bewährt sich bei der Darstellung der hirnversorgenden Arterien, während die Befunde an Venen und Sinus in der CT-Angiographie einfacher zu deuten sind (36). Die Bildgebung ist nie isoliert zu sehen, sondern muss immer im Kontext mit den klinischen Befunden bewertet werden. Sofern sich keine andere Ursache finden lässt, besteht bei einem eindeutig pulsatilen, herzsynchronen Tinnitus die Indikation zur DSA. Das in der Hand des Erfahrenen geringe Risiko einer Katheterangiographie ist abzuwägen gegenüber dem unter Umständen riskanten Spontanverlauf einer nicht entdeckten arteriovenösen Fistel. Einen Überblick über die anatomischen Kompartimente und die dort zu erwartenden Bildgebungsbefunde zeigt der Kasten.
Das Symptom des pulssynchronen Tinnitus hat viele höchst unterschiedliche Ursachen und betrifft mehrere klinische Disziplinen. Daher stellt sich die Schnittstellenproblematik: Eine Diagnose kann man oft nur stellen, wenn alle klinischen Befunde zusammengetragen und mit den Ergebnissen der Bildgebung kritisch abgestimmt werden. Dieses leistet idealerweise ein multidisziplinäres Team mit strukturierten Diagnostikpfaden.
Danksagung
Die Autoren danken Herrn Dipl.-Ing. O. Berboth, IT-Abteilung am Klinikum Fulda, für die Arztbrief-Recherche.
Ferner sind sie Frau Dr. A. Straube, Praxis für Kernspintomographie am St. Joseph-Krankenhaus zu Berlin, für die Überlassung der MR-Angiographie in der Kasuistik zu Dank verpflichtet.
Interessenkonflikt
Alle Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 12. 11. 2012, revidierte Fassung angenommen: 18. 2. 2013
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Erich Hofmann
Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie
Klinikum Fulda
Pacelliallee 4, 36043 Fulda
ehofmann.raz@klinikum-fulda.de
Zitierweise
Hofmann E, Behr R, Neumann-Haefelin T, Schwager K: Pulsatile tinnitus—imaging and differential diagnosis. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(26): 451−8.
DOI: 10.3238/arztebl.2013.0451
@The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
Neuroradiologie: Prof. Dr. med. Hofmann
Neurochirurgie: Prof. Dr. med. Behr
Neurologie: Prof. Dr. med. Neumann-Haefelin
HNO: Prof. Dr. med. Schwager
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Arning, Christian
Hofmann, Erich