EDITORIAL
Ausbildung von Psychotherapeuten: Verfahrensbezug ist wichtig


Die Reform der Psychotherapeutenausbildung wird die Gesundheitspolitik in die nächste Legislaturperiode begleiten. Die Probleme verschärfen sich: Inzwischen erkennen schon elf von 16 Bundesländern den Bachelorabschluss statt des Masters als Zugang zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten an – eine langfristige Dequalifizierung des Berufs wird befürchtet. Psychotherapeuten in Ausbildung demonstrieren immer wieder gegen ihre existenzielle Bedrohung während des Praxisjahres an psychiatrischen Kliniken.
Das Bundesgesundheitsministerium präferiert das Modell der Direktausbildung, also eines Hochschulstudiums der „Psychotherapie“, das mit der Approbation abschließt und anschließender verfahrensspezifischer Weiterbildung. Das Hauptargument für diese inzwischen als „basale“ Direktausbildung bezeichnete Lösung ist ordnungspolitischer Natur: Die fehlende bis schlechte Bezahlung während des Praxisjahres resultiere aus dem Konstrukt „Ausbildung“ nach dem Studium; in einer Weiterbildung müsste das Klinikjahr wie bei den Ärzten vergütet werden. Außerdem sei die Hürde, dass erst ein Studium den Zugang zu einem Beruf ermöglicht, viel zu hoch.
Bei der Fachtagung „Qualität sichern“ zur Ausbildungsreform Mitte Juni in Berlin machten Psychotherapeuten aller gängigen Verfahren deutlich, dass es so einfach nicht gehen kann. Prof. Dr. Ulrike Willutzki, Bochum, wies auf die Gefahr von „minderqualifizierten“ Psychotherapeuten hin, weil die Weiterbildung in diesem Konzept freiwillig sei. Eine selbstständige Tätigkeit sei ohne Verfahrensbezug zudem nicht vorstellbar, auch weil die Psychotherapie-Richtlinie verfahrensübergreifendes Arbeiten nicht erlaube. Für die analytischen Verfahren ergänzte Georg Schäfer, dass die Identifizierung mit einem spezifischen Verfahren ein wichtiger Wirkfaktor sei; eine „allgemeine“ Psychotherapie habe keine Evidenz. Auch der Vertreter der Verhaltenstherapie (VT), Dr. Josef Könning, sieht die Vorteile der Direktausbildung nur um den Preis der Abwertung der Approbation zu haben. Wenngleich es für die VT einfacher sein müsste, ihr Verfahren in ein Hochschulstudium zu integrieren, weil etwa 90 Prozent der Psychologie-Lehrstühle von Verhaltenstherapeuten besetzt sind, fürchtet auch Könning um die hohe Qualität der Ausbildung in dem Verfahren. Für die systemische Therapie (ST) verdeutlichte Reinert Hanswille, dass es wichtig sei, die Verfahrensvielfalt beizubehalten. Da die ST ebenso wie die Gesprächspsychotherapie und psychodynamische Verfahren jetzt schon an den Hochschulen fehlte, sieht er bei einer Direktausbildung die Gefahr einer „Monokultur mit kognitiv-behavioraler Ausrichtung“. Die Vertreterin der tiefenpsychologisch fundierten Therapie, Dr. Sabine Trautmann-Voigt, ging noch einen Schritt weiter und sprach von „Machtinteressen“: Die akademische Psychologie wolle die historische Chance ergreifen, um die VT zum Standardverfahren zu machen.
Eine Lösung für all diese Bedenken könnte die „duale“ Direktausbildung sein: Ein Studium der Psychotherapie mit allgemeinen Inhalten, das mit dem ersten Staatsexamen endet. Danach eine vertieft verfahrensbezogene Schwerpunktausbildung mit zweitem Staatsexamen und der Approbation erst im Anschluss daran. Die Diskussionen sind in vollem Gange.