ArchivDeutsches Ärzteblatt35-36/2013Therapieziel: Tinnitusbelastung reduzieren
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Dem Artikel kommt der Verdienst zu, das Thema aus einer interdisziplinären Perspektive heraus im Überblick dargestellt zu haben (1). Den Autoren ist beizupflichten, wenn sie dem immer noch verbreiteten therapeutischen Nihilismus widersprechen. Gleichzeitig sollte betont werden, dass es in der Regel um Tinnitusbewältigung und nicht um Heilung geht. Vor allem für hochbelastete Patienten ist die signifikante Reduktion der Tinnitusbelastung das realistische Therapieziel.

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) stellt die einzige wirklich evidenzbasierte Therapie dar; dies geht in dem Artikel angesichts der recht knappen Darstellung und vorsichtiger Formulierungen („das empirisch besser abgesicherte Verfahren“) leider beinahe unter.

Zur Beurteilung der Behandlungsindikation (und des Therapieerfolgs) ist die Bestimmung der Tinnitusbelastung unabdingbar. Entsprechende validierte Fragebögen stehen nicht nur – wie beiläufig angegeben – zur Verfügung, sie sollten integraler Bestandteil der Diagnostik sein. An erster Stelle ist hier der Tinnitus-Fragebogen (TF; [2]) beziehungsweise der Mini-TF12 (3) zu nennen.

Eine psychologisch ausgerichtete Tinnitustherapie, die sich vom einmaligen Counselling bis zur multimodalen stationären Tinnitusbewältigungstherapie inklusive KVT erstreckt, sollte abhängig von der Tinnitusbelastung und der psychischen Komorbidität differenziert eingesetzt werden (4). Die psychische Komorbidität, die häufig auch somatoforme Störungen umfasst, korreliert mit dem Schweregrad des Tinnitus. Vor allem hochbelastete Tinnituspatienten sollten deshalb gezielt bezüglich psychischer Störungen gescreent werden (3, 4). Psychische Begleiterkrankungen sind dabei nicht nur Folge des Tinnitus, vielmehr verhindern vorbestehende psychische Erkrankungen häufig auch eine adaptive Verarbeitung des Tinnitus und stellen somit einen wesentlichen Risikofaktor für dessen Chronifizierung und Dekompensation dar (4). Eine Behandlung psychischer Begleiterkrankungen sollte nicht, wie in Grafik 2 dargestellt, einer (verhaltenstherapeutischen) Tinnitusbehandlung voraus-, sondern mit dieser einhergehen.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0599b

Dr. med. Ulrich Stattrop

Prof. Dr. med. Gerhard Goebel

Prof. Dr. med. Ulrich Voderholzer

Schön Klinik Roseneck, Prien a. Chiemsee

grempert@schoen-kliniken.de

Interessenkonflikt

Prof. Goebel erhält Tantiemen für den Tinnitus-Fragebogen vom Hogrefe Verlag.

Die beiden übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

1.
Kreuzer PM, Vielsmeier V, Langguth B: Chronic tinnitus: an interdisciplinary challenge. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(16): 278–84 VOLLTEXT
2.
Goebel G, Hiller W: Tinnitus-Fragebogen (TF). Ein Instrument zur Erfassung von Belastung und Schweregrad bei Tinnitus. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe Verlag für Psychologie 1998.
3.
Hiller W, Goebel G: Rapid assessment of tinnitus-related psychological distress using the Mini-TQ. International Journal of Audiology 2004; 43: 600–4 MEDLINE
4.
Goebel G: Psychische Komorbidität bei Tinnitus. Psychiatr Psychother Up2date 2010; 4: 389–408 CrossRef
1.Kreuzer PM, Vielsmeier V, Langguth B: Chronic tinnitus: an interdisciplinary challenge. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(16): 278–84 VOLLTEXT
2.Goebel G, Hiller W: Tinnitus-Fragebogen (TF). Ein Instrument zur Erfassung von Belastung und Schweregrad bei Tinnitus. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe Verlag für Psychologie 1998.
3.Hiller W, Goebel G: Rapid assessment of tinnitus-related psychological distress using the Mini-TQ. International Journal of Audiology 2004; 43: 600–4 MEDLINE
4.Goebel G: Psychische Komorbidität bei Tinnitus. Psychiatr Psychother Up2date 2010; 4: 389–408 CrossRef

Fachgebiet

Der klinische Schnappschuss

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