ArchivDeutsches Ärzteblatt37/2013Körperbilder: Emil Nolde (1867–1956) – Der Tanz der Farben

SCHLUSSPUNKT

Körperbilder: Emil Nolde (1867–1956) – Der Tanz der Farben

Schuchart, Sabine

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Emil Nolde: „Kerzentänzerinnen“, 1912, Öl auf Leinwand, 100,5 × 86,5 cm: In leidenschaftlicher Ekstase wirbeln zwei Tänzerinnen in einem in orange-rotes Licht getauchten Raum umeinander. Ihre rotierenden, kaum bekleideten Körper scheinen die flackernden Flammen der Kerzen zu ihren Füßen zu imitieren. Die glühenden Farben und starken Farbkontraste schaffen eine Atmosphäre von Rauschhaftigkeit, Sinnlichkeit und Exotik. © 2013 Nolde Stiftung Seebüll
Emil Nolde: „Kerzentänzerinnen“, 1912, Öl auf Lein­wand, 100,5 × 86,5 cm: In leiden­schaftlicher Ekstase wirbeln zwei Tänzerinnen in einem in orange-rotes Licht getauchten Raum umeinander. Ihre rotierenden, kaum bekleideten Körper scheinen die flackernden Flammen der Kerzen zu ihren Füßen zu imitieren. Die glühenden Farben und starken Farb­kontraste schaffen eine Atmosphäre von Rausch­haftigkeit, Sinnlich­keit und Exotik. © 2013 Nolde Stiftung Seebüll

Ohne Ekstase kein Tanz“, postulierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Ikone des freien Ausdruckstanzes Mary Wigman − und sprach damit ausgerechnet dem introvertierten, scheuen Nordländer Emil Nolde wie aus dem Herzen: Nolde war von der neuen Tanzbewegung mit ihrer Mischung aus entfesseltem Körpergefühl und expressiv zur Schau gestellten Emotionen fasziniert, fand er darin doch genau das, was er auch in seiner Kunst zu verwirklichen suchte: eine spontane, hochemotionale Formensprache, unmittelbaren Ausdruck, Ursprünglichkeit, Sinnlichkeit und Exotik. Darum ging es ihm auch bei seinen „Kerzentänzerinnen“, die sich wie in Trance in einer Sphäre des Übersinnlichen zu bewegen scheinen. Das Gemälde aus dem Besitz der Nolde-Stiftung Seebüll ist derzeit im Museum Frieder Burda ausgestellt.

Unter den vielen Tanzdarstellungen Noldes verkörpern die Kerzentänzerinnen mit ihren expressiven Posen besonders reizvoll das Rauschhaft-Ekstatische, das den Künstler so sehr anzog. Ihre Körper konzipierte er als reine Farbflächen, reduzierte die Formgebung auf ein Minimum und schaffte es dennoch, der Dynamik und Rhythmik des Moments perfekt Ausdruck zu verleihen. Auf den pinkfarbenen, nur mit flatternden Röckchen bekleideten Leibern setzte er als einziges Körpermerkmal die überdimensional großen Brustwarzen der beiden Frauen in grellrotem Kolorit in Szene. Der gesamte Raum rund um die Tänzerinnen, ebenfalls in sinnlichem Rot, scheint vor Erotik und eruptiver Lebenskraft zu vibrieren – ein Effekt, den Nolde auch durch solche Überbetonungen erreichte.

Der Maler liebte es, beim Tanz den weiblichen Körper in seinen natürlich-spontanen Bewegungen zu beobachten. Mit Mary Wigman, die er 1911 in der Nähe von Dresden kennenlernte, sollte ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden, von der beide Künstler profitierten. Nolde visualisierte in zahlreichen Werken – auf der Leinwand ebenso wie im Aquarell oder Holzschnitt – das Archaisch-Ursprüngliche und die inneren Impulse exotischer Tänzerinnen und beeinflusste damit unter anderem den von Wigman 1917 kreierten Solo-Zyklus „Ekstatische Tänze“. Sabine Schuchart

Ausstellung

„Emil Nolde. Die Pracht der Farben“

Museum Frieder Burda; Lichtentaler Allee 8 b, Baden-Baden;

www.museum-frieder-burda.de;

Di.–So. 10–18 Uhr;

bis 13. Oktober

1.
Manfred Reuther (Hrsg.): „Emil Nolde. Mein Leben“, Autobiografie, leicht gekürzte Fassung, 455 Seiten, gebundene Ausgabe, Dumont 2011, 29,90 Euro;
2.
„Emil Nolde: Die Pracht der Farben“, Katalog zur Ausstellung, 208 Seiten, Snoeck 2013; 39,80 Euro.
1. Manfred Reuther (Hrsg.): „Emil Nolde. Mein Leben“, Autobiografie, leicht gekürzte Fassung, 455 Seiten, gebundene Ausgabe, Dumont 2011, 29,90 Euro;
2. „Emil Nolde: Die Pracht der Farben“, Katalog zur Ausstellung, 208 Seiten, Snoeck 2013; 39,80 Euro.

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