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Berufsprestige: Ärzte weiter ganz vorn


Der junge Arzt wirkt sympathisch. Erst der zweite Blick fällt auf das Euro-Zeichen auf dem Stethoskop, das er lächelnd in die Kamera hält. Und auf die aus der Kitteltasche quellenden 200- und 100-Euro-Scheine. „Die große Ärzte-Abzocke“ als dicke Schlagzeile mit dem Zusatz „Wie Mediziner ihre Patienten abkassieren“ ist fast überflüssig. Wohin die Tendenz der Titelgeschichte in der „Hörzu“ vom 5. Juli geht, erfasst jeder Leser auch so. Grund genug für Dr. Bernd Gatermann aus Wuppertal, das Abonnement der Programmzeitschrift zu kündigen, wie er dem Deutschen Ärzteblatt geschrieben hat. Auch wer nicht „Hörzu“ liest, kennt ähnlich tendenziöse Berichte in den Medien, die darauf abzielen, Ärzte pauschal zu verunglimpfen.
Szenenwechsel: Das Institut für Demoskopie Allensbach hat im Frühjahr für die regelmäßig erstellte Berufsprestigeskala 1 570 Personen, die 16 Jahre und älter sind, befragt. Das Ergebnis: Der Beruf des Arztes hat das höchste Ansehen in der Bevölkerung. Aus einer Liste von 18 Berufen zählten 76 Prozent der Befragten den Arzt zu den fünf Berufen, die sie am meisten schätzen. Den zweiten Rang belegt mit 63 Prozent die Krankenschwester, gefolgt vom Polizisten und Lehrer. Am Ende der Allensbacher Prestigeskala rangieren Politiker, Fernsehmoderatoren und Banker.
Das große Ansehen, das Ärztinnen und Ärzte genießen, belegte im vergangenen Jahr auch eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Beamtenbunds. Dort kam der Arzt hinter Feuerwehrmann sowie Kranken- und Altenpfleger auf Rang drei. Allensbach weist auf ein bemerkenswertes Ost-West-Gefälle hin: Das Ansehen des Arztes ist in neuen Ländern deutlich höher als im Westen. Wichtiger aber ist: Der Arzt gehört zu den Berufen, deren Ansehen in den vergangenen beiden Jahrzehnten erstaunlich stabil ist. Seit 20 Jahren zählen regelmäßig deutlich mehr als 70 Prozent der Bürger den Arztberuf zu den angesehensten Professionen.
Liegt es vielleicht gerade an dem unverändert hohen Ansehen des Berufs, dass sich manche Medien gern an den Ärzten abarbeiten? Eines jedenfalls ist klar: So ärgerlich das Ärzte-Bashing sein mag, so kühl kalkuliert es rein zufällig gerade dann betrieben wird, wenn wichtige Verhandlungen oder politische Entscheidungen anstehen: Die Wirkung darf nicht überschätzt werden. Denn die meisten Menschen sind mit ihrem Arzt sehr zufrieden, wie andere Umfragen regelmäßig belegen. Das persönliche Erleben als Patient ist tausendmal nachhaltiger als alle Medienberichte.
Positiv bleibt auch zu vermerken, dass im Bundestagswahlkampf, dem Titelthema dieses Heftes, bisher keine Ärztebeschimpfung zu registrieren war. So standen bei den Redaktionsgesprächen mit den gesundheitspolitischen Sprechern der beiden großen Bundestagsfraktionen sowie bei Auftritten des Gesundheitsministers vor Niedergelassenen die Sachthemen im Vordergrund. Unverkennbar war ja im Verhältnis von Ärzten zur Politik in den vergangenen Jahren eine Klimaverbesserung eingetreten. Es bleibt zu hoffen, dass nach der Wahl – wie auch immer sie ausgeht – keine neue Eiszeit folgt. Abseits aller programmatischen Unterschiede ist die Frage, ob Partei und Kandidat Gewähr dafür bieten, konstruktiv mit dem ärztlichen Berufsstand zusammenzuarbeiten und sich ernsthaft mit ärztlichen Belangen zu befassen, nicht das schlechteste Kriterium für die Wahlentscheidung.
Heinz Stüwe
Chefredakteur