MEDIZIN: Klinische Leitlinie
Erwachsene Patienten mit nosokomialer Pneumonie
Epidemiologie, Diagnostik und Therapie
Clinical Practice Guideline: Adult patients with nosocomial pneumonia—epidemiology, diagnosis and treatment
;
Hintergrund: Die nosokomiale Pneumonie gehört zu den häufigsten im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes auftretenden Infektionen. In den letzten Jahren haben sich klinisch relevante Änderungen durch die Zunahme multiresistenter Erreger (MRE) ergeben, die eine aktuelle Leitlinie zu diesem Thema notwendig machen.
Methode: Interdisziplinäre S3-Leitlinie auf der Basis einer systematischen Literaturrecherche in PubMed und der Cochrane Library mit Evidenzbewertung und Graduierung nach dem GRADE-System.
Ergebnisse: Es wurden 9 097 Abstracts und 808 Artikel im Volltext gescreent und 22 Einzelempfehlungen verabschiedet. Vor Therapiebeginn wird eine mikrobiologische Diagnostik mit Kulturen aus Blut und respiratorischem Material empfohlen. Bereits bei neuem oder progredientem Infiltrat und zwei der folgenden drei Kriterien sollte die Verdachtsdiagnose einer nosokomialen Pneumonie gestellt werden: Leukozyten > 10 000 oder < 4 000/µL, Fieber > 38,3 °C und/oder purulentes Sekret. Die initial kalkulierte antimikrobielle Therapie sollte unverzüglich begonnen werden und sich an dem lokal vorliegenden Resistenzmuster orientieren, ihre Intensität sollte vom Risiko für Infektionen mit MRE abhängig gemacht werden. Eine initiale Kombinationstherapie wird bei hohem Risiko für MRE und bei septischem Schock empfohlen. Besonderer Wert wird auf ein stringentes Deeskalationskonzept und die Begrenzung der Therapiedauer auf in der Regel acht Tage gelegt.
Schlussfolgerung: Die Empfehlungen sollen zu einem rationalen Antibiotikaeinsatz beitragen, der bei hoher Effektivität gleichzeitig eine unnötige Selektion multiresistenter Erreger vermeidet.


Die nosokomiale Pneumonie (hospital-acquired pneumonia, HAP) gehört zu den häufigsten im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes auftretenden Infektionen. Definitionsgemäß tritt sie frühestens 48–72 Stunden nach Hospitalisierung auf. Die Kategorie „health care associated pneumonia“ (HCAP) als Untergruppe der HAP im ambulanten beziehungsweise teilstationären Bereich hat sich in Europa wegen Zweifeln an der Validität dieser Entität nicht durchgesetzt (1); sie wird in dieser Leitlinie nicht berücksichtigt. Auch Patienten mit definiertem Immundefizit sind nicht Gegenstand der Leitlinie. Sie weisen ein grundsätzlich anderes Erregerspektrum auf und benötigen unabhängig vom Ort der Akquisition andere diagnostische und therapeutische Konzepte (2).
Nach den Daten des deutschen Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems KISS beträgt die Inzidenz der HAP bei invasiv Beatmeten 5,4/1 000 Beatmungstage; dies entspricht etwa 15 500 Fällen pro Jahr auf deutschen Intensivstationen (3). Unter Berücksichtigung nosokomialer Pneumonien bei nichtinvasiv beatmeten Patienten und Patienten außerhalb von Intensivstationen ergeben sich insgesamt etwa 40 000 Erkrankungen pro Jahr. Die Letalität auf Intensivstationen beträgt je nach Beatmungsstatus etwa 10–20 % (4), wobei der Anteil der Infektion an der Gesamtsterblichkeit umstritten ist; dennoch besteht kein Zweifel daran, dass die Erfolge der Intensivmedizin durch diese Komplikation erheblich beeinträchtigt werden. Dies gilt umso mehr durch die Zunahme multiresistenter Erreger (MRE) (5, 6), die das Risiko einer inadäquaten initialen Therapie erhöhen (7, 8). Im Hinblick auf das Management und die initiale kalkulierte antimikrobielle Therapie der HAP sollte daher zwischen Patienten mit und ohne Risikofaktoren für multiresistente Erreger unterschieden werden. Kasten 1 zeigt klinische Risikofaktoren für die Akquisition von MRE, Kasten 2 gibt einen Überblick über die Erreger der HAP bei Patienten mit und ohne derartige Risikofaktoren. Regional und lokal (auf Klinik- beziehungsweise Abteilungsebene) bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich Erregerspektrum und Resistenzprofil (9), so dass die Kenntnis der lokalen Situation von entscheidender Bedeutung für das Management der HAP ist. Daher sollten Institutionen, die Patienten mit HAP behandeln, Daten zu Erregern und Resistenz regelmäßig erheben und so aufbereiten, dass sie für Entscheidungen zur kalkulierten Antibiotikatherapie herangezogen werden können. Diese Erhebungen sollten idealerweise auf die bei HAP nachgewiesenen Erreger, mindestens aber auf solche, die in Atemwegsmaterialien nachgewiesen wurden, bezogen werden. Darüber hinaus legen die Autoren der Leitlinie Wert darauf, dass bei Bakterien und Pilzen der oropharyngealen Standortflora mit fehlender therapeutischer Relevanz bei nosokomialer Pneumonie auf eine Identifizierung auf Speziesebene und auf ein Antibiogramm verzichtet wird, um Fehltherapien zu vermeiden. Hierzu gehören Enterokokken, Corynebakterien, apathogene Neisserien, α-hämolysierende Streptokokken, Koagulase-negative Staphylokokken und Candida spp.
Methodik
Diese Leitlinie löst die bisher einzige im deutschen Sprachraum verfügbare Fassung von 2003 (10) ab. Die Neufassung war aufgrund erheblicher Veränderungen von Epidemiologie, Erregerspektrum und Resistenz dieser Erkrankung erforderlich. Zudem wurden in der Zwischenzeit Studien zu Diagnostik und Therapie publiziert, die für das Management der HAP von Bedeutung sind.
Die Leitliniengruppe setzte sich aus Vertretern der beteiligten Fachgesellschaften sowie der AWMF zusammen (Kasten Acknowledgement). Diese repräsentieren die Fächer Anästhesiologie, Innere Medizin, Chirurgie, Intensivmedizin, Klinische Infektiologie, Medizinische Mikrobiologie, Hygiene und Pneumologie. Die Erstellung der Leitlinie erfolgte in einem zweistufigen Prozess (eGrafik). Zunächst wurden Fragen identifiziert, die für das Management der HAP von zentraler Bedeutung sind. Die systematische Literaturrecherche erfolgte in den Datenbanken PubMed und The Cochrane Collaboration. Sie berücksichtigte deutsch- und englischsprachige Originalartikel vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 2009; darüber hinaus wurden Literaturverzeichnisse von Metaanalysen und systematischen Reviews durchsucht. Nach dem 31. Dezember 2009 publizierte Studien wurden berücksichtigt, soweit sie nach Einschätzung der Leitliniengruppe wesentlichen Einfluss auf das Management der HAP haben; sie sind besonders gekennzeichnet. Die Literatur wurde in mehreren Arbeitsgruppen gesichtet, bewertet und es wurden Empfehlungsentwürfe erstellt. Die Ergebnisse wurden auf zwei Konsensuskonferenzen unter Leitung eines Vertreters der AWMF diskutiert und überarbeitet. Sie wurden danach in einem nominalen Gruppenprozess angenommen. Die Graduierung der Empfehlungen und die Evidenzbewertung der herangezogenen Literatur erfolgten nach GRADE (Tabelle 1). Dieses Bewertungssystem beinhaltet neben der Evidenzqualität auch eine Abwägung von Nutzen und Risiko beziehungsweise Aufwand der vorgeschlagenen Maßnahmen. Die der Bewertung zugrundeliegenden Studien sind in Evidenztabellen mit Kommentaren zur Bewertung hinterlegt (11). Die Formulierung der Empfehlungen entspricht den Standards der Nationalen Versorgungsleitlinien (12).
Ergebnisse
Der Empfehlungsteil der Leitlinie gliedert sich in 22 Einzelempfehlungen, von denen zehn zur Diagnostik und zwölf zur antimikrobiellen Therapie Stellung nehmen. Erläuterungen zum Hintergrund einzelner Empfehlungen enthält die Langversion (11). Die Kurzversion fasst eine Reihe von Empfehlungen in Tabellenform zusammen; zentrale Themen werden im Originaltext wiedergegeben.
Klinische Diagnose, Bildgebung
E1: Wie wird eine HAP klinisch diagnostiziert und welche Differenzialdiagnosen sind zu beachten?
Therapierelevant ist bereits die Verdachtsdiagnose einer HAP, diese soll gestellt werden bei neuem oder progredientem Infiltrat, in Kombination mit zwei von drei weiteren Kriterien:
- Leukozyten > 10 000 oder < 4 000/µL
- Fieber > 38,3 °C
- purulentes Sekret.
Differenzialdiagnostisch sind unter anderem Atelektasen, Herzinsuffizienz/Überwässerung, alveoläre Hämorrhagie, interstitielle Lungenerkrankungen, Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) und Lungenarterienembolien abzugrenzen (starke Empfehlung, Evidenz C).
E2: Welche bildgebenden Verfahren sind in der Diagnostik der HAP indiziert?
Bei Verdacht auf eine HAP soll eine Thoraxröntgenuntersuchung möglichst in zwei Ebenen in Standardtechnik durchgeführt werden. Bei immobilen Patienten wird eine Röntgenuntersuchung im Liegen durchgeführt (starke Empfehlung, Evidenz C).
Bei therapierefraktären Infiltraten und schwieriger Differenzialdiagnose sollte eine erweiterte bildgebende Diagnostik erwogen werden (schwache Empfehlung, Evidenz C).
E3: Welche Rolle spielen Scores in der Diagnose und Risikobeurteilung der HAP?
Die klinische Diagnose der HAP wird durch die Verwendung von Pneumonie-Scores wie dem „clinical pulmonary infection score“ (CPIS) nicht verbessert. Bei Patienten mit schwerer Sepsis sollen Sepsis-Scores angewandt werden (starke Empfehlung, Evidenz C).
Labordiagnostik, mikrobiologische Diagnostik
Die Empfehlungen zur Labordiagnostik fasst eTabelle 1 zusammen. Entscheidend ist die Untersuchung respiratorischer Materialien, die vor Einleitung einer antimikrobiellen Therapie entnommen werden sollten. Nach den Ergebnissen einer neueren randomisierten, kontrollierten Studie ist eine nichtinvasive Diagnostik mittels steril entnommenem tracheobronchialen Aspirat (TBAS) der invasiven, bronchoskopischen Diagnostik mittels bronchoalveolärer Lavage (BAL) gleichwertig (13).
E5: Wann ist die Entnahme von Blutkulturen sinnvoll?
Blutkulturen sollen bei HAP zur Diagnose der bakteriämischen Pneumonie entnommen werden. Sie tragen darüber hinaus zur Therapiesteuerung und zur Aufdeckung extrapulmonaler Infektionsquellen bei (starke Empfehlung, Evidenz C).
E7: Welche mikrobiologischen Untersuchungen sollen aus respiratorischen Materialien durchgeführt werden?
Bei nosokomialer Pneumonie sollen quantitative Kulturen aus hochwertigen unteren Atemwegsmaterialien wie tracheobronchialem Aspirat oder bronchoalveolärer Lavage (BAL) angelegt werden. Die resultierenden Keimzahlen haben orientierenden Wert und sind nicht als unabhängige Prädiktoren des Vorliegens einer Pneumonie zu betrachten, vielmehr im klinischen Kontext zu interpretieren (starke Empfehlung, Evidenz B).
Darüber hinaus sollte eine Ausstrichdiagnostik zur Validierung der Probe erfolgen. Die Ergebnisse eines Gram-Präparats haben keinen prädiktiven Wert hinsichtlich der später isolierten Spezies. Dagegen hat ein negatives Gram-Präparat bei nicht antibiotisch vorbehandelten Patienten einen hohen negativen prädiktiven Wert. Ein Gram-Präparat sollte daher insbesondere angefertigt werden, wenn eine antibiotische Therapie nicht indiziert erscheint oder frühzeitig abgesetzt werden soll (schwache Empfehlung, Evidenz B).
E8: Wann ist eine invasive Diagnostik, wann eine nichtinvasive Materialgewinnung vorzuziehen?
Eine invasive ist einer nichtinvasiven Diagnostik bei Ventilator-assoziierter Pneumonie (VAP) nicht überlegen, so dass die Entscheidung für oder gegen eine invasive Diagnostik in Abhängigkeit von der lokalen Logistik, differenzialdiagnostischen Erwägungen, aber auch möglichen therapeutischen Aspekten einer endoskopischen Untersuchung getroffen werden soll. Kontraindikationen zur Durchführung einer Bronchoskopie mit BAL sind zu beachten (starke Empfehlung, Evidenz A).
Antimikrobielle Therapie
Kern des Therapieteils sind die Empfehlungen zur Auswahl der antimikrobiellen Therapie, die nachfolgend im Einzelnen wiedergegeben sind. Tabelle 2 listet empfohlene Substanzen und Dosierungen auf. Diese Empfehlungen basieren auf randomisierten Studien, die allerdings meist als Äquivalenzstudien mit dem Ziel der Zulassung neuer Substanzen angelegt wurden. Dies bedeutet, dass es in der Regel keine Evidenz für eine Überlegenheit gibt, insbesondere nicht hinsichtlich harter Endpunkte wie Mortalität; eine valide Abschätzung von Effektstärken ist aus demselben Grund nicht möglich (14). Kriterien für den initialen Einsatz einer Kombinationstherapie werden in E14 definiert. Eine randomisierte Studie der Canadian Critical Care Trial Group (15) zeigte ebenso wie eine Metaanalyse (14), dass generell keine Überlegenheit einer Kombinationstherapie der Ventilator-assoziierten Pneumonie gegenüber einer Monotherapie besteht; die 28-Tage-Mortalität war in den Studienarmen nicht unterschiedlich. Dies begründet die Restriktion einer initialen Kombinationstherapie auf Patienten mit hohem Risiko für MRE oder mit septischem Schock in der Empfehlung E14. Zur Therapiedauer (Tabelle 3) besteht ebenfalls eine gut angelegte randomisierte Studie, auf der die Empfehlung zur Beschränkung der Therapiedauer auf in der Regel acht Tage basiert (16); Ausnahmen hiervon sind in der Tabelle angegeben. Hinsichtlich der gezielten Therapie existieren kaum randomisierte Studien mit ausreichenden Patientenzahlen; eine Ausnahme stellt eine 2012 publizierte Studie zum Vergleich von Linezolid und Vancomycin bei MRSA-Pneumonien dar, die einen Unterschied hinsichtlich des Ansprechens, nicht aber der Mortalität ergab (17).
E12: Welche Optionen der kalkulierten Therapie sind bei Patienten mit nosokomialer Pneumonie ohne erhöhtes Risiko für Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) zu empfehlen?
Bei Patienten ohne erhöhtes Risiko für MRE gehören Cephalosporine der Gruppe 3a, Aminopenicilline/Betalaktamaseinhibitor, Ertapenem oder die pneumokokkenwirksamen Fluorchinolone Levofloxacin und Moxifloxacin zu den empfohlenen Therapieoptionen. Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils getroffen werden (starke Empfehlung, Evidenz C).
E13: Welche Optionen der kalkulierten Therapie sind bei Patienten mit nosokomialer Pneumonie und erhöhtem Risiko für Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) zu empfehlen?
Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für MRE gehören Piperacillin/Tazobactam oder pseudomonaswirksame Carbapeneme beziehungsweise Cephalosporine, initial in Kombination mit einem Aminoglykosid oder einem pseudomonaswirksamen Fluorchinolon, zu den empfohlenen Therapieoptionen. Ceftazidim soll nur in Kombination mit einer besser gegen Staphylococcus aureus wirksamen Substanz eingesetzt werden. Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils getroffen werden (starke Empfehlung, Evidenz B).
Bei Verdacht auf eine MRSA-Infektion soll eine gegenüber MRSA wirksame Substanz hinzugefügt werden (starke Empfehlung, Evidenz B).
E14: Wann soll eine Kombinationstherapie gewählt werden?
Eine initiale Kombinationstherapie soll ausschließlich bei Patienten mit erhöhtem Risiko für das Vorliegen multiresistenter Gram-negativer Erreger sowie bei septischem Schock eingesetzt werden. Nach zwei bis drei Tagen soll die Erfordernis der Kombinationstherapie überprüft und bei Nachweis eines empfindlichen Erregers beziehungsweise Stabilisierung des Patienten auf eine Monotherapie deeskaliert werden (Kasten 3). Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils getroffen werden (starke Empfehlung, Evidenz B).
Empfehlungen zu Therapiebeginn, Deeskalation und Therapiedauer fasst Tabelle 3 zusammen. Besonderer Wert wurde auf ein stringentes Deeskalationskonzept gelegt, um die Antibiotikaexposition und damit den Selektionsdruck auf die körpereigene Flora soweit wie möglich zu begrenzen. Eine Deeskalation der Therapie sollte bereits nach 2–3 Tagen anhand der Ergebnisse der Reevaluation beginnen, sofern eine Stabilisierung eingetreten ist (Kasten 3). Ein Therapieversagen bei HAP ist mit 10–15 % nicht selten. Die Leitlinie empfiehlt ein strukturiertes Konzept zur Abklärung bei Therapieversagen, das in der Regel eine erneute, vorzugsweise bronchoskopische Diagnostik (18) zur Klärung der Ätiologie einschließt (eKasten).
Wenige Daten existieren bislang zur Ventilator-assoziierten Tracheobronchitis (VAT) und zur inhalativen Therapie der Ventilator-assoziierter Pneumonien, die im Einzelfall additiv zu einer systemischen Therapie bei Infektionen mit MRE erwogen werden kann. Die folgenden Empfehlungen zu diesem Thema spiegeln die aktuelle Datenlage wieder:
E20: Sollte eine „Ventilator-assoziierte Tracheobronchitis“ (VAT) antimikrobiell therapiert werden?
Bei beatmeten Patienten stellt eine VAT möglicherweise einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Ventilator-assoziierten Pneumonie (VAP) dar. Eine Antibiotikatherapie kann nicht empfohlen werden, da hierfür keine ausreichende Evidenz besteht (keine Empfehlung, Evidenz C).
In Ausnahmefällen sollte bei Risikopatienten und/oder Kolonisation mit MRE bei zunehmendem purulentem Atemwegssekret oder rezidivierenden Atemwegsinfektionen eine Antibiotikatherapie erwogen werden (schwache Empfehlung, Evidenz C).
E21: Wann ist eine inhalative antimikrobielle Therapie der VAP (allein/in Kombination mit systemischer Therapie) indiziert?
Eine inhalative Antibiotikatherapie kann derzeit nicht generell empfohlen werden. In ausgewählten Fällen, wie bei multiresistenten Erregern, sollte die Gabe von aerosoliertem Colistin oder Tobramycin zusätzlich zu einer systemischen Antibiotikatherapie erwogen werden (schwache Empfehlung, Evidenz C).
Die abschließende Empfehlung befasst sich mit der gezielten Therapie bei bekanntem Erreger. Detailliertere Gesichtspunkte zur Differenzialtherapie sind der Langversion der Leitlinie (11) zu entnehmen. Insbesondere bei den multiresistenten Gram-negativen Spezies ist die Auswahl sehr begrenzt und die Studienlage unbefriedigend, so dass empfohlen wird, die Therapie in Zusammenarbeit mit einem Infektiologen/Mikrobiologen zu planen.
E22: Wie sieht die adäquate gezielte Therapie aus bei Nachweis von Infektionen mit: MRSA – Pseudomonas aeruginosa – Acinetobacter baumannii – Stenotrophomonas maltophilia – ESBL-bildenden Enterobakterien – Carbapenem-resistenten Enterobakterien?
Bei der gezielten Therapie der HAP soll die Substanzauswahl nach den folgenden Kriterien erfolgen:
- MRSA-Stämme: Geprüfte Antiinfektiva in der Monotherapie sind Vancomycin, Teicoplanin und Linezolid. Bei schwerer Erkrankung stellt die Kombination von Vancomycin mit Rifampicin eine weitere Option dar.
- Pseudomonas aeruginosa: Ceftazidim, Cefepim, Piperacillin, Doripenem, Imipenem und Meropenem sowie Ciprofloxacin und Levofloxacin sind wirksame Therapieoptionen. Die Kombination eines pseudomonaswirksamen Betalaktam-Antibiotikums mit einem Aminoglykosid (Gentamicin, Tobramycin, Amikacin) oder einem pseudomonaswirksamen Fluorchinolon ist im Einzelfall bei schwerer Infektion zu erwägen. Eine Überlegenheit gegenüber der Monotherapie ist nicht sicher belegt. Bei Resistenz gegenüber allen Standardsubstanzen ist eine Therapie mit Colistin indiziert; eine Kombinationstherapie ist hierbei anzustreben, möglichst in Rücksprache mit einem Infektiologen/Mikrobiologen.
- ESBL-Stämme: Carbapeneme sind wirksam. Bei zusätzlicher Resistenz gegen Carbapeneme kommt Colistin zum Einsatz, möglichst in Kombination.
- Stenotrophomonas maltophilia: Bei In-vitro-Empfindlichkeit ist Co-Trimoxazol indiziert. Bei Resistenz gegenüber Co-Trimoxazol soll eine Sensibilitätsprüfung auf Ceftazidim, Moxifloxacin, Levofloxacin, Tigezyklin und Ticarcillin/Clavulansäure erfolgen und auf eine dieser Substanzen zurückgegriffen werden. Zuvor ist die klinische Relevanz des Isolates zu prüfen.
- Acinetobacter spp.: Imipenem oder Meropenem sind am häufigsten wirksam. Bei Panresistenz ist Colistin indiziert, möglichst in Kombination mit einer weiteren in vitro wirksamen Substanz. Tigezyklin stellt eine zusätzliche Option für die Salvage-Therapie dar.
Die Notwendigkeit einer generellen Kombinationstherapie ist nicht etabliert (starke Empfehlung, Evidenz B).
Ausblick
Die Leitliniengruppe hat auf Empfehlungen zur Prävention der nosokomialen Pneumonie verzichtet und verweist auf die diesbezüglich maßgeblichen Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (19). Ein zentrales Thema im Umgang mit nosokomialen Infektionen ist die Vermeidung der Selektion multiresistenter Erreger unter Therapie. Die Eindämmung eines übermäßigen Antibiotikaeinsatzes gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben. Zunehmend werden auch an deutschen Kliniken Antibiotic-Stewardship-Programme implementiert, die auf der Basis von Leitlinien wie der hier vorgestellten zu einem rationalen Umgang mit Antiinfektiva beitragen sollen (20). Ziel ist dabei, den Anstieg von Infektionen insbesondere mit Gram-negativen MRE (21) zu bremsen.
Interessenkonflikt
Prof. Dalhoff erhielt Reise- und Übernachtungskosten sowie Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen von Astra-Zeneca, Bayer Vital, Novartis, Pfizer und MSD. Für das Studienzentrum nahm er Drittmittel an von Cubist, Cigma, Johnson & Johnson sowie Cerexan. Für ein von ihm iniitiertes Forschungsvorhaben erheilt er Gelder von Bayer Vital.
Prof. Ewig erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht 22. 4. 2013, revidierte Fassung angenommen: 13. 6. 2013
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Klaus Dalhoff
Medizinische Klinik III – Pneumologie/Infektiologie
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
klaus.dalhoff@uk-sh.de
Zitierweise
Dalhoff K, Ewig S; on behalf of the Guideline Development Group: Clinical Practice Guideline: Adult patients with nosocomial pneumonia—epidemiology, diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(38): 634–40. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0634
@eKasten, eTabelle und eGrafik:
www.aerzteblatt.de/13m0634
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-013l_S3_Nosokomiale_Pneumonie_Epidemiologie_Diagnostik_Therapie_2012-10.pdf.
Thoraxzentrum Ruhrgebiet, Bochum: Prof. Dr. med. Santiago Ewig
*Autoren der Leitliniengruppe siehe Kasten Acknowledgement
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Deutsches Ärzteblatt international, 201310.3238/arztebl.2013.0625
Panning, Marcus; Huzly, Daniela; Hengel, Hartmut; Kern, Winfried V.; Dettenkofer, Markus
Dalhoff, Klaus; Ewig, Santiago