

Muss Bereitschaftsdienst geleistet werden? Wie sind Arbeitnehmer geschützt? Und wie wird ihr Dienst vergütet? Ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen des Bereitschaftsdienstes
Die frühere Streitfrage, ob Bereitschaftsdienst Arbeitszeit ist oder nicht, ist inzwischen geklärt. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) dies wegweisend zugunsten spanischer Krankenhausärzte entschieden hat („SIMAP“-Entscheidung, EuGH, NZA 2000; 1227), hat der deutsche Gesetzgeber nachgezogen. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wurde im Jahr 2003 europarechtskonform angepasst. Danach ist Bereitschaftsdienst auch hierzulande Arbeitszeit.
Was bedeutet dies nun für die angestellten Ärzte? Muss Bereitschaftsdienst geleistet werden? Wie sind Arbeitnehmer geschützt? Und wie wird ihr Dienst vergütet?
Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) liegt immer dann Bereitschaftsdienst vor, wenn ein Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, um, sobald es notwendig ist, seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufzunehmen (BAG, Urteil vom 24. Oktober 2000, NZA 2001; 449). Damit unterscheidet sich Bereitschaftsdienst grundlegend von der Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort gerade selbst bestimmen darf.
Wie der Arbeitnehmer die Zeit des Sichbereithaltens verbringt, bleibt ihm selbst überlassen. Der Arbeitgeber darf lediglich den Aufenthaltsort bestimmen, an dem der Arbeitnehmer sich bereitzuhalten hat. Allerdings muss der Arbeitnehmer sich so verhalten, dass er jederzeit dazu in der Lage ist, unverzüglich seine Arbeit aufnehmen zu können.
Schutz der Arbeitnehmer
Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur dann anordnen, wenn dies gesetzlich beziehungsweise im Kollektiv- oder Einzelarbeitsvertragsrecht vorgesehen ist. Der Arbeitgeber darf seine Anordnung nach billigem Ermessen treffen, sofern nichts anderes bestimmt ist. Allerdings muss er konkret verdeutlichen, wodurch sich der Bereitschaftsdienst vom eigentlichen Dienst unterscheidet (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. November 1995, BB 96; 1672), sonst ist seine Anordnung unwirksam. Weiter ist zu beachten, dass Bereitschaftsdienst der Mitbestimmung unterliegt.
Bereitschaftsdienst leistende Arbeitnehmer genießen zunächst vollen arbeitsrechtlichen Schutz. So ist Bereitschaftsdienst auf die in § 3 Satz 1 ArbZG geregelte Höchstarbeitszeit anzurechnen (BAG, Urteil vom 23. Juni 2010, NZA 2010; 1081). Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich nicht zur Arbeitsleistung herangezogen worden ist. Auch im Rahmen der Mindestdauer gesetzlicher Ruhepausen ist Bereitschaftsdienst zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2009, Az.: 5 AZR 157/09, NZA 2010; 505). Allerdings gelten Sonderregelungen, wenn – wie in Krankenhäusern üblich – in erheblichem Umfang und regelmäßig Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst in die reguläre Arbeitszeit fällt. In der genannten Fallgestaltung darf die werktägliche Arbeitszeit laut § 7 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG über zehn Stunden hinaus verlängert werden. Voraussetzung dieser Anordnung ist auch hier ein entsprechender Tarifvertrag oder eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung aufgrund des Tarifvertrags. Außerdem ist ein Zeitausgleich zu gewähren. Ist durch besondere Regelungen gesichert, dass keine Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer besteht, ist diese Verlängerung auch ohne Zeitausgleich zulässig.
Vergütung des Dienstes
Zu beachten ist, dass die Arbeitszeit ohne entsprechende schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers („opt-out“) nicht verlängert werden darf (§ 7 Abs. 7 Satz 1 ArbZG). Dabei kann der Arbeitnehmer seine ursprünglich erteilte Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit innerhalb einer Frist von sechs Monaten auch schriftlich widerrufen (§ 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG). Der Arbeitgeber darf einen solchen Arbeitnehmer, der seine Einwilligung nicht erklärt oder widerrufen hat, deswegen nicht benachteiligen (§ 7 Abs. 7 Satz 3 ArbZG).
Bereitschaftsdienst ist grundsätzlich zu vergüten. Entsprechende Regelungen befinden sich im Arbeits- oder im einschlägigen Tarifvertrag. Fehlen Vergütungsregelungen, bemisst sich die Vergütung gemäß § 612 Abs. 2 BGB nach der üblichen Vergütung. Anerkanntermaßen verstößt es gegen die guten Sitten, wenn der Arbeitnehmer erhebliche Leistungen ohne Vergütung erbringen soll. Der Arbeitgeber hat Bereitschaftsdienst auch zu vergüten, wenn gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen wurde.
Allerdings sind für Zeiten des Bereitschaftsdienstes Abschläge hinzunehmen. Bereitschaftsdienst wird also nicht unbedingt in gleicher Höhe wie reguläre Arbeitszeit vergütet. Dies begründet das Bundesarbeitsgericht mit der geringeren Arbeitsbelastung. Durch Tarifvertrag darf geregelt werden, dass Bereitschaftsdienst durch Ausgleichsfreizeit abgegolten werden kann.
Geringere Bezahlung ist auch dann hinzunehmen, wenn innerhalb des Bereitschaftsdienstes nur eine bestimmte Arbeitszeit anfallen soll, diese dann aber überschritten wird. Dies gilt auch für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die über die für sie vereinbarungsgemäß geltende Arbeitszeit hinaus Bereitschaftsdienst erbringen (BAG, Urteil vom 21. November 1991, AP Nr. 2 zu § 34 BAT).
Wer während des Bereitschaftsdienstes so viel Arbeitsleistung erbringen musste, dass aus arbeitszeitrechtlichen Gründen die Arbeit der nachfolgenden Schicht ausfallen muss, muss insoweit sogar in Kauf nehmen, dass der Vergütungsanspruch entfällt, es sei denn, tarifvertraglich ist etwas anderes geregelt (BAG, Urteil vom 5. Juli 1976, AP Nr. 10 zu § 12 AZO). Allerdings ist der gesamte Bereitschaftsdienst und nicht nur die tatsächlich erbrachte Vollarbeit zu vergüten (BAG, Urteil vom 28. Januar 2004, NZA 2004; 656). In der Praxis werden oftmals Pauschalvergütungen gezahlt.
Gabriele Bernd, Rechtsanwältin
Rechtsanwaltskanzlei Gabriele Bernd
und Lando Sagunsky, Duisburg