ArchivDeutsches Ärzteblatt40/2013Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin: Dem Nachwuchs gerecht werden

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Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin: Dem Nachwuchs gerecht werden

Rieser, Sabine

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Komplexität in der Allgemeinmedizin – dieses Thema war der rote Faden, der die wissenschaftlichen Beiträge verband. Den Abstractband zum Kongress findet man unter www.degam2013.de.
Komplexität in der Allgemeinmedizin – dieses Thema war der rote Faden, der die wissenschaftlichen Beiträge verband. Den Abstractband zum Kongress findet man unter www.degam2013.de.

Junge Ärztinnen und Ärzte können sich offenbar wieder eher vorstellen, hausärztlich tätig zu werden. Doch noch immer wird aus der Wunschrichtung zu selten ein Beruf, weil die Hürden in Aus- und Weiterbildung zu groß sind. An ihrer Überwindung wird aber gearbeitet.

Dr. med. Sigrid Lochmann (36) wollte ursprünglich Hausärztin werden. Doch inzwischen, nach einer straffen Weiterbildung in fünf Jahren, während der sie auch zwei Kinder bekam, sagt die Ärztin: „Ich überlege, das Fach zu wechseln.“ Teilzeitstellen in Kliniken sind rar, ihre Anstellung rechnet sich für niedergelassene Kollegen nicht. Eine eigene Praxis mit der heutigen Präsenzpflicht? Zu viel Arbeit für eine Mutter mit zwei kleinen Kindern, findet Lochmann.

Bernadett Hilbert (25) startet mit der Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin und ist sich sicher, ihren „Traumjob“ gefunden zu haben: Sie freut sich auf die verschiedenen Abschnitte, das „spannende Tätigkeitsprofil“ und darauf, vielleicht später in der Praxis „Chef und nicht kleines Rädchen in der Klinik“ zu sein. Lochmann und Hilbert skizzierten ihre unterschiedlichen Erwartungen und Erfahrungen beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) in München, dessen Schwerpunktthema Komplexität in all ihren Facetten war.

Das Fach ist im Aufwind – doch die Probleme bleiben

DEGAM-Präsident Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach, und Kongressgastgeber Prof. Dr. med. Antonius Schneider, Ärztlicher Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der TU München, hatten die beiden Kolleginnen wohlüberlegt gebeten zu sprechen. „Der Nachwuchs erwartet, dass Kinder und Beruf unter einen Hut gebracht werden können“, betonte Gerlach. Und man müsse jeden in seiner Situation ernst nehmen.

Das Fach Allgemeinmedizin befindet sich im Aufwind. Der Kongress verzeichnete mit 670 Teilnehmern, darunter viele junge, einen Besucherrekord. Die Zahl der Lehrstühle für Allgemeinmedizin steigt, wenngleich das Fach noch nicht an jeder Fakultät etabliert ist. Mehr und mehr Studierende schnuppern in Praxen hinein. Zuletzt waren in einigen Regionen sogar die Gelder des Förderprogramms Allgemeinmedizin aufgebraucht, weil es mehr Interessenten als erwartet gab.

Dennoch: „Wir brauchen eine längere Zeit in der Praxis“, verlangte Gerlach. 14 Tage im verpflichtenden Blockpraktikum seien zu wenig. Die DEGAM bleibt bei ihrem Vorschlag, ein Pflichtquartal Allgemeinmedizin während des praktischen Jahres (PJ) vorzuschreiben, und will dafür intensiv bei Studierenden werben. Auch mit dem Hinweis, dass so ein Quartal im PJ für ein Wunschfach bliebe.

Gerlach ist überzeugt davon, dass sich dafür genug Lehrpraxen finden. Bislang gebe es etwa 4 700 an 37 Standorten. Nötig seien 3 000 bis 4 000 weitere. Angesichts einer Gesamtzahl von mehr als 50 000 Hausarztpraxen sei dies nach und nach zu schaffen. Die Approbationsordnung sieht ohnehin vor, dass Ende 2015 zehn Prozent aller Medizinstudierenden beanspruchen können, einen Teil ihres PJ in der Allgemeinmedizin zu absolvieren. Bis Ende 2019 muss dies allen möglich sein. Schneider verwies darauf, dass es in München gelungen sei, in kurzer Zeit das Netz der Lehrpraxen auf 200 auszudehnen. Man müsse sich derart engagieren, sagte er. Denn der Nachwuchs könne sich derzeit „nur schwer vorstellen, eine eigene Praxis zu managen“.

Um die Weiterbildung attraktiver zu gestalten, schlägt die DEGAM einen konsequenten Ausbau von Weiterbildungsverbünden aus Kliniken und Praxen vor sowie persönliche, verlässliche Weiterbildungsbudgets. Weitere Anforderungen hat sie in ihrem Konzept „Verbundweiterbildung plus“ formuliert. Dar- in schlägt die Fachgesellschaft auch vor, Begleitseminare, Mentorenbetreuung und Train-the-trainer-Seminare vorzusehen, und zwar vor allem organisiert durch universitätsnahe Zentren. Dies dürfte vermutlich noch zu Diskussionen mit den Ärztekammern führen.

Kammern und KVen können flexibel reagieren

Diskussionen löste auch Lochmann aus, zum Beispiel mit ihrer Kritik, dass Weiterbildungsabschnitte mit weniger als 50 Prozent der vorgeschriebenen Arbeitszeit nicht anerkannt würden. Manche Landesärztekammern regelten dies anders, hieß es. Und Kassenärztliche Vereinigungen bemühten sich zunehmend, junge Ärztinnen und Ärzte beim Bereitschaftsdienst zu entlasten. Auch beim Thema Präsenzpflicht sei der Handlungsbedarf erkannt.

Sabine Rieser

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