

Weil es zur herkömmlichen Psychotherapie wesentliche Unterschiede gibt, bevorzugt der Autor den Begriff „Traumatherapie“, der anzeigt, dass diese Therapie nicht störungsspezifisch ist, sondern ätiologiespezifisch, denn mit und in ihr werden Menschen behandelt, deren Krankheitsbildern existenzbedrohende Gewaltereignisse zugrunde liegen. Er diskutiert die Frage, ob Psychotraumatologie als Weiterentwicklung der Psychoanalyse zu sehen ist oder ob es sich um einen Neuansatz handelt, der verschiedene bisherige Positionen integriert. Der Autor geht davon aus, dass die Psychotraumatologie dabei ist, eine eigene Disziplin im Kanon anderer psychosozialer Fächer der Medizin zu werden. Keine Indikation zur Traumatherapie besteht, wenn die Patientinnen den Therapeuten das Anliegen antragen, sie wollten herausfinden, „ob da was war“ und damit auf einen für möglich gehaltenen Missbrauch anspielen. Der Autor verdeutlicht seine Position, dass Traumatherapie keine Methode der Wahrheitsfindung ist, sondern der Behandlung kranker Menschen dient.
Dieses praxisorientierte Lehrbuch bietet fachlich fundierte Informationen darüber, um was es sich bei der Psychotraumatologie handelt. Das Buch hilft dem Leser, einschätzen zu können, ob bei einer Person eine seelische Traumatisierung vorliegt. Er lernt, wie einem traumatisierten Menschen gegenüber eine kenntnisbasierte Haltung einzunehmen ist und welche Hilfsmöglichkeiten bestehen. Damit geht es mehr um die Grundlagen und eine Gesamtübersicht. Praxisorientiert heißt, dass der Autor häufig konkrete therapeutische Umgangsweisen für spezifische Situationen oder besondere Probleme aufzeigt.
Nach einer Einführung in Geschichte und zentrale Themen der Psychotraumatologie geht der Autor in einem zweiten Teil auf Zusammenhänge der Entstehung, Rückbildung und Chronifizierung von Traumafolgestörungen ein. Dann wird die Diagnostik ausgewählter Traumafolgestörungen wie der akuten Belastungsreaktion (ABR) oder der posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) nach ICD-10 sowie DSM-IV behandelt. In den nächsten beiden Kapiteln werden ausgewählte Gruppen speziell Betroffener und einige spezifische Ereignisse und ihre Folgen (Vergewaltigung, Missbrauch, Gewaltverbrechen, Folgen von Naturkatastrophen) behandelt. Im letzten Abschnitt gibt der Autor einen Überblick über Prinzipien und Methoden der Traumatherapie, diskutiert den Zusammenhang von Ressourcenaktivierung, Stabilisierung und Exposition und stellt einzelne therapeutische Methoden wie Psychoedukation, imaginative Therapie, die Ego-state-Therapie und EMDR vor. Joachim Koch
Günter H. Seidler: Psychotraumatologie. Ein Lehrbuch. Kohlhammer, Stuttgart 2013, 288 Seiten, kartoniert, 39,90 Euro