ArchivDeutsches Ärzteblatt45/2013Sportmedizin: Wann Kälte gut tut

MEDIZINREPORT

Sportmedizin: Wann Kälte gut tut

Rössing, Kirsten

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Die Effekte der Kryotherapie auf den Körper sind zu differenzieren nach Kraft, Ausdauer, Sprungkraft und Schnelligkeit. Auch der Zeitpunkt der Anwendung ist von Bedeutung, um die Regeneration optimal zu fördern.

Foto: picture alliance
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Sowohl im Leistungs- als auch im Breitensport kommt es immer wieder zu Sportverletzungen und Überlastungsschäden. Um den Heilungsprozess zu beschleunigen, haben sich viele Mittel etabliert, die mehr oder weniger den gewünschten Erfolg haben. Dazu gehören Cremes, Salben, Massagen, Kompressionsbekleidung, Hitze und Kälte. Vor allem Leistungssportler, die in der Wettkampfvorbereitung stehen, suchen nach Maßnahmen, die sie schnell wieder einsatzfähig machen. Um den Regenerationsprozess anzukurbeln, sind Kälteanwendungen weit verbreitet. Mit welchen kühlenden Maßnahmen positive Effekte zu erwarten und Grenzen erkennbar sind, erläuterte Dr. phil. Oliver Faude vom Institut für Sport und Sportwissenschaften der Universität Basel auf dem 2. Wissenschaftskongress des Deutschen Fußballbundes in Frankfurt/Main.

Aufgrund der teilweise hohen Beanspruchung kommt es im Leistungssport nicht selten zu Erschöpfungszuständen des Körpers. Diese können in Form der Dehydratation und Glykogenentleerung, als Mikroschäden der Muskulatur mit entzündlichen Reaktionen sowie als mentale Erschöpfung des Sportlers auftreten.

Regelstörungen auf zellbiologischer Ebene

Grundsätzlich betrachtet man den Zustand der Erschöpfung oder Verletzung als Zeichen der Prozessentgleisung mit Regelstörungen auf Zellebene. Dabei werde viel zu wenig beachtet, dass die Zellen strukturell und funktional in die komplexe extrazelluläre Matrix eingebettet sind. In diesem Interstitium, das etwa 30 Prozent des Körpervolumens ausmacht, finde die Versorgung mit Nährstoffen, die Entsorgung der Stoffwechselendprodukte, die hormonelle Steuerung, die vegetative Regulation und die immunologische Abwehr statt.

Anhand verschiedener Metaanalysen untersuchte Faude mit seinem Team, inwieweit die Kälteanwendung Einfluss auf Erschöpfungszustände nehmen kann. In einer insgesamt 17 Studien umfassenden Metaanalyse zeigten sich neben subjektiv verbessertem Wohlbefinden eine geringere Müdigkeit sowie weniger Muskelschmerzen nach Kühlung im Eiswasserbad oder in der Kältekammer nach Belastung. Interessant sei, so Faude, dass bei Studien zu Warm-Kalt-Wasser-Behandlungen in diesem Zusammenhang keine Unterschiede festzustellen waren.

Eine weitere Metaanalyse von 14 Studien zu den Effekten von Kälteanwendungen nach Belastung bestätigte den Trend zu weniger Muskelschmerzen. Es ließen sich zudem eine geringere Kreatinkinase-Konzentration sowie ein Effekt auf die Schnellkraft erkennen. Kein Einfluss zeigte sich auf die Kraft. „Da in dieser Metaanalyse lediglich untrainierte Probanden untersucht wurden, ist eine Übertragung auf den Leistungssport nicht möglich“ erläuterte Faude.

Deshalb untersuchte das Team weitere Studien zum Einfluss von Kaltwasserimmersion nach Belastung bei Leistungssportlern unter Berücksichtigung der Parameter Kraft, Ausdauer, Sprungkraft und Schnelligkeit. Auf Ausdauer, Kraft und Sprungkraft zeigten sich keine relevanten Effekte. In Bezug auf die Schnelligkeit wurde jedoch ein deutlich positiver Effekt gefunden, der zwei bis vier Tage nach der Kälteanwendung anhielt.

Da jedoch in einigen Studien als Nebenwirkung der Kühlung ein verminderter Trainingseffekt auftrat, empfiehlt Faude eine Periodisierung der Kälteanwendung als Regenerationsmaßnahme. Vielversprechend sei nach Studienlage eine Ganzkörperanwendung im Stehen im Kälteimmersionsbad für zehn bis 15 Minuten bei 10 bis 15 °C kurz nach der Belastung. „Bei Turnieren wie der Fußball-Europameisterschaft mit vielen aufeinanderfolgenden Spielen, können Kälteanwendungen wie die Kaltwasserimmersionsbäder tatsächlich hinsichtlich der Schnelligkeit etwas bringen“, erläutert Faude. Während intensiver Trainingsphasen solle man jedoch aufgrund der verminderten Trainingseffekte mit der Kälteanwendung zurückhaltend sein.

Gegen den Muskelkater: Nach der Belastung ein kaltes Bad

Was bringen diese Erkenntnisse dem Breitensportler? Freizeitsportler, die beispielsweise im Rahmen eines Beachvolleyball- oder Tennis-Turnieres ein bis drei Tage hintereinander körperlich sehr aktiv und beansprucht sind, können laut Empfehlung von Faude zur Verringerung des Muskelkaters zwischen den Turniertagen nach der Belastung ein kaltes Bad in der Badewanne von circa zehn Minuten nehmen. „Einfach den Kaltwasserhahn aufdrehen und laufen lassen. Eiswürfel können, müssen aber nicht hinzugefügt werden“, rät Faude. „Wem zehn Minuten Kaltwasserbad am Stück zu lange sind, der kann sich bei einem ähnlich guten Ergebnis alternativ für drei mal vier Minuten mit jeweils einer Minute Pause ins kalte Nass begeben.“

Laut Studienlage gibt es dazu bisher keine konkrete Empfehlung. „Die Wahrnehmung des Sportlers spielt bei der Beurteilung und dem Nutzen einer regenerativen Trainingsform eine große Rolle“, erklärt Oliver Schmidtlein, Physiotherapeut des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). „Eine Kombination aus passiven und aktiven Trainingsformen zur Regeneration kam bisher jedoch am besten bei den Sportlern an.“

Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse empfiehlt Schmidtlein nach Trainingseinheiten und nach Belastungen, wie bei einem Fußballspiel, eine aktive Regeneration in Form von Laufen oder Radfahren, Stretching, Aquagymnastik oder speziellen Körperübungen. Diese kämen allesamt der Geweberegeneration und Stoffwechselregeneration zugute. Als passive Regenerationsform unterstützen die von Faude beschriebenen Kaltwasserbäder von zehn bis 15 Minuten ergänzend den regenerativen Prozess.

Einen Tag nach der Belastung kann laut Schmidtlein die aktive Regeneration mittels Radergometer beziehungsweise Radfahren und Aquagymnastik fortgesetzt und um Kraftübungen hinsichtlich individueller Schwachstellen ergänzt werden.

Dr. med. Kirsten Rössing

Sportler: Mehr graue Substanz

Dass intensiver Sport zu Veränderungen im Gehirn führen kann, haben klinische Neurophysiologen der Universität Bochum nachgewiesen. Mit Hilfe der Kernspintomographie (MRT) machten sie Aufnahmen der Gehirne von 26 Leistungssportlern und zwölf Nichtsportlern. Bei den Sportlern handelte es sich um 13 Kampfsportler (vor allem Judoka und Karateka) und 13 Ausdauersportler (vor allem Marathonläufer und Triathleten).

Die MRT-Bilder zeigten, dass die Sportler in einer bestimmten Hirnregion, dem supplementären motorischen Areal (SMA), deutlich mehr graue Substanz aufwiesen als die Nichtsportler. Bei Ausdauersportlern fand man sogar in zwei Hirnregionen, dem SMA und dem Hippocampus, mehr graue Substanz als bei den Nichtsportlern, so der Leiter der Studie, Prof. Dr. med. Tobias Schmidt-Wilcke, Neurologe am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil. Ob die kernspintomographisch erfassten Veränderungen von einem Zellwachstum herrühren, oder etwa von einer stärkeren lokalen Durchblutung, ist noch nicht abschließend geklärt. 

„Diese Ergebnisse bestätigen den Paradigmenwechsel, der vor einigen Jahren in der Hirnforschung stattgefunden hat. Lange dachte man, dass sich das erwachsene Gehirn strukturell nicht mehr verändert. Mittlerweile wissen wir, dass etwa Lern- und Trainingsprozesse noch zu Veränderungen führen können,“ erklärt Schmidt-Wilcke. EB

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