ArchivDeutsches Ärzteblatt3/1999Börsebius zu Hochzinsangeboten: Honig ums Maul

VARIA: Schlusspunkt

Börsebius zu Hochzinsangeboten: Honig ums Maul

Rombach, Reinhold

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LNSLNS Da haben doch so viele leidgeprüfte Anleger Kummer mit den mickrigen Zinsen, man möcht’ sich gar schwarz ärgern über die paar Rendite-Kröten auf die sauer ersparte Mark.
Wohin das suchende Auge blickt, es ist einfach schlimm. Für Festgeld winken dürftige drei Prozent, und selbst bei längerlaufenden Anleihen bleibt der Renditepegel irgendwo bei fünf Prozent stehen. Es ist ein Jammer ohnegleichen.
Doch die Güte mancher Banken macht einem das Herz richtig froh. Gerade als die letzte Hoffnung zu verglühen droht, entdeckt der arme Investor in der "Welt am Sonntag" eine Zeitungsanzeige, in der ihm sagenhafte Zinsen von 13 Prozent versprochen werden. Es scheint soeben ein Wunder mittlerer Größenordnung zu geschehen. Die schnelle Prüfung nach Bonität und Herkunft des Angebotes läßt auch keinen Argwohn aufkommen, handelt es sich doch immerhin um eine gut einjährige Anleihe von Sal. Oppenheim, eine wirklich gediegene Bankadresse, und die Zinsen lauten auch auf Euro, also alles in Butter?
Doch halt, in den Anleihebedingungen steht ein ganz merkwürdiger Satz. Bei Fälligkeit hat der Emittent (also nicht der Kunde!) zwei Möglichkeiten, die Anleihe zurückzuzahlen, und zwar entweder zu hundert Prozent in Euro oder aber zum Beispiel bei einem Zeichnungsbetrag von 5 000 Euro in 61 DaimlerChrysler-Aktien.
Für den Fall, daß die DaimlerChrysler am 21. Januar 2000 unter 81,97 Euro notiert, erhalte ich also den Betrag nicht zum Nennwert zurück, sondern eben genau diese 61 Aktien von DaimlerChrysler. Im Moment - das zählt aber nicht - stehen DaimlerChrysler noch deutlich höher. Aber gesetzt den Fall, die Aktien fallen bis Januar 2000 auf 60 Euro. Dann wird der Investor genau 61 DaimlerChrysler angedient bekommen, das wäre dann ein Gegenwert von 3 666 Euro. Zusammen mit den 650 Euro für die Zinsen wäre dann für eine vermeintlich todsichere Geldanlage immer noch ein Verlust von etwa 13 Prozent zu beklagen. Das wird nicht eintreten, sagen Sie. Das mag schon sein. Oder auch nicht. Aber glauben Sie bloß nicht, die Leute von Oppenheim, die ja zu den besten Aktienspezialisten Deutschlands zählen, hätten keine klare Meinung zu DaimlerChrysler. Ich wette, daß man beim Oppenheim-Research für DaimlerChrysler ziemlich auf Baisse eingestellt ist. Übrigens auch für BASF, da gibt es eine ähnlich gezimmerte Anleihe.
Das alles hat also nichts mit purer Menschenliebe zu tun, sondern ist nüchternes Kalkül, und dann wird einem Anleger noch ein bißchen Honig ums Maul geschmiert. Oder glauben Sie wirklich noch an Wunder? Börsebius

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