

Einer Umfrage im Kopenhagener Fachblatt "Dagens Medicin" zufolge wollen dänische Krankenschwestern ein
"heißes Wochenende" am liebsten mit einem Narkosearzt verbringen. Hinsichtlich Charme, Eifer beim Flirten,
Humor, Kleidung, Klugheit und Aussehen verwiesen die Narkotiseure ihre männlichen Kollegen aus zehn
weiteren Fachgebieten auf die Plätze. Zufall? Oder aus kollektivem Unbewußten gespeiste Notwendigkeit?
In einigen Märchen über die Methoden, mit denen man(n) die Liebe einer Frau gewinnt, befindet sich die
Angebetete im Koma oder in einem todesähnlichen Schlaf. Im Film "Working Girl - Die Waffen der Frauen"
(1988) hat Mike Nichols dieses Motiv zeitgemäß bearbeitet: Die Affäre der ehrgeizigen Sekretärin Tess McGill
(Melanie Griffith) mit Jack Trainer (Harrison Ford) beginnt, als ihr nach dem Genuß einer Mischung aus
Alkohol und Beruhigungsmitteln in seinen Armen die Sinne schwinden.
Schlaf impliziert Erwachen. Das "sexuelle Erwachen" der Frau gehört zu den Klischees der biographischen
Literatur. So schreibt zum Beispiel Margaret Forster über die Schriftstellerin Daphne du Maurier (1997):
"Geoffrey hielt ihre Hand, und sie verspürte zum ersten Mal ein Schaudern, von dem sie auf Anhieb wußte, daß
es anders als jede vorherige Empfindung war . . . Nach ihrem sexuellen Erwachen erschien ihr das Leben
unbefriedigender als je zuvor . . ." Robert Gernhardt bringt es in seinem Gedicht "Ihm gesagt" beherzt und
zwanglos auf den Punkt: "In jeder Frau da steckt/ein Sexualobjekt/das muß der Mann erwecken/ sonst bleibt es
in ihr stecken."
Etwas
komplizierter liegen die Dinge in Heinrich von Kleists Erzählung "Die Marquise von O . . .": Die verwitwete
Protagonistin läßt durch die Zeitungen bekanntmachen, "daß sie ohne ihr Wissen in andere Umstände gekommen
sei; daß der Vater zu dem Kinde, das sie gebären würde, sich melden solle; und daß sie, aus Familiengründen,
entschlossen wäre, ihn zu heiraten". Der Hintergrund: Während der Eroberung der Zitadelle, der ihr Vater als
Kommandant vorsteht, rettet ein (feindlicher) russischer Offizier die Marquise aus den Händen einer Rotte
Scharfschützen, die im Begriff sind, ihr Gewalt anzutun. Er führt sie in einen von den Flammen noch nicht
ergriffenen Flügel des Palastes, wo sie bewußtlos niedersinkt. Für das, was dann geschieht, braucht Kleist nur
einen Bindestrich . . . Die Marquise erwacht rasch wieder aus ihrer Ohnmacht.
Wie die Märchen nimmt auch die Geschichte der Marquise ein glückliches Ende: Sie heiratet den Vater ihres
Kindes, und im Verlauf eines Jahres wird dem Offizier "um der gebrechlichen Einrichtung der Welt willen
verziehen".
Vor solch einer mythologisch-cineastisch-literarischen Kulisse können Psychiater und Internisten, selbst
Urologen und Gynäkologen allerdings nur das Nachsehen haben.
Dr. med. Christof Goddemeier
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