WIRTSCHAFT
Praxisabgabe: Rechtzeitig und mit Sachverstand


Praxisinhaber stehen am Ende ihrer Karriere vor wichtigen Entscheidungen: die Praxisabgabe und die Nachfolgerplanung. Viele Ärztinnen und Ärzte weichen diesem Entscheidungsproblem aus, bis nur noch externe Experten helfen können.
Eine systematische, zielorientierte Planung ist oftmals keine Sache des Freiberuflers Arzt. Denn viele Ärzte verdrängen bis kurz vor dem Ende der Berufskarriere das Problem der Praxisnachfolge und des Praxisverkaufs, weil sie zeit ihres Berufslebens von der Improvisation und der Spontaneität gelebt und davon profitiert haben. Probleme der langfristigen Finanzierung und der Einsatz des Praxisverkaufserlöses für die Altersversorgung bleiben oftmals ungelöst und dem Grundsatz geopfert, alles werde sich schon von alleine regeln. Finanzierungsexperten von Banken wissen: mitnichten! Die Praxisveräußerung ist eine wichtige Entscheidung, die oftmals einer kompetenten Hilfe und Beratung bedarf.
Die Krux: Viele Praxisabgeber planen zu kurzfristig und bereiten sich wenig überlegt auf die anstehende Praxisübergabe vor. Dabei empfiehlt das Pflichtenheft: die Nachfolgersuche; eine Entscheidung, ob es eine Übergangskooperation mit dem Nachfolger geben soll; Klärung aller rechtlichen Aspekte; steuerliche Obliegenheiten, Vorgaben der Bedarfsplanung; Reglement des Zulassungsausschusses; kostenfreie Beratung durch einen erfahrenen Niederlassungsberater der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und Rückgriff auf die Expertise von Berufskollegen, die den Schlussakkord der Praxisabgabe bereits gemeistert haben.
Weniger potenzielle Käufer
Die Suche nach einem Praxiskäufer ist heute schwerer als vor zehn oder 15 Jahren, als noch eine „Überproduktion“ an Ärzten die Praxisveräußerung erleichterte. Auch die geänderten Bedarfsplanungsrichtlinien verursachen einen unaufschiebbaren Handlungsbedarf bei der Praxisabgabe. Die regionalisierte Bedarfsplanung lenkt das Sicherstellungsinteresse der KVen mehr auf die hausärztliche Versorgung, insbesondere auf dem Land, was die Praxisabgabe in Ballungsgebieten und Großstädten erschweren dürfte.
Kürzlich machten Profis von Banken darauf aufmerksam, welche Investitionen helfen können, die Aussichten auf eine erfolgreiche Praxisveräußerung zu verbessern. Ihr Rat: Grundfalsch wäre es, in den letzten Jahren der Berufstätigkeit die Zügel schleifen zu lassen und erforderliche Investitionen zu unterlassen oder dem Nachfolger zu überantworten. Die Prosperität einer Arztpraxis muss auch für die Generation Y, also der nach 1980 geborenen Jungärzte, erhalten bleiben. Die Prognosen bis zum Jahr 2020 lassen folgende Konstellation erwarten: Bis zum Ende dieses Dezenniums werden etwa 52 000 Praxen zur Veräußerung stehen, gleichzeitig geht die Zahl potenzieller Praxiskäufer zurück. Andererseits: Nur noch jeder vierte Arzt lässt sich nieder. Nur wer eine rentable Praxis führt und einen ausreichenden Patientenstamm vorweisen kann, wird diese zu einem guten Preis verkaufen können. Aus der Sicht des Nachfolgers wird eine Praxis umso wertvoller sein, je sicherer die zu erwartenden Einnahmen sein werden. Spezialisierungen und Kooperationen werden vorteilhafter sein als das Fortführen einer „Hobby“- oder Solopraxis.
Grundsatz: Frühzeitige Suche verbessert die Wahlmöglichkeiten. Bereits fünf Jahre vor einer geplanten Praxisübergabe sollte die To-do-Liste abgearbeitet werden. Prinzipiell bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis der zu veräußernden Praxis. Wichtig ist eine unbestechliche Bewertung der Praxis im Ganzen nach bewährten Grundsätzen, die beispielsweise die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) und das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) offerieren. Richtlinien über die betriebswirtschaftliche Bewertung von Arztpraxen wurden vom ZI in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erarbeitet. Diese werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert und auf die jeweilige Umsatz- und Ertragslage ausgerichtet (Veröffentlichung der Bewertungsgrundsätze von ZI und KBV in der Rubrik „Bekanntgaben“ im Deutschen Ärzteblatt). Es lässt sich in größeren Praxisstrukturen eine bessere medizintechnische Ausstattung relativ leicht verwirklichen und günstig finanzieren. Anteile in Berufsausführungsgemeinschaften lassen sich zumeist besser verkaufen als große arbeitsintensive Solopraxen. Eine gezielte und ausreichende Investition in die Apparate- und Medizintechnik kann sich im Wettbewerb um potenzielle Nachfolger positiv auswirken. Nach Ermittlungen der Apobank lag der Praxiswert bei einer Einzelpraxisübernahme bei Spezialinternisten zuletzt durchschnittlich bei 135 000 Euro, bei Hausärzten bei 100 000 Euro und bei Gynäkologen bei 81 000 Euro (alte Bundesländer). Im Osten: fachärztliche Internisten: etwa 100 000 Euro, Gynäkologen: circa 48 000 Euro und Hausärzte: ungefähr 52 000 Euro.
Trend zur Kooperation
Bei einer Einzelpraxis mit einem Bruttoumsatz in Höhe von 220 000 Euro pro Jahr belaufen sich die Praxiskosten durchschnittlich auf etwa 120 000 Euro. Diese teilen sich nach rezenten Analysen so auf: 33 Prozent entfallen auf den Unternehmerlohn des Arztes, 24 Prozent sind Personalkosten, sieben Prozent entfallen auf Raumkosten, zwölf Prozent müssen für Steuern und Abgaben erwirtschaftet werden, etwa zehn Prozent entfallen auf Zinsen und Abschreibungen, 14 Prozent sind „sonstige Kosten“. Der freiberuflich tätige Arzt hat in der Regel nur geringe Möglichkeiten, auf diese Kostenkategorien aktiv Einfluss zu nehmen, die Kostenquoten zu minimieren oder zu optimieren. In der Regel gelingt dies durch straffe Personalplanung, weitere Rationalisierungsmaßnahmen und vermehrte Kooperationen mit Kollegen, beispielsweise in Berufsausübungsgemeinschaften.
In den letzten Jahren hat sich der Trend zur kooperativen Berufsausübung in fast allen ärztlichen Fachgruppen verstärkt. Nach der Existenzgründungsanalyse der Apobank und des Zentralinstituts hat sich inzwischen fast jeder zweite Arzt für eine Berufsausübung in einer Kooperation entschieden (49,4 Prozent). Im Westen betrug der Anteil im Jahr 2012 bereits 53,2 Prozent, in Deutschland-Ost 30 Prozent. Dies trifft vor allem auf die jüngere Generation zu. In den alten Bundesländern haben sich 56,9 Prozent der Ärzte bis zu 40 Jahren in einer kooperativen Praxisform niedergelassen. Dies sind 12,8 Prozentpunkte mehr als in der Gruppe der 45-jährigen und älteren Ärzte. In den neuen Ländern sind folgende Anteile festzustellen: Hier entschieden sich 31,7 Prozent der Ärzte bis 40 Jahre für die Kooperation, bei der älteren Generation waren es 25,7 Prozent.
Niedriges Zinsniveau
Wichtig ist die Beurteilung des Zinsniveaus und der Investitionsfinanzierung. Carolin Roos, Leiterin Heilberufsberatung der Deutschen Bank: „Das weiterhin sehr günstige Zinsniveau und positive Honoraraussichten schaffen zurzeit eine besonders gute Ausgangslage für Investitionen und für langfristige Finanzierungen. Die Einbindung zinssubventionierter öffentlicher Fördermittel und den Einsatz von Investitionszuschüssen ist ebenfalls eine wichtige Überlegung wert.“ Öffentliche Fördergelder für Selbstständige und Angehörige der freien Berufe sind attraktiv. Als Partner für die Existenzgründer kommt zum Beispiel die KfW-Mittelstandsbank infrage. Sie fördert Existenzgründer, Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmer. Die auf die Heilberufe spezialisierten Institute und Banken offerieren für Ärzte maßgeschneiderte Finanzierungspakete und verfügen über die Kreditantragsformale der KfW.
Dr. rer. pol. Harald Clade
Holderied, Rupert