

Endlich – habe ich gedacht, als ich im Radio die Meldung über das Coming-out des schwulen Profifußballers Thomas Hitzlsperger hörte. Keiner traute sich bisher, an die Öffentlichkeit zu gehen; immer wieder ließen sich Sportoffizielle vernehmen, dass ein Coming-out unweigerlich einen langen, schweren Leidensweg für den Betroffenen nach sich ziehen würde. Und jetzt das – nur positive Reaktionen.
Und wie sieht es in unserem Beruf aus? Wie würde es einem „Dr. med. Hitzlsperger“ ergehen? Viele Kollegen haben immer noch Angst, sich zu outen. Das ist schlimm; es verbraucht unglaublich viel Energie, eine Scheinidentität aufrechtzuerhalten. Und es schadet. Meist wissen trotzdem alle Bescheid, wollen den schwulen Kollegen aber nicht „outen“. Eine gute Arbeitsatmosphäre sieht anders aus.
Ich selbst habe jahrelang darauf geachtet, nicht mit der Kollegin, mit der ich zusammenlebte, gleichzeitig zur Arbeit zu kommen. Als wir endlich den – für uns – großen Schritt wagten, den Kollegen die Wahrheit zu sagen, hörte man ein allgemeines Aufatmen. Alle hatten Bescheid gewusst oder waren nicht interessiert. Das war vor 20 Jahren. Heute erwähne ich meine Frau im Gespräch so, wie meine männlichen Hetero-Kollegen – nebenbei und ohne rot zu werden. Und es passiert – nichts.
Also, Kollegen, seid „Dr. med. Hitzlsperger“: Erzählt im OP vom Wochenendausflug mit eurem Geliebten oder beim Kaffee von der Immobiliensuche mit eurem Mann, geht pünktlich nach Hause, weil ihr dem Freund ein romantisches Abendessen versprochen habt. Kein Kollege wird einen Herzstillstand erleiden, und die Krankenschwestern werden euch noch mehr lieben.
*Dr. med. Kirsten Holsteg ist
niedergelassene Radiologin in Frankfurt/M.
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