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Neuregelung der Sterbehilfe: Kein Geschäft mit der Angst


Zuständig für ein neues Sterbehilfegesetz ist das Bundesjustizministerium. Doch dem neuen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) liegt das Thema offenbar am Herzen. Denn bereits in einem seiner ersten Interviews sprach er sich dafür aus, „dass wir jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen“. Wer mit den Ängsten der Menschen vor dem Sterben ein Geschäft machen wolle und sich für Hilfe zur Selbsttötung bezahlen lasse, handele „überaus verwerflich“. Unter der schwarz-gelben Koalition war es in dieser Frage zu keiner Entscheidung gekommen. Zwar hatte die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) einen Gesetzentwurf vorgelegt, der vorsah, die gewerbsmäßige Hilfe zum Suizid unter Strafe zu stellen. Doch der ging Kritikern aus Kirchen, Verbänden und der Union nicht weit genug und wurde auf Eis gelegt.
Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, hatte davor gewarnt, dass sich Sterbehilfeorganisationen leicht zu vermeintlich altruistisch handelnden Vereinen oder Stiftungen umfirmieren lassen könnten. Seiner Forderung, dass der Gesetzgeber auch diejenigen Organisationen miterfassen soll, bei denen rechtlich keine Gewinnerzielungspraxis nachweisbar sei, scheint jetzt bei der Politik Gehör zu finden. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) kündigte die Neuregelung der Sterbehilfe als eine der ersten Gesetzesinitiativen der neuen Regierung an. Im ZDF-Morgenmagazin sagte er: „Ein großes Thema, das jetzt kommen wird, ist das Thema Sterbehilfe, Sterbebegleitung, das wir als interfraktionellen Antrag einbringen wollen – alle Fraktionen zusammen.“ Durch die geplante Aufhebung des Fraktionszwangs entscheiden die Abgeordneten völlig frei. Das Verfahren ist bei Gewissensentscheidungen, die grundsätzliche Fragen von Leben und Tod betreffen, inzwischen üblich und hat sich beispielsweise bei den Debatten über Spätabtreibungen und Präimplantationsdiagnostik bewährt.
Der Gesetzentwurf von Leutheusser-Schnarrenberger hatte außerdem vorgesehen, dass nahestehende Personen sich weiterhin nicht strafbar machen sollten, wenn sie Beihilfe zum Suizid leisten. Doch das gilt nicht für den ärztlich assistierten Suizid. Strafrechtlich gesehen bleibt dieser zwar ebenfalls straflos. In der (Muster-)Berufsordnung heißt es allerdings, dass Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen. Und diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die tagtäglich sterbenden und schwerstkranken Patienten beistehen, die Palliativmediziner, teilen diese Ansicht.
In Reflexionen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, die in diesem Heft vorgestellt werden, betonen sie, dass „Ärzte im Einzelfall vor einem Dilemma stehen können, wenn Patienten sie um Beihilfe zum Suizid bitten“. Dieser explizit geäußerte Wunsch sei zwar selten, er stelle im klinischen Alltag jedoch eine besondere Herausforderung für das gesamte therapeutische Team dar. Ziel der Palliativmedizin sei es, „durch bestmögliche Unterstützung Menschen im Sterben Leben zu geben und gleichzeitig das Sterben nicht aufzuhalten, sich somit dem ,Sterben wollen’ nicht entgegenzustellen“. Die behandelnden Ärzte sollten Patienten mit Suizidwünschen verdeutlichen, welche palliativmedizinischen Interventionen für sie infrage kommen.
Gisela Klinkhammer
Chefin vom Dienst (Text)
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.am Mittwoch, 5. März 2014, 16:12
Freier Wille von Gott gegeben?
Interview (Absatz am Ende): http://www.gezeitenwende.org/2014/02/hans-kueng-interview-dimension-unendlich/
am Dienstag, 28. Januar 2014, 18:42
Sterbewunsch des Theologen Hans Küng
Ist das die Theologie des sanften Todes ohne Gott?
Ist das ein Hilferuf gegen Medizin, welche möglicher weise nicht den Wünschen des Sterbewilligen auf Gesundheit entspricht?
Ein Theologe wie Hans Küng ist bereit sich einer Sterbehilfeorganisation „Exit“ anzuvertrauen, statt Gott.
Lieber Herr Küng: Gott ist Gott der Lebenden und nicht der Toten.
Sterbehilfe ist nicht Lebenshilfe, sondern Anmaßung an Gottes Stelle zu sitzen und für ihn zu entscheiden.
Link: http://www.quantenhomöopathie.de/?p=1061
am Montag, 27. Januar 2014, 20:22
Fundierte Meinungsbildung - offene Kontroversen bleiben!
Da repräsentative Umfrageergebnisse u n a b h ä n g i g von jeweiligen Auftraggebern und Interessenlagen, von den sozialwissenschaftlichen Sichtweisen und moralisch-ethischen Grundeinstellungen der Befragten bzw. Interviewer i m m e r fiktional auf die unbestimmbare Zukunft gerichtet sind, kommen die eigentlich Betroffenen zu kurz.
Terminal Kranke, depressiv-suizidal Gefährdete und Schmerzkranke, Stuporöse oder Komatöse im Finalstadium können zu ihrem Wunsch nach Sterbehilfe und Behandlungsabbruch ebenso wenig befragt werden, wie potenzielle Organspender mit noch zu überprüfenden Hirntodkriterien auf Intensivstationen für kommunikative Entscheidungsfindungen n i c h t mehr erreicht werden können. D e s h a l b gibt es den Organspendeausweis und vorformulierte Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungserklärungen.
Dass es häufig bei Befragungen zum Thema Sterbehilfe im Subtext eher um "Sterben light", "Schöner Sterben", Wunsch nach Entlastung durch aktives Handeln Dritter bei der angstbesetzten Situation des terminalen Autonomieverlustes, Delegation von Verantwortung und Externalisierung geht, wird mit folgenden Zitaten deutlich:
„Absolute Selbstbestimmung“; der „palliative Notausgang“; „das Recht, mit einem durch die Krankenkassen bezahlten Medikamentencocktail aus dem Leben zu gehen, wann immer ein Mensch dies möchte, sei er alt oder jung, krank oder gesund“; „trotz Hospiz und medizinischer Sterbebegleitung Selbst bestimmt aus dem Leben scheiden“. Menschen „müssen sich frei dafür entscheiden können“, sie seien „bei professionellen Sterbebegleitern besser aufgehoben“? „Ich möchte, wenn immer es möglich ist, bei mir zu Hause, wo ich gelebt habe und glücklich war, einen Cocktail einnehmen, der gut schmeckt und mich dann sanft einschlafen lässt.“
Das neue Paradigma „Ich sterbe, wann i c h will“ hat m. E. zwei Seiten: Die Profanisierung des Lebensendes, der Vergänglichkeit und des "Vanitas"-Motivs bei gleichzeitiger kultureller Überhöhung eines individualisierten Selbstbestimmungsrechts. Und um diese persönlichen Ansprüche durchzusetzen, werden ärztliche oder nicht-ärztliche, spezialisierte und professionell bzw. kommerziell qualifizierte Sterbebegleiter als Thanatologen gefordert?
Einzelheiten vgl. –
http://www.springermedizin.de/aktive-oder-passive-sterbehilfe--ein-luxusproblem/4927976.html
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund