VARIA: Heilbäder und Kurorte
Kurort-Marketing: Zusammengehen statt alleine untergehen


Allein kann ein Kurort kaum noch überleben. Die Kirchturmpolitik der Vergangenheit reicht für die immer
mobiler werdenden Zielgruppen nicht mehr aus. Was die Industrie mit Fusionen und strategischen Allianzen
vorgemacht hat, vollziehen nun die ersten Kurorte zumindest auf der Marketing-Ebene nach: den
Zusammenschluß. Und was haben die Gäste vom regionalen Kur-Verbund? Ein Besuch im "Gesundheitspark
Franken"
Ein grauer, trostloser Wintertag in Bad Neustadt an der Saale - nicht nur wetterbedingt. Wer mit Kurdirektor
Erwin Krewenka durch die fränkische Rhön-Gemeinde fährt, passiert auf der Haupt-Kurpromenade zwei leblose
Gebäudekomplexe: links die Kurparkklinik, 200 Betten, gegenüber die Rehaklinik der LVA Hannover, 170
Plätze - dicht, verlassen, aufgegeben. Die Kurkrise ist an Bad Neustadt nicht vorbeigegangen. Von 510 000
Übernachtungen 1995 auf gerade noch 300 000 im vergangenen Jahr halbierte sich fast die Auslastung der
örtlichen Kliniken, Hotels und Pensionen. Im Kur- und Schloßhotel, Sitz derer von und zu Guttenberg und eine
der feinsten Adressen weit und breit, erinnern goldgerahmte Fotos an bessere Tage, als Franz-Josef Strauß "hier
gerne wieder einzukehren" versprach. "Wir könnten in Bad Neustadt doppelt und dreifach so viele Gäste
vertragen, wie wir zur Zeit haben", sagt Krewenka.
Denn das Mineral- und Moorheilbad, Kurort seit 1853, legt sich mächtig ins Zeug: Eine Drei-Wochen-Kur
macht "fit fürs Leben" zum Schleuderpreis von 690 DM - zuzüglich Unterkunft, die in Bad Neustadt schon ab
19 DM pro Nacht zu haben ist. Und mit der Rhön-Klinikum AG, die hier 1984 auf der "grünen Wiese"
Deutschlands erstes privates Herz- und Gefäßklinikum eröffnete, existiert am Ort ein potenter Träger, der alle
verbliebenen Kliniken des Kurorts auf die neuen Zeiten einstimmt. So etwa das Kardiologische Rehazentrum
und das Diabeteszentrum, wo in dreijähriger Entwicklungsarbeit ein Programm für LangzeitDiabetesmanagement entwickelt wurde. Innerhalb von acht Tagen lernen die Kursteilnehmer, mit ihrer
Krankheit optimal zu leben und Folgeerkrankungen zu vermeiden. "Nicht nur der Standort Bad Neustadt
profitiert vom Diabeteszentrum", sagt Kurdirektor Krewenka, "sondern die Bekanntheit der gesamten Region."
Die Region ist das neue Zauberwort. Ende letzten Jahres präsentierten sich neun der zwölf fränkischen Kurorte
erstmals gemeinsam als "Gesundheitspark Franken" - eine "Dachmarke" für durchaus diverse, miteinander auch
konkurrierende Orte. Die Krise schweißt zusammen, was bislang nicht zusammengehörte. Denn die gemeinsame
Lage in Franken allein sorgte traditionell nicht für solidarische Bande zwischen etwa Bad Windsheim und dem
mondäneren, ungleich größeren Bad Kissingen - im Gegenteil: Als der Freistaat Bayern die Einrichtung einer
Spielbank plante und Windsheim gut im Rennen um den lukrativen Publikumsmagneten lag, intervenierte
Kissingen, das keine Gäste an den fränkischen Mitbewerber verlieren wollte. Die Spielbank kam schließlich ins
"neutrale" Feuchtwangen. Weiter als der Blick vom eigenen Kirchturm reichte das strategische Denken der
Kurorte in den goldenen Zeiten nicht.
"Der Gesundheitspark wird uns fränkischen Bädern dabei helfen, uns nicht länger intern zu befehden", hofft der
Bad Windsheimer Chefarzt Dr. Christian Karoff, Leitender Medizinaldirektor der Frankenlandklinik. Sein LVAKlinikum zählt der Chef zu den äußerst raren Reha-Einrichtungen, die auch in den Krisenjahren 1995 bis 1998
"nicht einen Tag unter 100 Prozent belegt" waren: Folge einer überaus agilen Kontaktpflege, die Karoff als
Manager in Personalunion betreibt. So scheut er sich nicht, mit italienischen Krankenkassen die Verschickung
von Versicherten ins Fränkische auszuhandeln oder einen großen Privatfernsehsender eine Serie mit
Gesundheitstips in seinem Haus drehen zu lassen. Der beschworene Wegfall der Kurorte-Konkurrenz allerdings
ist angesichts von Überschneidungen in den Indikationen innerhalb der neun Orte des "Gesundheitsparks" ein
frommes Ziel. Selbst vor der eigenen Tür hat Karoff Konkurrenz: Gleich nebenan sitzt die privat geführte
Kiliani-Klinik - eine Orthopädiestation haben beide Häuser.
Nun also der "Gesundheitspark" - was ist das eigentlich? Braucht ein Kurgast nur noch durch das symbolische
Tor des "Parks" zu treten, und eine ganze Region tut sich ihm auf? Schwerlich, angesichts eines mit 26 000
Quadratkilometern annähernd so großen Gebiets wie Thüringen, das allein neun Naturparks beherbergt. Noch ist
das Wort vom Gesundheitspark nicht viel mehr als die Zierde bunter Prospekte. Die gegenseitige Anerkennung
der Kurkarten etwa ist bislang nur im "fränkischen Bädereck" unter fünf der neun Orte verwirklicht; von einem
Kombi-Ticket für das öffentliche Nahverkehrsnetz Frankens kann der Kurgast nur träumen. "Ich habe RiesenÄrger mit der Deutschen Bahn, die ihre Verbindungen zwischen den Bädern immer weiter ausdünnt", klagt im
Gegenteil Olaf Seifert, Direktor des Tourismusverbandes Franken. Kein Wunder, daß inzwischen nur noch gut
jeder zehnte Kurgast per Bahn an seinem Zielort eintrifft.
Doch vielleicht hieße es zuviel erwarten, wollte man schon als Dienstleistungspaket ansehen, was als MarketingMasche gerade erst begann. Immerhin bieten Broschüren erste Übersichten der Kur- und Freizeitschwerpunkte
in der Region, ist längerfristig an die Erarbeitung gemeinsamer Qualitätsstandards und vielleicht auch eines
einheitlichen Buchungsverfahrens per Call-Center gedacht. "Allmählich bildet sich auch die Erkenntnis heraus",
so Seifert, "daß sich jeder Ort zum Wohl des Ganzen stärker auf Kern-Kompetenzen spezialisieren sollte, statt
einen Gemischtwarenladen anzubieten." Allein schon der Wettbewerb mit anderen Regionen wird diese
Profilbildung beschleunigen. Die Zukunft, so machen es nicht nur Daimler-Benz und Chrysler vor, liegt im
Zusammenschluß. Oliver Driesen
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