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Sicherstellung der ambulanten Versorgung: Ein Bärendienst der Kassen


War es nun eine letzte Spitze der Krankenkassen in Richtung des scheidenden Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Köhler? Oder doch eher ein Willkommensgruß an dessen Nachfolger, den dann tags darauf gewählten Dr. med. Andreas Gassen? Nicht zum ersten Mal lud der GKV-Spitzenverband einen Tag vor einem Großereignis der Ärzteschaft zur Pressekonferenz und präsentierte fragwürdige Zahlen, um dann die Schlagzeilen mit ärztekritischen Aussagen zu bestimmen. Der ambulanten Versorgung erweisen die Kassen jedenfalls einen Bärendienst mit ihren altbekannten Vorwürfen; geht es doch mehr denn je darum, junge Ärztinnen und Ärzte für die Praxen zu gewinnen.
„Wir haben immer mehr Ärzte, die immer mehr Geld verdienen, und trotzdem gibt es für die Patienten teilweise lange Wartezeiten und in wenigen Regionen im hausärztlichen Bereich erstmals Versorgungslücken“, sagte Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, am 27. Februar in Berlin. Das Einkommen niedergelassener Ärzte liege auf einem Rekordniveau und mit durchschnittlich 166 000 Euro brutto pro Jahr und Arzt weit über dem Durchschnitt der Bevölkerung.
Von Stackelberg forderte, mehr Kooperationen und mehr Anstellungsmöglichkeiten anzubieten, damit jungen Ärzten der Weg in die Praxis und aufs Land erleichtert werde: „Hier müssen die Ärzteorganisationen aktiv werden.“ Überhaupt würden viel zu wenig Hausärzte ausgebildet, monierte er. Deshalb machten sowohl die Länder bei der Universitätsausbildung als auch die ärztliche Selbstverwaltung bei der Organisation der Weiterbildung und der Gestaltung von Bedarfsplanung und Zulassungsrecht „keinen guten Job“.
„Die Aussagen sind falsch“, konterte Köhler an seinem vorletzten Arbeitstag den Kassenvorstoß. Die Kassenärztlichen Vereinigungen leisteten bereits sehr viel: „Sie bieten Umsatzgarantien, Investitionshilfen, erleichtern die Anstellung von Ärzten und unterstützen Stipendien für Medizinstudenten.“ Der GKV-Spitzenverband biete hingegen nur Plattitüden und viele falsche Behauptungen.
Irritierend ist vor allem, wie die Kassen wider besseres Wissen auf steigende Ärztezahlen verweisen. Ihren Fachleuten ist wohlbekannt, dass immer mehr Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit arbeiten. Auf Nachfrage räumte von Stackelberg denn auch ein, dass man nur Köpfe gezählt habe, nicht Arbeitsstunden. Zuvor hatte er vorgerechnet, dass zwar die Zahl der hausärztlichen Praxisinhaber von 59 600 im Jahr 2000 auf knapp 56 000 im Jahr 2012 gesunken sei. Durch die Zunahme an angestellten Ärzten sei die Gesamtzahl jedoch auf 60 400 gestiegen.
Der erkennbare Ärzteman
Jens Flintrop
Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik